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Martin Schlegel berichtet über die Entwicklung von Monsters on the Moon

Martin Schlegel berichtet über Monsters on the Moon - Ausschnitt vom Foto Tobias Maifeld

Futuristische Kristalljagd auf dem Erdtrabanten

Mit über 50 veröffentlichten Titeln ist Martin Schlegel ein alter Haudegen unter den Spieleerfindern. Er brachte den Gesellschaftsspielern unter anderem Martin Luther und Darwin (Darwinci) als Thema aufs Brett, machte Ausflüge nach Mexiko (Adios Calavera), ins alte Rom (Aqua Romana), Thailand (Bangkok Klongs) oder Japan (Takamatsu) und stellte in Sauschwer gewichtige Fragen. Etwas unbeachtet blieb der besondere Mechanismus von Hekla, bei dem der Stand auf der Wertungsleiste unmittelbaren Einfluss auf die Aktionen hat. Nun veröffentlicht SPIEL DAS im Sommer 2024 sein neues Spiel Monsters on the Moon. Darin lässt er monströse Gestalten den Mond unter sich aufteilen. Wir haben ihn danach gefragt und erklärt bekommen, was der Mond mit Wölfen und Schafen gemeinsam hat. Aber, lest bitte selbst.blank

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Monsters on the Moon und das Science-Fiction-Setting

Martin, in Kürze erscheint bei SPIEL DAS dein neues Gesellschaftsspiel Monsters on the Moon. Das Thema klingt etwas nach einem Fantasy-Science-Fiction-Mix. Was verbirgt sich hinter dem Titel?

„Bis zu vier irdische Monster – Werwolf, Vampir, Hexe und Skelett – reisen gemeinsam zum Mond und wollen ihn unter sich aufteilen. Dort angekommen, machen sie sich flugs an die Arbeit. Jeder will möglichst große Teile – nicht nur verstreute, kleine Stücke – unter seine Kontrolle bringen; immer wieder zum Ärger der anderen. Nebenbei sammelt jeder eifrig Mondkristalle, die bei Spielende eine hübsche Punktesumme einbringen. Beide Raumschiffe, die für den Rückflug zur Erde benötigt werden, sind nicht nur Punktelieferanten, sie sichern auch die umliegenden Flächen vor unliebsamen Attacken. Und die Mondmauern verdoppeln den Wert einiger Gebiete – ärgerlicherweise auch die der Mitgereisten.“

Von Wölfen und Schafen zu Werwolf, Vampir, Hexe und Skelett

Packung Monsters on the Moon - Foto von Spiel Das!

Wie kam es zu diesem Thema? Warum nicht Aliens oder Staaten auf der Erde, die den Mond unter sich aufteilen?

„Als ich vor zwei Jahren in Ratingen Robert Heller traf, den Chef von SPIEL DAS!, hieß der Prototyp noch Schaf? Oder Wolf?. Doch um das Thema ging es bei dem Treffen nicht, der Mechanismus stand im Vordergrund. Später hat sich im Verlag das Mondthema herausgeschält, dem ich erst skeptisch gegenüber stand. Doch nun sage ich: Gute Wahl! Staaten, die den Mond unter sich aufteilen, waren keine Option bei der Themensuche. Oder möchtest du als Putin antreten?“

Ich weiß selbst und sage es auch, dass ich beim Thema nicht der Beste bin

Bevor ich noch einmal auf Wölfe und Schafe zurückkomme: Diese Themenänderung steht in einer Reihe von Titeln mit Science-Fiction-Ausrichtung der letzten Jahre. Dabei haben einige Verlage das Thema bewusst so gewählt, um – vorsichtig ausgedrückt – keine Angriffsfläche zu bieten und Fettnäpfen der „political correctness“ zu vermeiden. War für Monsters on the Moon ein anderes, drittes Thema ebenfalls im Gespräch und was hältst du als Autor von Themenänderungen generell und aus den genannten Gründen?

