Maria Theresia und der österreichische Erbfolgekrieg
Das Spiel. Der österreichische Erbfolgekrieg von 1741 bis 1744 wird nachgespielt. Ein Spieler spielt die Österreicher unter Maria Theresia, ein zweiter Spieler die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Bayern unter Louis XV, ein dritter Spieler schließlich die Preussen unter Friedrich dem Großen, der als einziger Regent als General selbst vertreten ist. Mit Friedrich verbündet sind anfangs die Sachsen. Der Preußen-Spieler spielt aber auch die Pragmatische Armee Englands und der Niederlande, die eigentlich mit den Österreichern verbündet ist!
Wie schon beim Vorgänger Friedrich spielt das ganze Geschehen auf einem Spielplan, der in Planquadrate unterteilt ist, denen die vier bekannten Spielkartensymbole (Karo, Herz, Pik und Kreuz) zugeordnet sind. Mit einem Pokerblatt ohne Asse und Figuren (also nur vier mal neun Karten mit den Zahlen Zwei bis Zehn plus zwei Joker) werden die Kämpfe taktisch unterstützt. Diese heißen daher taktische Karten, und werden jedem Spieler jede Runde nach einem festen Schlüssel zugeteilt, je nachdem welche Nationen er lenkt. Zum Agieren steht jedem Spieler eine verschiedene Anzahl Generäle zur Verfügung, die eine geheim notierte Zahl von Armeen mit sich führen, von minimal einer bis maximal acht. Dazu hat man wenige Trosse, also Versorgungstrupps, die sich in einem Abstand von höchstens sechs Feldern befinden müssen, damit der General aktiv bleiben kann. Ein Tross kann mehrere eigene und verbündete Generäle versorgen. Die Trosse ziehen langsamer als Generäle ziehen dürfen. Es gibt Hauptstrassen, auf denen man ein Feld schneller vorankommt als auf den dünner gezeichneten Nebenstrecken. Bei den Feldern handelt es sich um Städte, die mit einem Liniennetz so verbunden sind, dass nicht jede Stadt mit jeder Nachbarstadt verbunden ist. Dieses Liniennetz ersetzt die Sechseckfelder, die man üblicherweise bei den deutlich komplizierteren Konfliktsimulationsspielen (Cosims) vorfindet. Kämpfe werden durch Addition der Armeen der aufeinandertreffenden Generäle mit offen ausgespielten Pokerkarten entschieden, wobei jeder Spieler nur die Farbe verwenden darf, die auf dem Planquadrat abgebildet ist, auf dem gerade sein General steht. Will oder kann niemand mehr legen, gewinnt der Spieler mit dem letzten Überschuß, den der Verlierer an Armeen bei seinem General abstreichen muss. Danach wird er um diese Anzahl Felder zurückgetrieben, auf einer Route, die der Sieger festlegt. Generäle, die nun ohne Armee sind, kommen komplett vom Brett.
Anders als beim Vorgänger Friedrich gibt es zusätzlich noch Politikkarten, die historisches Geschehen in die taktischen Voraussetzungen der Runden einflechten. Diese ersetzen die "Schicksalskarten" von Friedrich. Um die Politikkarten muss man bieten, mit denselben Karten, die man auch für das Kämpfen braucht. Die Gewinner entscheiden, ob das politische Ereignis statt findet oder nicht. Da können dann sogar Bündnisse wechseln, oder Einzelgeneräle müssen von der Karte ins Ausland abgeordnet werden, und können nur zurückkehren, wenn es politisch wieder günstiger wird, weil der betroffene Spieler Gebote um geeignete politische Karten gewinnt. In jeder vierten Spielrunde ist Jahreszeit Winter. Nur dann können neue Armeen und Generäle ausgehoben bzw. eingesetzt werden. Trosse dürfen in jeder Bewegungsphase, dafür nicht im Winter ins Spiel kommen. All dies muss man mit den Universalpokerkarten bezahlen, die in solchen Situationen wie Geld sind, und wenn ausgegeben, im späteren Kampf nicht mehr zur Verfügung stehen. Ressourcenmanagement steht in diesem Spiel mehr im Mittelpunkt als das eigentliche Kämpfen.
