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Wer braucht das Spiel des Jahres?

Tanja Koch von

(K)Eine Auszeichnung für bestimmte Zielgruppen

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch die Diskussion über die Nominierungsliste der Jury und schließlich auch die über den Siegertitel. Seien wir doch mal ehrlich: Gerade wir Vielspieler, die wir schon am ersten Adventswochenende sämtliche Essener Neuerscheinungen durchgespielt haben, können mit dieser Liste nicht viel anfangen. Der für uns jeweils beste Titel des Jahrgangs hat es vielleicht auf die Empfehlungsliste gebracht. Nur ganz selten erscheint er mal auf der Nominierungsliste oder bekommt einen Sonderpreis. Ganz tief in den Keller sinkt die Vielspieler-Laune, wenn es das Lieblingsspiel auf keine der Listen schafft.

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Jedes Jahr schlagen dann die Wellen hoch ob der Blindheit der Jury, es werden wirtschaftliche Interessen oder schlicht Unfähigkeit unterstellt. Die Frage stellt sich quasi jedes Jahr aufs Neue: Kommt das Spiel des Jahres seiner Aufgabe nach, das Kulturgut Spiel zu fördern? Welche Bedeutung hat die Auszeichnung überhaupt noch? Verwässert dieser Preis nicht dadurch, dass nicht das beste Spiel den Titel erringt?

Klar, mir geht es ganz ähnlich, nachvollziehen kann ich die Nominierungen auch oft nicht wirklich. Ich liebe es, fünf Dinge machen zu wollen, aber nur zwei machen zu dürfen. Zu entscheiden: Gehe ich ein Risiko ein oder gehe ich auf Nummer sicher? Wie ist mein letzter Arbeiter optimal einzusetzen? Was bringt mir dieser Zug? Was bringt der Zug den Mitspielern? Hach, da geht mein Herz so richtig auf.

Nicht so bei einem guten Freund von mir, der auch häufiger zum Spielen vorbeikommt (freiwillig, wohlgemerkt). Ihm ist das ganze Entscheiden entschieden zu viel und es macht ihm auch keinen richtigen Spaß. Da wird das Lieblingsspiel zum Flop.

Und dann kam Dominion auf den Tisch. Zugegeben, das ist ein Spiel, bei dem sich Jury und Vielspielergemeinde in den Armen lagen. Bei allen lag es vorne in der Gunst. Einen Tag später der Anruf besagten Freundes: Er hätte ja so viel Spaß gehabt wie noch nie beim Spielen. Dieses Dominion wäre richtig toll gewesen. Beim nächsten Treffen habe ich dann mal ein Experiment gewagt: Auf den Tisch kamen Elfenland und Thurn  & Taxis. Beide haben sie ihm gut gefallen. Es kristallisiert sich heraus: Mit den Spielen des Jahres kann er etwas anfangen.

Da mag ich jetzt als Vielspieler die Nase rümpfen und meinen, diese Spiele wären zwar nett, aber nicht sonderlich anspruchsvoll. Und doch: Es gibt mir zu denken …

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3 Kommentare

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Tom 20. Juni 2010 at 19:07

Die Beobachtung konnte ich im Freundeskreis auch machen – Die Mainstream-Spiele (dank Pöppel) scheinen teilweise wirklich das zu machen, was der Preis vorgibt: Nichtspieler ansprechen!

