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Uwe Rosenberg über Nusfjord und Worker-Placement

Brettspiel Nusfjord - Foto von Lookout Spiele

Die Entwicklung der neuen C-Klasse für anspruchsvolle Spieler

Uwe, derzeit erscheint bei Lookout Spiele deine Neuheit Nusfjord. Das klingt norwegisch. Welches Thema versteckt sich hinter diesem Titel?
„Michael, du assoziierst Norwegen, ohne dies recherchiert zu haben? Dann hätten wir mit dem Spieletitel ein Ziel schon einmal erreicht. Wir hoffen, dass die Leute bei einem Fjordspiel Dorschfang, den Aufbau einer Schiffsflotte und einer Fischerei assoziieren. Dazu kommt ein Management der begrenzten, aber wichtigen Holz-Ressourcen. Außerdem können die Spieler nicht nur ihre Fische, sondern auch Anteile ihrer Fischerei verkaufen bzw. Anteile der Mitspieler-Fischereien erwerben.

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Ursprünglich sollte Nusfjord ein börsenkritisches Spiel werden. Ansätze dazu sind geblieben.“

Was wird Aufgabe der Spieler sein? Welches Ziel verfolgen sie bei Nusfjord?
„Schauen wir, wofür es am Ende Siegpunkte gibt.

  1. Gold, erzielt aus den eben benannten Verkäufen.
  2. Gebäude. Es gibt wertvolle und weniger wertvolle Gebäude. (Den wertvollen C-Gebäuden kommt beim Erwerb eine besondere Bedeutung zu.)
  3. Schiffe, die auf einer Fischfangleiste abgelegt werden.
  4. Anteile an der eigenen und an gegnerischen Fischereien.
  5. Für Gebäude, Schiffe und Anteile gilt: Früh gebaut sind sie teuer, bringen dafür aber neben Punkten im Spielverlauf Aktionsmöglichkeiten oder Ressourcen ein. Spät gebaut sind sie leichter zu erwerben, bringen dann aber nur noch Punkte ein.
  6. Minuspunkte gibt es für leere Bauplätze.

Das sind die Ziele der Spieler. Aufgaben haben sie noch ein paar mehr. Sie können mächtige Dorfälteste anwerben, die ‚Unterhalt‘ kosten, ohne Punkte einzubringen. Sie müssen ihre Wälder im Auge behalten, damit ihnen das Holz nicht ausgeht. Sie müssen immer wieder Mal ihre ‚Rücklagen‘ leeren, damit ihnen keine Fische entgehen. (Die Fischerei sollte ursprünglich als Metapher auf eine Bank dienen. Die Fischereien gehen in diesem Spiel mit ihren Rücklagen um, wie Banken es nicht tun sollten, aber es eben doch tun.)“

Das legt wieder ein etwas komplexeres Spiel nahe. Mit welchen Mechanismen grenzt du Nusfjord von anderen Spielen ab und welche sind besonders wichtig für den Spielspaß?
Nusfjord ist ein Worker-Placement-Spiel mit zwei Aktionsfeld-Ebenen:

  • den klassischen Einsetz-Feldern für alle Spieler und
  • Einsetz-Feldern auf den Ältesten-Plättchen für die Spieler individuell.

Es werden Gebäude gebaut, die Sofort-, Jederzeit-, Sobald- und Immer-wenn-Effekte haben. Manche Gebäude haben keinen Effekt: Deren Punktezahl ist dann von Begebenheiten abhängig.
Es gibt eine Einkommensleiste für Fische (Fischfangleiste) mit der Besonderheit, dass man das ‚Einkommen‘ nicht komplett behalten darf. Es gibt Ressourcen für Holz (Waldplättchen), die langfristig (Durchforsten) oder kurzfristig (Abholzen) ‚angezapft‘, aber auch ‚aufgefrischt‘ (Aufforsten) werden können. Es gibt Anteilsscheine für die eigene Fischerei, die (wie bei der Börse) realisiert werden können und Gold einbringen. Eine andere wichtige Verdienstmöglichkeit besteht im Verkauf von Fischen über einen (hoffentlich) innovativen Börsenmechanismus. Dies sind dann auch alle Waren, die es in Nusfjord gibt.