Ziel des Spiels ist es, eine vorgegebene Anzahl Siegpunkte zu erringen. Die gibt es vornehmlich für eroberte Städte in Feindesland, aber auch für hoch gewonnene Schlachten, und für politische Ziele durch ersteigerte Karten. Dazu kommt noch eine Kaiserwahl 1742, bei der entweder Österreich oder Frankreich einen Siegpunkt platzieren kann, wenn es die wahlberechtigten Kurfürstenstädte zu diesem Zeitpunkt in der Mehrheit besetzt hat. Das Spiel endet sofort, wenn eine Kriegspartei seinen letzten Siegpunktmarker irgendwo regelgerecht platzieren konnte. Das Spiel endet spätestens, wenn zwölf Runden gespielt wurden. Dazwischen drei Winterrunden zum Einheiten neu kaufen und versetzen. In voller Länge dauert es auch mit erfahrenen Spielern wenigstens fünf Stunden. Mit neuen Spielern noch länger.
Das Material. Die Grafik und Machart des Spiels läßt tatsächlich einen Hauch von 18. Jahrhundert aufkommen, als wär das Spiel von damals. Freunde werden das stimmig finden, Feinde dies womöglich als altbacken und minimalistisch kritisieren. Das dezent designte Spielmaterial läßt die Spieler wie Generäle wirken, die, nur ausnahmsweise sitzend, am Tisch des Hauptquartiers ihren Feldzug planen. Als wären sie bei der Arbeit, und nicht zum Vergnügen zusammen gekommen.
Es gibt kaum Komfort. Die Armeen seiner Generäle muss man auf einen bedruckten Papierzettel eintragen, der funktional und wenig übersichtlich ist. Die taktischen Karten seiner verschiedenen Streitkräfte und Verbündeten sind streng getrennt zu legen, und man muss daher immer wieder andere Karten auf die Hand nehmen, ohne sich zu vertun. Auf den Taktikkarten sind, zusätzlich zu den Zahlen und Spielfarben, Motive aus der zeitgenössischen Soldatenwelt der Maria Theresia abgebildet, im Malstil von damals. Die Siegpunktmarker sind Pappplättchen, die man auf das Brett legt, und aufpassen muss, dass sie nicht verrutschen. Da wären einzustechende Fähnchen stimmiger gewesen. Aber vielleicht hat der eine oder die andere zu viele Einwände gegen zerstochene Stadtfelder.
Die Kritik. Das Spiel ist, wie gesagt, aus der Familie der Kriegssimulationen, den eigentlichen Kriegsspielen. Viel komplizierter und "realistischer" als zum Beispiel Risiko, welches ich ein Eroberungsspiel nennen würde. Die Kriegsspieler sind zwar eine starke Gruppe unter den Vielspielern, ob nun am Brett oder direkt auf der Tischoberfläche (engl. Tabletop). Solche Spiele sind aber keine Spiele für den normalen Spieleabend. Weder thematisch, noch atmosphärisch, aber vor allem auch nicht in der Zeitspanne, wo fünf Stunden oft nur ein Minimum sind.
Maria kommt den üblichen Brettspielern im Ablauf entgegen, insofern ganz viele genretypische Elemente vereinfacht sind. Es gibt nur eine vorgegebene Zahl von Runden. Statt klar definierter Missionsziele gibt es viele Möglichkeiten, die Siegpunktmarker zu platzieren, auch für nicht Kriegerisches. Die Armeen werden nur von den Generälen mitgeführt und repräsentiert. Es gibt keine besondere Einheitentrennung in Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Demgemäß auch keine verschiedenen Bewegungseigenschaften, Feuerreichweiten, Angriffs- und Verteidgungswerte für jede Einheit. Die üblichen und wichtigen Sonderregeln für speziellen Untergrund werden durch ein einfaches Planquadratsystem ersetzt, wo nur eine Spielkartenfarbe Unterschiede für die Kampfposition auf dem Spielplan macht. Die sonst üblichen Sechseckfelder wurden durch Verbindungslinien zwischen den Stadtfeldern ersetzt. Erobern ist bloßes drüber ziehen mit dem General, solange keine feindlichen Generäle in der Nähe sind. Dadurch versucht das Spiel sich an den Hauptmarkt der gelegentlichen oder wöchentlichen Abend- und Wochenendspieler heranzurobben. "Kriegsspiel light" also, wie zum Beispiel Battlelore im Tabletop-Sektor.
