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12 Sätze zum Urheberrecht von Spielen

Günter Cornett, Spieleautor und Autor dieses Artikels

Außergerichtliche Möglichkeiten zum Schutz des Urheberrechts von Spielregelwerken (Teil 2)

Inhalt dieser Serie

Teil 0: Einleitung
Teil 1: Warum außergerichtlich?
Teil 2: 12 Sätze zum Urheberrecht von Spielen
Teil 3: Einrichtung einer ‚Schiedsstelle‘ zur einvernehmlichen Klärung
Teil 4: Außergerichtliche Maßnahmen gegen Plagiate:

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  • Das Original im betroffenen Land verfügbar machen.
  • Den Sachverhalt öffentlich machen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen.  (Verlage, Handel, Autoren, Journalisten, Blogger, Spieler, …)

Vorbemerkung zu den 12 Sätzen zum Urheberrecht von Spielen

Eine Bemerkung vorweg: Ich habe diese Sätze formuliert, um dem Irrtum, es gäbe kein Urheberrecht auf ‚Spielideen‘, etwas entgegenzusetzen und ein bisschen für Klarheit zu sorgen. Die Aufstellung erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Anspruch auf absolute Wahrheit. Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit. Zudem gibt es noch weitere rechtliche  Bestimmungen, die für Arbeit von Spieleautoren von Bedeutung sind (Leistungsschutz, unlauterer Wettbewerb …).

1. Auf Ideen gibt es keinen Urheberechtsschutz

Sonst hättte die Nasa für ihre ersten Mondflüge Lizenzzahlungen an die Nachfahren von Jules Verne zahlen müssen – es sei denn, jemand hatte die Idee schon vor Jules Verne.

2. ‚Spielideen‘ genießen grundsätzlich Urheberechtsschutz

Was gemeinhin als ‚Spielidee‘ bezeichnet wird, meint den gesamten nichtmateriellen Gehalt eines Spiels, also im Wesentlichen das Regelwerk eines Spiels. Und das ist viel mehr als eine bloße Idee (Idee: man könnte ja mal ein Spiel machen, in welchem die Spieler zum Mond fliegen? Regelwerk: konkretes Spiel Mondreise).

3. Spielregelwerke sind mehr als nur Bedienungsanleitungen

Wenn fünf Personen jeweils eine Anleitung für den selben Rasierapparat schreiben, wird sich nur die Form (Aufbau, konkrete Formulierungen), nicht aber der gedankliche Inhalt unterscheiden. Denn alle Funktionen sind bereits im Rasierapparat enthalten und nicht geistiges Eigentum der Verfasser. Daher ist bei Bedienungsanleitungen nur die konkrete Form, nicht aber der Inhalt geschützt.

Schreiben fünf Personen jeweils eine Anleitung für einen Satz Spielkarten, so unterscheidet sich auch der gedankliche Inhalt. Denn die Funktionen und Regeln des Spiels sind nicht in den Spielkarten definiert, sondern werden erst durch den Spieleautor geschaffen und in der Spielanleitung festgehalten.

Merke: Bei einem niedergeschriebenen Regelwerk ist – ausreichende Schöpfungshöhe vorausgesetzt – nicht nur die konkrete Formulierung geschützt, sondern auch der gedankliche Inhalt. Durch bloßes Umformulieren derselben Regeln ändert sich das Spiel nicht. Näheres hierzu habe ich u. a. in meinen Artikeln zum fabelhaften Urheberrecht  und zu Gerichtsurteilen geschrieben.

4. Einzelne Spielmechanismen sind hierzulande grundsätzlich nicht schützbar

Beispiele: Kramerleiste, bei einer Sechs nochmal einmal würfeln, … Es kommt immer auch auf den Kontext an, in dem ein Mechanismus, eine einzelne Regel oder ein Spielelement verwendet wird.

Vorsicht! In den USA kann man Spielmechanismen patentieren lassen (bekanntestes Beispiel: Tappen von Karten).

EDIT 3.Jan.2014: 

Hier der Link zum US-Patent:
https://patft.uspto.gov/netacgi/nph-Parser?Sect1=PTO1&Sect2=HITOFF&d=PALL&p=1&u=%2Fnetahtml%2FPTO%2Fsrchnum.htm&r=1&f=G&l=50&s1=5,662,332.PN.&OS=PN/5,662,332&RS=PN/5,662,332

Patentiert ist das Tappen im konkreten Zusammenhang mit weiteren Regeln, welche nicht das komplette Spiel beschreiben, sondern eine generelle Spielmechanik. Es ist also nicht nur der Name geschützt, sondern auch der im Patent beschriebene Vorgang. In diesem nimmt das Tappen einen breiten Raum ein. Dass das Tappen auch in isolierter Form geschützt sei, ist sicherlich zweifelhaft. Wie groß Abweichungen von dem beschriebenen Vorgang sein müssen, damit sie das Patent nicht verletzen, ob ggf. schon kleinste Abweichungen ausreichen, ist eine Frage des US-Rechts, die ich nicht beantworten kann.