Am meisten gespannt bin ich darauf, wie meine ‚C-Gebäude‘ beim Publikum ankommen werden. In ‚herkömmlichen‘ Spielen werden Gebäude, die alleine dem Punkteerwerb dienen, ganz am Ende einer Partie gebaut. Das neue Nusfjord aber mit dem Zwei-Stufen-Wirkstoff gibt dem Spieler wertvolle Gebäude individuell auf Hand, die später, falls er sie nicht gebaut hat, allgemein verfügbar werden. (Ich liebe Werbesprache.) Wer sich ein wertvolles Gebäude wirklich sichern möchte, muss es also frühzeitig bauen, obwohl es ihm nichts anderes außer Punkte bringt.“

Nusfjord ist eher komplex. Wer wird deiner Meinung nach den größten Spielspaß damit haben? An wen richtet sich das Spiel besonders? Wie würdest du die Anforderung im Vergleich zu deinen anderen Spielen einschätzen?

Rosenberg-Spiele nach Anforderung sortiert„Ich schätze die Anforderungen geringer ein als bei anderen Spielen. Die Stärke von Nusfjord ist sein flüssiger Spielverlauf. Die Anforderungen an den Spieler rühren nicht aus der Komplexität des Spiels, sondern aus seiner Verzahnung, was das Erklären des Spiels wiederum anspruchsvoll macht.“

Gibt es für eilige Spieler, die sich ein Urteil beim Anspielen bilden wollen, einen Tipp vom Autor? Auf was sollten Spieler speziell im ersten Spiel besonders achten? Gibt es typische Anfängerfehler?
„Wenn es typische Anfängerfehler gäbe, hätte ich Regeln festgelegt, um den Spieler davor zu schützen. Ich finde es ärgerlich, wenn man sich mit frühen unbedachten Aktionen aus einer Partie ‚rausschießt‘. Meine Spielphilosophie ist: Macht am Anfang einfach irgendetwas! Alles dient der Vorbereitung späterer Aktionen. Ich denke, spätestens beim Spielen erschließt es sich, wie die Aktionen bei Nusfjord verzahnt sind. Wenn ich einen Tipp geben soll, dann würde ich dies im Hinblick darauf tun, in welcher Reihenfolge die Spielregeln und speziell die Aktionsfelder erklärt werden können. Das Besondere an meiner persönlichen Erklärweise ist, dass ich Phase 1 in drei Schritten erläutere.“

Magst du die Erklärschritte umreißen?
„Als Erstes überrasche ich die Zuhörer damit, dass es um Siegpunkte geht. Schön ist, dass man alle Siegpunkte, die man erzielen kann, auf dem Spielmaterial sieht. Ich gehe die Siegpunkt-Möglichkeiten durch (siehe oben). Nach dem Rundenablauf, in dem ich zu Phase 1 nur sage, dass die Spieler irgendwie Fische erhalten, erkläre ich den Schiffbau, damit klar wird, wie man in Phase 1 überhaupt an Fische gelangt. Danach folgt der Gebäudebau, um das Thema ‚Bauen‘ abzuschließen. Ich werfe einen Blick auf die Baukosten: Die Fische wurden gerade betrachtet. Für das Holz erkläre ich die drei Waldfelder. Bevor ich zu den Aktionsfeldern mit den Anteilen komme, erkläre ich Phase 1 ausführlich. In Phase 1 gibt es die Begriffe ‚eigene und fremde Anteile‘. Die Frage, was diese sind, erkläre ich anhand der Felder zur Realisierung von Anteilen. Ich zeige, wie man in dem Spiel Gold verdient. Das Aktionsfeld ‚1 Gold‘ erwähne ich als Notfeld. Viel wichtiger ist das Aktionsfeld mit den Tellern, auf dem Fische verkauft werden. Die Teller wiederum sind wichtig die Ältesten. Das Aktionsfeld zum Anwerben der Ältesten erkläre ich als letztes. Dann werfe ich erneut einen Blick auf Phase 1. Ich schließe gerne mit dem Satz: ‚Die Ältesten bekommen bei Rundenbeginn 1 Fisch und im weiteren Rundenverlauf immer dann 1 Fisch, wenn der Spieler ihre Aktion nutzt. Die Fische kommen im ersten Fall aus dem allgemeinen Vorrat, im zweiten von den Tellern.‘

Ich schätze, dass diese Sätze interessant sind für Spieler, die Nusfjord schon kennen. (Und natürlich für unsere Erklärer am Stand.)“