Allerdings gilt das nicht für alle Preisträger: Die gelegentlichen "Abstecher" in belanglose Balancierspiele á la "Villa Paletti" oder ins andere Extrem "El Grande" /"Tikal" machen die Einordnung der Preisvergabe nicht unbedingt leicht. Denn die beiden letzten Spiele dürften von Deinem guten (Wenig-Spieler-)Freund auch nicht gerade Beigeisterung für Brettspiele ausgelöst haben…

So werden die Diskussionen und Besserwissereien wohl nie aussterben – aber sind wir doch ehrlich: sie machen doch alle Jahre wieder Spaß 😉

 

Grüße,

Tom

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Leser 21. Juni 2010 at 20:26

 Hallo Tanja, danke für deine Analyse. Ich habe schon gedacht, dass es auf den meisten Spieleseiten nur noch vorschnelle Kritik zum SdJ zu lesen gibt. Tatsache ist doch: Auch wir Vielspieler haben noch ein anderes Leben, z.B. sind wir Väter oder Mütter, die darauf hoffen, dass unsere Sprösslinge irgend wann auch mal die Spiele toll finden, die wir so gerne spielen. Und wie funktioniert das? Doch wohl nur, indem man sie Stück für Stück an komplexere Spiele heran führt und das kann wohl nicht so aussehen, dass ich mit einer 5jährigen Stone Age spiele und mit einem 10jährigen Agricola. Mag ja sein, dass auch das prinzipiell möglich ist. Langzeitspaß bedeuten diese Spiele aber für Kinder nicht, allenfalls Überforderung und Frustration. Deshalb ist m.E. der Preis "Spiel des Jahres" nach wie vor so wertvoll. Er bietet Orientierung für Familien (und nicht nur für die Oma, die den Kleinen was auf den Gabentisch legen will und nur nach dem roten Pöppel auf der Packung schaut, wie oftmals polemisch behauptet). Ich jedenfalls kenne viele Familien, die nach wie vor voller Spannung darauf warten, welches Spiel nun Spiel des Jahres (oder Kinderspiel des Jahres) wird und im Allgemeinen sehr gut auf diese Empfehlung vertrauen können. Wenn man sich die Entscheidungen der Jury aus dieser Perspektive anschaut, dann kann man feststellen, dass es in der Vergangenheit durchweg gute Entscheidungen waren. Noch einmal: sicherlich nicht aus der Sicht des Vielspielers, aber vermutlich doch wohl aus der Sicht des Spielers / Vielspielers, der mit seinen Kinder am Spieltische sitzen und einen schönen Familienabend verbringen will. Und deshalb freue ich mich auch schon wieder auf das nächste Spiel mit meinen Kindern, genau so wie auf eine Partie Agricola, Caylus, Uruk usw. mit einem guten Glas Wein, wenn die Kinder mal nicht dabei sind. Mit der Familienbrille betrachtet meine ich auch, dass die Nominierungsliste 2010 super zusammen gestellt wurde. Da ist das Spiel, das gerade auch noch den Vielspieler anspricht (Fresko), jedoch mit recht konventionellen Mechanismen und das deshalb wohl nicht den Preis bekommen wird; da sind die Kommunikationsspiele, die einen neuen Trend ausloten und innovativere Mechanismen enthalten (Dixit, mein Tipp, und Identik); außerdem ein Würfelspiel, das ebenfalls innovativ ist; und last but not least der Ehrenpreis für Schmiel: a la carte. Ich war schon etwas überrascht von der Liste, aber es fällt schwer, sich was Besseres für Familien vorzustellen. Zum Schluss aber auch noch eine kritische Anmerkung: Identik und Dixit sind Spiele, die erst ab 3 Spieler/innen spielbar sind. "Familie" bedeutet heutzutage aber auch immer häufiger Alleinerziehende/r mit Kind. Die bleiben hier auf der Strecke. Gruß Andreas

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Axel 26. Juli 2010 at 13:30

Das kann ich bestätigen! Auch mir ging es schon des öfteren so, dass ich in meinen Spierunden das Spiel des Jahres vorstellte. Oft ein Titel, von dem zu ich nicht beurteilen vermochte, was ihn zu seiner Auszeichnung führte.

Aber: meine Mitspieler hatten gerade an diesen Spielen häufig Spaß. Ob es an der Simplizität lag oder der thematischen Umsetzung, richtig gefloppt hat weder ein Zug um Zug (Amerika wohlgemerkt!), noch ein Zooloretto. Also muss doch was dran sein…. 

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