 

5. Der Urheberrechtsschutz beginnt mit der Vollendung des Werkes

… i. d. R. mit dem Prototyp und niedergeschriebener bzw. ausgedruckter Spielanleitung) nicht erst mit der Veröffentlichung. Das Recht, über eine Veröffentlichung zu entscheiden, ist Teil des Urheber­rechts. Man muss das Spiel hierfür nirgendwo anmelden oder hinterlegen. Das ist allenfalls sinnvoll, wenn man den Zeitpunkt der Entstehung nachweisbar dokumentieren will.

6. Titelschutz gibt es dagegen grundsätzlich nur für veröffentlichte Titel

Titel sind selbst keine Werke und daher nicht urheberrechtsfähig. Sie dienen zur Unterscheidung von Werken in der Öffentlichkeit und verlieren ihren Schutz, wenn das Werk aus dem Programm genommen wird. (Darüber hinaus sind auch Marken geschützt.)

7. Der urheberrechtliche Schutz endet in Deutschland prinzipiell 70 Jahre nach Ablauf des Todesjahrs des Urhebers

Beispielsweise sind Werke von Lovecraft, der am 15. März 1937 verstorben ist, also vor mehr als70 Jahren, demzufolge seit dem 1. Januar 2008 urheberrechtsfrei.

8. Bloße (!) ‚Anweisungen an den menschlichen Geist‘ sind nicht geschützt

Das Regelwerk, insbesondere von einfachen Kinderspielen, ist m. W. dann urheberrechtlich nicht geschützt, wenn die Spieler nur einfache vorgegebene Handlungen ausführen und keine Entscheidungsmöglichkeit haben. Bei den meisten Spielen jedoch können die Spieler zwischen Handlungsalternativen wählen, handeln in einem Beziehungsgeflecht von Regeln und Elementen. Das macht urheberrechtlich gesehen ein Spiel(Regelwerk) aus. Es sind also keine bloßen Anweisungen.

(Einen seriösen Autor muss das aber nicht davon abhalten, auch ungeachtet der Rechtslage die Arbeit seiner Kollegen zu respektieren.)

9. Es kommt auf die Schöpfungshöhe an, nicht auf handwerkliches Können

Urheberrechtsschutz genießen Werke, die neu, individuell und nicht trivial sind. Geschützt ist die Originalität des Kunstwerks, nicht das handwerkliche Können des Künstlers. Die 30-Minuten-Kinderzeichnung genießt prinzipiell den selben Schutz wie ein Gemälde von Dali.

10. Die Umsetzung eines Spiels in ein anderes Medium bedarf der Erlaubnis des Urhebers

Beispiel: Umsetzung eines analogen Brettspiels in ein Computerspiel.

EDIT 3.Jan.2014: 
Gleiches gilt für eine bloße Änderung des Themas, wenn das Regelwerk ansonsten beibehalten wird (bei ausreichender Schöpfungshöhe des Regelwerks).

11. Weiterentwicklungen eines bestehenden Spiels bedürfen der Erlaubnis dessen Urhebers

Wer ein Szenario für Die Siedler von Catan veröffentlichen will, muss den Autor Klaus Teuber (und den Verlag Kosmos) fragen, selbst dann, wenn er es kostenlos anbieten will. Wo die Grenze zwischen einer Weiterentwicklung und einem eigenen Spiel ist, ist imho nur im konkreten Einzelfall zu beantworten.

12. Bloße (!) redaktionelle Bearbeitungen sind nicht urheberrechtlich geschützt

Denn dabei geht es nicht darum, dass der Redakteur eine individuelle geistige Schöpfung erbringt, sondern sein Ziel ist es, das Spiel marktfähig zu machen. Da Redakteure menschliche Wesen sind und mitunter über nicht unerhebliche Kreativität und Individualität verfügen, ist es im Einzelfall schon möglich, dass ein Redakteur durch Bearbeitung des Regelwerks zum Miturheber wird.

Als Autor sollte man das ggf. anerkennen, wie z. B. bei Lancaster: Heinrich V. beispielgebend geschehen. Will man jedoch verhindern, dass ein Redakteur zum Miturheber wird, so sollte man Regelvorschläge des Redakteurs und anderer Testspieler sammeln und autonom entscheiden, was davon in das Spiel einfließt und was nicht.

Jemanden per formaler Vereinbarung zum Miturheber zu erklären bzw. eine Miturheberschaft auszuschließen, reicht genau genommen nicht aus, da das Faktum der Urheberschaft durch die Schaffung des Werks bestimmt wird und nicht per Vereinbarung übertragen werden kann. Allerdings lässt sich schriftlich fixieren, wer nach Meinung der Beteiligten Urheber eines Werkes ist.

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