Du hast in einem anderen Interview bei uns einmal gesagt, dass die Neubearbeitung von bestehenden Ideen dir große Freude macht. Wie haben deine bisherigen Spielideen Einfluss auf Nusfjord genommen?
„Dies ist eine interessante Frage, über die ich erst einmal nachdenken muss. Ich habe meine größeren Spiele in folgender Reihenfolge erfunden: Bohn Hansa, Vor den Toren von Loyang, Agricola, Le Havre, Agricola-Moorbauern, Caverna (Anfang), Merkator, Caverna (Hauptteil), Ora et Labora, Nusfjord, Die Glasstraße, Ein Fest für Odin (Anfang), Patchwork, Arler Erde, Ein Fest für Odin (Hauptteil), Cottage Garden, Indian Summer. Ich erfand Nusfjord also bereits wesentlich früher, als du vielleicht annimmst, Michael.

Eine Bearbeitung bestehender Ideen hat es immer viel gegeben. Ich versuche einmal ein paar herauszuarbeiten. Am meisten stolz bin ich auf den Mechanismus der selbst regulierenden Preisskala durch die Teller. Es ist recht schwierig, so etwas selbst regulierend hinzubekommen. Bislang ist mir dies erst in Bohn Hansa geglückt. Die Dorfältesten ähneln den Ausbildungen aus Agricola: Auch in Agricola gibt es erwerbbare Karten, die als Aktionsfelder dienen. So wie die Waldplättchen auf die Baufelder abgelegt werden, erinnert dies an die Moorbauern-Variante von Agricola. Was die Struktur der Gebäudeplättchen angeht, hat Nusfjord Einfluss auf Glasstraße genommen. Dort habe ich dann sauber nach Sofort-, Jederzeit- und Punkte-Gebäuden getrennt – bei Nusfjord habe ich dies noch nicht getan. Die Schiffe von Nusfjord sind eine Fortführung der Ideen aus Le Havre. Sie bringen regelmäßig Nahrung. In der Weise, wie sie auf den eigenen Plan abgelegt werden, ist dies ein eindimensionales Puzzeln wie bei der Odin-Ernährung. Das zweidimensionale Puzzeln bekam nach Nusfjord in Patchwork, Cottage Garden und Indian Summer Bedeutung.“

Würdest du sagen, dass es in deinen Worker-Placement-Spielen einen bestimmten Entwicklungsprozess gibt? Gibt es eine Idee, die mit den weiteren Spielen wächst und die andere Mechanismen nach sich zieht?
Der Begriff ‚Extremspieler‘ wird gerne so gefasst, dass dies Spieler sind, die extrem viel und vielleicht sogar extrem komplexe Spiele spielen. Ich bin ein Extremspieler, der gerne extrem viel und extrem komplex spielt, nur dass mir extrem wenige Mechanismen gefallen. Dies hat schon in meiner Kartenspiel-Periode in den 1990er-Jahren dazu geführt, dass ich die wenigen Mechanismen, die mir gefielen, haargenau untersucht habe.

Heute bezeichne ich die Art, wie ich Spiele erfinde, gerne als Forschung. Ich baue mehrere Spiele auf ähnliche Mechanismen auf und betrachte sie am Ende theoretisch, um zu allgemeinen Schlüssen zu kommen, die dann in meine allgemeine Spielphilosophie übergehen. So ist es auch bei den Worker-Placement-Spielen. Hier ist es mir wichtig, dass die Balance zwischen Arbeitern und Feldern stimmt. Wenn die Zahl der Felder wächst, sollte auch die Zahl der Arbeiter wachsen. Worker-Placement-Spiele leben von der Geschwindigkeit, in der eine Geschichte erzählt wird. Aktionen sollten deshalb nur dann höhere Kosten haben, wenn mit ihnen ein Zwischenziel erreicht wird, z. B. der Bau eines größeren Gebäudeplättchens.

