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Im Interview: Wolfgang Kramer

Wolfgang Kramer von Wolfgang Kramer

Fragen an den Erfolgsautor

Über hundert veröffentlichte Spiele und sicher noch einiges mehr an unveröffentlichtem Material: Gehen dem Autor Wolfgang Kramer eigentlich nicht irgendwann die Ideen für neue Spiele aus?
„Nein, daran habe ich noch nie gedacht. Das Leben bietet so viel Interessantes, das sich eignet, in Spielen umgesetzt zu werden. Ich bin fast sicher, dass es mir nicht gelingen wird, alle meine Ideen zu realisieren.“

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Sie sind relativ spät zum Profiautor geworden. Dass es zunächst ein Wagnis war, ist bekannt. Aber wie kam es, dass Sie diesen Schritt dennoch getan haben?
„Ich wollte meinem Leben nochmals eine ganz neue Wendung geben. Außerdem war ich neugierig darauf, wie meine Spielentwicklungen aussehen, wenn ich meine ganze Energie dafür einsetzen kann.
Als dann zwei meiner Spiele die begehrte Auszeichnung Spiel des Jahres erhielten (Heimlich & Co. und Auf Achse), war auch ein finanzielles Fundament für diesen Schritt vorhanden.
Mit entscheidend war natürlich auch, dass meine Frau ohne Einschränkungen einverstanden war.“

Hat die berufliche Umorientierung zum Profiautor eine Änderung in der Einstellung zum Spiele-Erfinden nach sich gezogen?
„Ja, vorher war das Spiele-Erfinden Hobby und jetzt musste ich damit „meine Brötchen“ verdienen.
Mein erstes Ziel war: Ich wollte beweisen, dass man mit dem Spiele-Erfinden seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Also entwickelte ich Spiele für möglichst große Zielgruppen, Spiele für einen breiten Markt. Das brachte mir zwar keine Auszeichnungen ein, aber die verkauften Stückzahlen konnten sich sehen lassen.
Ich galt jetzt als ‚Profiautor‘, fühlte mich aber gar nicht so. Denn ich wusste noch viel zu wenig über ‚das Spiel‘ und ‚das Spielen‘. Die ‚Lehrjahre‘ begannen. Ich las damals alles, was ich in die Finger bekam und was ‚das Spiel‘ zum Inhalt hatte.
‚Das Spiel‘ besitzt viele Kategorien. Ich hatte aber bis dahin nur Spiele entwickelt, die in die Kategorien Glücksspiele, Taktikspiele und Spiele mit einer Mischung aus Glück und Taktik gehörten. Ich setzte mir zum Ziel, von all den anderen Kategorien, an denen ich mich noch nicht versucht hatte, wenigstens ein Spiel zu entwickeln. So entstanden in der Folgezeit Kommunikationsspiele, kooperative Spiele, Geschicklichkeitsspiele, Reaktionsspiele, Memoryspiele, Kartenspiele, Bauspiele, Lernspiele, Aktionsspiele, Rätselspiele, Solospiele und zum Schluss große, komplexe Strategiespiele (zum Beispiel El Grande, Fürsten von Florenz und Java).“

Bei so vielen Spielen, unter denen immerhin fünf Mal ein „Spiel des Jahres“ vorkommt, hat man doch sicher auch einen Favoriten? Gibt es ein älteres Spiel, das Sie selbst besser finden oder mehr lieben als Ihre aktuellen Veröffentlichungen?
„Nein, mein Lieblingsspiel ist eigentlich immer das, an dem ich gerade arbeite.
Es gibt aber viele von meinen älteren Spielen, die ich auch heute noch gerne spiele. Und es gibt darunter auch welche, bei denen mir das Herz blutet, wenn ich daran denke, welche Erwartungen ich in sie gesetzt habe und was dann daraus geworden ist. Zum Beispiel Big Boss, Columbus und Inspiration. Dies sind nur drei davon, es gibt aber viel mehr!“

Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie zum Beispiel Spiel des Jahres oder der Deutscher Spielpreis?
„Sehr, sehr viel! Es ist eine Bestätigung meiner Arbeit. Was für einen Schauspieler ein Oskar ist und für einen Sportler eine Olympiamedaille, ist für mich die Auszeichnung Spiel des Jahres oder Deutscher Spielepreis.“

