Annäherung an eine kuriose Bezeichnung
Mythen sind doch ‚was Spannendes! Sobald sich Menschen auf ein ausgewähltes Thema einlassen und tiefer von dessen Anziehungskraft einfangen lassen, stoßen sie früher oder später auf wundersame Dinge, die anderen ein Leben lang verborgen bleiben. Spieler zum Beispiel werden irgendwann mit Nachziehstapeln, Kramerleisten und Pöppeln konfrontiert.
Pöppeln? Das hört sich erstmal unanständig an. Aber die Aufklärung folgt auf dem Fuße: Pöppel sind Spielfiguren. Meistens die, die in ihrer Form dem Ursprung der Brettspielfiguren am nächsten kommen, nämlich die noch heute in Kegelform erscheinenden Figuren aus Mensch ärgere Dich nicht oder Halma.
Pöppel: auf der Suche nach der Herkunft
Woher kommt dieser etwas nach Klowerkzeug (Anm. des Lektors: Er meint einen Extraktor aus dem Baumarkt) klingende Name eigentlich? Da wird es dann spätestens mythisch, denn die Meinungen gehen weit auseinander. Während man sich in Wikipedia noch auf die Herkunft „aus dem niederdeutschen Sprachgebiet in Norddeutschland“ (ohne Quellenangabe) ziemlich festlegt, ist der Rest der (Spieler-) Welt eher uneins. Doch in Wikipedia spricht man auch vom „hochdeutschen Sprachgebiet des Südens“ – womit der Autor des Artikels ein Paradoxon geschaffen haben dürfte.
Vom Unbekannten zur Pöppel-Revue
Zeitlich lässt sich das Auftauchen des Begriffs schon eher eingliedern. Wohl Ende der 1970er-Jahre taucht der Begriff erstmals auf. Nicht zuletzt prägte die bereits in dieser Zeit erscheinende Pöppel-Revue den Namen. Deren Leserschaft stimmte schon damals über den „Goldenen Pöppel“ ab, was aber darauf hindeutet, dass die Pöppel-Revue sich bereits auf die Existenz eines Pöppels berufen können musste. Aber ohne Frage hat der damalige Herausgeber der Spielezeitschrift und allen Spielekennern wohlbekannte Knut-Michael Wolf (KMW) als einer der ersten zur Popularisierung des Begriffs wesentlich beigetragen.
… oder ist der Pöppel doch ein Kunstwort aus „gut informierten Kreisen“?
Eine vielversprechende Spur führt ins südliche Ruhrgebiet und Rheinland. Folgt man dieser, landet man bei den Ursprüngen der Spieleszene in Deutschland, die aus einem Kreis von eingefleischten Postspiel-Anhängern entstanden sein könnte. Der Pöppel wurde also doch annähernd zeitgleich mit dem Entstehen des „Inner Circles“ der Spieleszene geboren und dann letztlich durch die Pöppel-Revue etabliert. Dass Pöppel aus Püppchen oder Pupperl aus dem Süddeutschen entwachsen sein könnte, scheint da eher unwahrscheinlich. Vereinzelt wird die Namens(er)findung sogar bis ins Mittelalter zurückverfrachtet und mit Königen und Päpsten sowie mit deren Liebe zu Schach in Verbindung gebracht. Das hält aber historischen Überprüfungen kaum stand und scheint eher den Vorlieben erfahrener Buchhändler und deren ausdrucksstarker Fantasie entsprungen zu sein.
Pöppel: Die Experten scheinen ratlos
Eher wissenschaftlicher setzt sich seit dem Jahr 2000 die Europäische Spielesammler Gilde (ESG) mit Spielen auseinander, deren Ehrenvorsitzender, Rudolf Rühle, immer wieder seine historischen Betrachtungen in gnadenlos epischer Breite in der Spielbox zum Besten gibt. Aber selbst dort zuckt man bei der Nachfrage zur Entstehung des Begriffs mit den Schultern. Na, wenn die’s nicht wissen …
Ganze Mythen ranken sich um den Namen Pöppel
So trollen sich um die Geburt des Pöppels (als Begriff) Mythen und Sagen aneinander. Die einen sehen darin die sprachliche Begradigung einer entgleisten Nasenentleerung, Bewohner einer Kleinstadt der Fränkischen Schweiz führen den Begriff auf die schreckhafte, gespenstische Erscheinung in ihrem Ort zurück, frankophon angehauchte Menschen sehen den Ursprung eher im französischen Wort für Leute (peuple) und werfen wieder Adlige in den Ring. Selbst das, was man mit Pöppel bezeichnet, wird unterschiedlich gesehen. Während es sich für die einen speziell um die Figuren handelt, betrachten andere alle Marker, Klötzchen, Häuschen, Schiffe und alles, was man zum losen Spielmaterial zählt, als Pöppel. Das geht sicher zu weit, auch wenn unbestritten das Herauslösen allen Spielmaterials vor dem Erstgebrauch als „auspöppeln“ bezeichnet wird.
Es wird zur Gewissheit, dass sich die Frage nach dem Geburtsort des Pöppels vielleicht gar nicht abschließend beantworten lässt, was für den Fragenden schon eine gewisse innere Unruhe bedeutet. Aber ob König, Landvermesser oder Nasenschleim: Es liegt in der Natur der Sache, dass bestimmte Kreise ihr eigenes Vokabular entwickeln. Nun gilt es, dies aus dem geschlossenen Kreis herauszutragen und in die restliche Welt zu infiltrieren. Gut 150.000 Menschen sind jedes Jahr auf der Essener Spielemesse ein guter Multiplikator dafür. Wenn es der Pöppel einst in den Duden geschafft hat, kann man das Ziel als erreicht ansehen. Also, gehen wir’s an.
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5 Kommentare
Dass die Pöppel-Revue Vorläufer der spielbox war, stimmt nicht. Die spielbox gibt es seit 1981, die Pöppel-Revue gab es bis 2001.
Hallo Knut,
danke für den Hinweis. Werde das ausbessern.
Sehr schöne Aufbereitung. Ich wurde neulich erst gefragt, was dieses Wort soll. Alle nutzen es irgend wie, aber keiner kennt den Ursprung. Das hier hilft zumindest. Danke darfür!!!
Das Wort „Pöppel“ ist dank der „Spiel des Jahres“-Auszeichung schon relativ weit verbreitet. Der Preis wird eigentlich in jedem Zeitungsartikel ein paar Mal als „Roter Pöppel“ bezeichnet.
Ich lernte das Wort "Pöppel" erst in den 80-iger Jaher durch das Lesen diverser deutscher Spielzeitschriften kennen. Ich wusste aber sofort, was es bezeichnete, denn "Pöppel" erinnerte mich stark an die schweizerische Bezeichnung für solche "Halmakegel", die bei uns "Töggeli" genannt wurden/werden. Als ich als Kind Halma, Eile mit Weile und andere Spielmagazin-Spiele kennenlernte, lernte ich von meiner Mutter, dass man die Spielfiguren "Töggeli" nennt – und das war in den frühen 50-iger Jahren!!!
Soweit ich weiss, wird die Bezeichnung "Töggeli" in der Schweiz immer noch häufig verwendet.