Ich mag es, wenn dem Spieler Sachen geschenkt werden. Damit verbunden ist die Idee, an der ich bei den Worker-Placement-Spielen am längsten gearbeitet habe: die Anhäufungsmechnismen, wie ich sie nenne. Waren häufen sich solange an, bis ein Spieler das ‚Paket‘ so attraktiv findet, dass er es sich nimmt. Und wohlgemerkt: Er bekommt das Paket geschenkt. Zahlt er etwas dafür, verringert dies nur das Spieltempo. Nusfjord war das erste Worker Placement, bei dem ich auf Anhäufungen verzichtet habe (wenn man einmal von den Anteilsplättchen absieht).“

Worker-Placement-Spiele sind in den letzten Jahren bei Vielspielern sehr beliebt gewesen. Welche besonderen Vorzüge bietet dir als Spielerfinder dieser Mechanismus?
„Worker-Placement-Spiele sind ein Grundkonzept, auf dass man so ziemlich alle Geschichten aufbauen und erzählen kann. Das direkte Einsetzen der Arbeiter ermöglicht eine zeitsparende und schnelle Entwicklung im Spiel. Wenn wie in den 1990er-Jahren ein Schiff von A nach B, dann nach C und D fährt, nur um in paar Waren zu tauschen, kommt ein Spiel nicht schnell genug voran. Außerdem nehmen sich die Spieler bei Worker-Placement-Spielen gegenseitig die Aktionsfelder weg, wodurch Raum für planerische Überlegungen entsteht: Welche Felder belege ich und in welcher Reihenfolge?“

Du bietest zumindest bei den Veröffentlichungen, die bei Lookout Spiele erscheinen, stets eine Solovariante an. Das ist auch bei Nusfjord der Fall. Wie wichtig ist diese Variante für dich als Autor? Wie entsteht sie?
„Bei mir entstehen die Solovarianten inzwischen sehr früh in der Entwicklung. Da ich vier kleine Kinder habe und im Moment viel weniger zum Testen komme, spiele ich die Partien sehr viel öfters solo und erfinde die Spiele gezielt so, dass sie solo gut funktionieren.

Es freut mich, dass immer mehr Spieler solo spielen. In den ersten Jahren nach Agricola wurde ich für die Solovarianten noch belächelt, sodass ich darüber nachgedacht hatte, sie nur im Internet zu veröffentlichen.“

Wie funktioniert diese Solo-Variante speziell bei Nusfjord? Es gibt ja keine Mitspieler, die Anteile an Fischereien kaufen können. Welche Änderungen im Mechanismus gibt es?
„Man spielt mit den Arbeitern zweier bzw. dreier Farben – je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad – und ansonsten mit dem Material einer Farbe. Jede Runde ist eine andere Farbe an der Reihe – die Arbeiter anderer Farben aus den Vorrunden bleiben liegen und blockieren die Aktionsfelder. Daher spielt man zusätzlich mit dem Nachahmungsplättchen. Die Anteile des Solospielers gibt es nur in einer Spielfarbe. Man kann sie aber mit Arbeitern jeder Farbe realisieren und erwerben – sie werfen ganz normal Fisch ab. Einen Mitspieler, der sie einem wegkauft, gibt es nicht. Da hast du recht.

Hervorheben möchte ich die Kampagne, in der man drei Partien in Folge spielt. Gebaute Gebäude aus der einer Partie stehen in der nächsten nicht mehr zur Verfügung. Die Kampagne ist reizvoll, weil man die Gebäude in den ersten beiden Partien nicht wahrlos verbaut, sondern sich überlegt, ob man sie später besser gebrauchen kann. Das Kampagnenspiel wirkt dadurch als Einheit. Ziel der Kampagne ist es, insgesamt über 100 Punkte zu erzielen.“

Zum Abschluss noch mit einem Augenzwinkern die „Wertfrage“: Als Autor hast du sicher Nusfjord selbst solo gespielt. Welche Bestmarke hast du, an der sich ambitionierte Spieler orientieren können?
„Ich habe tatsächlich fast nur Kampagnen gespielt. Die erwähnten 100 Punkte habe ich mal erreicht, mal nicht. Über die genauen Ergebnisse habe nicht Buch geführt. Und auf Rekordjagd bin ich auch nicht gegangen. Dafür war es zu wahrscheinlich, dass sich am Ende der Spielentwicklung bei dem einen oder anderen Gebäude noch etwas verändert und mein Rekord nichts mehr wert wäre. Michael, mit deiner Schlussfrage hebst du die besondere Bedeutung hervor, die die diesjährige Messe für mich hat: Beide Spiele, Nusfjord und auch Indian Summer von der Edition Spielwiese, zeichnen sich durch besondere Soloregeln aus.“

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