Meine Meinung: Geht nicht! Man muss realistische Kriegssimulationen mögen, um Maria zu mögen. Wenn man das Spiel dann aber nicht zu dürftig findet! Man muss sie aber nicht unbedingt mögen, um Maria zu ertragen, und ab und zu mal zu spielen, wenn man eine Neigung zu militaristischen Spielen hat. Ein normales Eroberungsspiel ist aber deutlich was anderes!
Für Eroberungsspieler der Risiko-Kategorie ist Maria wie feine Küche für Pommes/Ketchup-Freunde. Viel zu feinwürzig und facettenreich. Keine Würfelhände voll, die man satt auf den Tisch prallen lassen kann. Keine Armeehaufen, die des Gegners Weichteile überrennen. Kein Wegfegen und großräumiges Aneignen. Stattdessen die feine Klinge mit vorsichtigem Karten ausspielen und frühzeitig aufgeben, um die Kartenhand zu schonen. Kleine Scharmützel verlieren, um den Gegner erst mal auszuspähen, zu testen und zu schwächen. Politisch die Verhältnisse verbessern vor dem Zuschlagen. Bewegungsabläufe genau planen, damit die Positionen von Trossen und Generälen gegeneinander stimmen, und man auf dem richtigen Planquadrat steht, wenn die Kampfhandlungen beginnen. Feinarbeit eben. Sonst drohen leichte Siege erfahrener Gegner. Lernkurve schon ein bißchen steiler.
Fazit. Das Spiel ist meines Erachtens für vollblütige Kriegsspieler, die mal Pause machen wollen vom Frontgeschehen, mit Blut und Dreck. Dafür sich an den Feldherrentisch früherer Tage setzen möchten, wo man durchaus über einem Glas Wein auch mit dem Kriegsgegner anstieß, den man zum Bankett geladen hatte, ohne ihn dort meucheln zu wollen. Das Selbstverständnis einer Schicht, die im Krieg Untertanen wie Schachfiguren bewegt und opfert. Dabei innerhalb der eigenen Elite vornehm distanziert bleibt. Im Prinzip ist diese Ausgangsposition als Einstellung zum Geschehen im Spiel atmosphärisch und regeltechnisch gut eingefangen, mit einigen historischen Details versehen. Man fühlt sich wie ein Feldmarschall im strategischen Hauptquartier.
Darum als ernstes Kriegsspiel aber nicht nur zu "light", sondern gerade deshalb in der Grundeinstellung auch dekadent. Wie viele Offiziere früher, in ihren Galauniformen Frauen ähnelnd und betörend, die auf dem Schlachtfeld aber lieber hinten blieben und andere vorschickten, weil sonst ja zu blutig, zu dreckig, und zu anstrengend. Einfach zu vulgär. Und zu gefährlich!
Kerle, spielt richtige Kriegsspiele! Oder hüllt euch zu Maria in eure Burschenschaftenkluft, und ladet gleich noch eure Maria zum Bewundern ein: "Wie souverän du den General mit einem Streich gleich über ZWEI Städte geschoben hast. Mein kühner Held!" BUSSI!
Infos zu Maria
- Titel: Maria
- Verlag: Histogame
- Autor: Richard Sivel
- Spieleranzahl (von bis): 2 - 3
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 14
- Dauer in Minuten: 300
- Jahrgang: 2009
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