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit den Co-Autoren, speziell Michael Kiesling?
„Die meisten meiner Co-Autoren sind Freunde von mir. Wir spielen und testen viel gemeinsam und so kamen dann die Kooperationen zustande. Bei Richard Ulrich brachte uns der Verlag zusammen. Richard Ulrich hatte die Idee zu einem Flirtspiel. Das Spiel funktionierte aber noch nicht so, wie der Verlag es sich vorstellte. Später wurde dann Punk sucht Lady daraus.
Bei Michael Kiesling verhielt es sich wieder anders. Er hatte seinen 1×1 Verlag gegründet und war damit wenig erfolgreich. Er suchte Rat bei mir. Als wir über Spiele und Spielmechanismen diskutierten, gab ein Wort das andere, eine Idee folgte der anderen. Als wir wieder auf die Uhr sahen, waren zwei Stunden vergangen, aber wir hatten die Grundidee für ein neues Spiel gefunden, das wir gemeinsam entwickeln wollten. Dies war Haste Worte. Damit war der Grundstein für eine sehr erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit gelegt.“

Wie kann das denn funktionieren, wenn man sich nur per Fax und Telefon austauscht?
„Wir einigen uns zuerst auf ein Thema oder auf einen Mechanismus, an dem wir arbeiten möchten. Dann überlegen wir unabhängig von einander, wie die Umsetzung aussehen soll. Jeder skizziert seine Gedanken, entwickelt ein grobes Konzept und faxt sie dem anderen. Dann telefonieren wir und diskutieren darüber. Mitunter entsteht dann eine Mischung aus beiden Konzepten oder wir variieren ein Konzept oder wir verwerfen beide und überlegen neu. Wenn unsere Überlegungen so weit gediehen sind, dass wir mit dem Bau eines einfachen Prototyps beginnen können, dann baut jeder einen und testet ihn. In der Folgezeit werden dann die Testergebnisse ausgewertet und diskutiert, verändert, verbessert, weiter entwickelt. Es schließen sich viele Tests an, bei denen Varianten ausprobiert, verworfen oder für gut befunden werden. Jede Änderung, jeder Test, jede Variante wird besprochen, die Vor- und Nachteile abgewägt und über das weitere Vorgehen entschieden.
Dabei kann es auch vorkommen, dass wir unterschiedlicher Auffassung sind und uns nicht einigen können. Wir arbeiten dann beide parallel an zwei unterschiedlichen Versionen und testen beide. Aufgrund der Testergebnisse entscheiden wir dann, welche Version ‚überlebt‘.“

Wer hat die Ideen, gibt es Arbeitsteilung, wer sorgt für Regeln/Mechanismen?
„Wir gehen nach dem Grundsatz vor jeder macht das, was er am besten kann. Konkret heißt dies: Michael ist für das Basteln, die Grafik und den Prototyp zuständig, der dem Verlag übergeben wird. Ich bin für das Thema zuständig, schreibe die Regel, präsentiere das Spiel und führe die Korrespondenz mit dem Verlag.
Ideen bringen wir beide in das neue Spiel ein. Die Spielentwicklung betreiben wir gemeinsam.“

Arbeiten Sie zuerst mit einem Mechanismus, der dann in ein Thema eingepasst wird, oder gibt es ein Thema, für das Sie einen Mechanismus suchen/finden?
„Wir wenden beide Vorgehensweisen an. Ich halte es aber für besser, wenn zuerst das Thema (zum Beispiel Tikal, Java, Mexica) feststeht.
Wenn wir von einem Mechanismus ausgehen (zum Beispiel Pueblo), dann achten wir darauf, dass das Thema sehr frühzeitig in die Entwicklung einfließt.“

Woran arbeiten Sie zurzeit? Gibt es ein Thema, das Sie unbedingt noch umsetzen möchten?
„Sorry, aber darüber rede ich nicht.
Ein Ziel, das ich mir 1989 gestellt habe, ist, einen ganz neuen Typus von Spiel zu entwickeln. Dieses Ziel habe ich leider nicht erreicht und bleibt deshalb als Ziel bestehen. Ich fürchte aber, dass es mir wohl nicht gelingen wird, diese Aufgabe zu lösen.“

Abseits von Spielen – gibt es da noch andere Dinge, für die Sie sich interessieren?
„Oh ja! Ich liebe meine Frau und meine Familie, ich liebe klassische Musik, Oper und Kunst, lese gerne spannende Romane, sehe mit Vergnügen gute Filme, besuche Kunstveranstaltungen und Museen, bin begeistert von Sportveranstaltungen, philosophiere gerne, liebe die Natur und erwandere mit Lust im Urlaub neue Landschaften.“

Webseite von Wolfgang Kramer

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