„Ob noch ein drittes Thema im Gespräch war, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, das hätte ich mitbekommen. Aber zum generellen Problem ‚Fettnäpfchen vermeiden‘: Da gibt es doch zwei Strategien. Die einen wollen sie nicht vermeiden, wünschen die damit verbundene Aufmerksamkeit. Die anderen schlagen schon bei dem Verdacht eines Fettnäpfchens einen großen Bogen ein, neigen zur Übervorsicht. Hier lag das Problem anders: Ein Thema sollte her, das zum vorliegenden Prototyp passt.

Aqua Romana von Martin Schlegel
Aqua Romana von Martin Schlegel

Meine Einstellung zur Themenänderung meiner Prototypen ist klar: Ich weiß selbst und sage es auch, dass ich beim Thema nicht der Beste bin. Und ich freue mich, wenn vom Verlag eine tolle Idee kommt. So haben ganz viele meiner Spiele ein anderes Thema bekommen. Beispielsweise Aqua Romana, das zum Spiel des Jahres nominiert wurde. Zuerst ließ ich aggressive Krokodile fangen und in im Amazonas liegende Drahtverhaue bringen. Der Amazonas verwandelte sich in Ölpipelines, aus denen beim Verlag römische Wasserleitungen wurden.“

Bunte Quadrate als Ausgangspunkt der Entwicklung von Monsters on the Moon

Zurück zur Entwicklung. Schaf? Oder Wolf? hat vielleicht einen aktuellen Bezug gehabt. Welche themengetriebenen Schwierigkeiten gab es bei der Entwicklung und wie hat sich das durch das Thema der Monster auf dem Mond geändert?

Schaf? Oder Wolf? hatte keinen aktuellen Bezug. Ich startete mit einem völlig abstrakten Prototyp, in dem einfach mit farbigen Quadraten gearbeitet wurde. Als in den Vor-Tests klar wurde, dass da was drin steckt, habe ich es aufgehübscht, um es in breiteren Testerkreisen zu spielen. Es ist zudem viel einfacher, bei der Regelerklärung von Schafen und Wölfen zu sprechen als von roten, gelben und grünen Quadraten zu reden. Als dann nicht mehr die Erde, sondern der Mond ins Spiel kam, wurden die Schafe zu Monstern und die Wölfe zu Mondkristallen.“

Einfach, ohne zu schießen

Welchen Einfluss hatte der Verlag bzw. die Redaktion auf die Ausarbeitung des Spielmechanismus gehabt? Welche Elemente sind dazugekommen und welche weggefallen?

„Ein Element ist rausgeflogen: Die Jäger, die vorher schon unter Tester-Protest Wölfe schossen. Vor allem hat der Verlag aber auf die Wertung Einfluss genommen. Robert hat intensiv darauf gedrängt, dass die Punktevergabe vereinfacht wird. Ich fand meine Wertung okay, kam damit aber nicht durch – und manchmal ist es gut, wenn sich die eigene Meinung nicht durchsetzt. Jetzt zurückblickend war meine Wertung zwar okay, aber handlingsintensiv, was dem Spiel Schwung raubte.

Die Verlagstester brachten Mondmauern ins Spiel. Und hier entstand so eine typische Tester-Autor-Situation: Tester werfen eine Idee rein, bei der der Autor nach kurzer Zeit sagt: Könnte oder wird gut sein. Doch die Idee ist spontan, noch nicht durchdacht, vielleicht ein Rohdiamant. Dann hockt der Autor sich hin, denkt Stunden, Tage drüber nach, ändert hier und dort etwas – und nachher kann jeder sagen: ‚Ich war´s!‘“

Das macht Monsters on the Moon aus

Lass uns mal zum Spielablauf kommen.

„Auf jeder Karte sind sechs Quadrate mit Monstern und Mondkristallen zu sehen. Bei zwei Spielern hat jeder neun Karten zur Verfügung (bei drei und vier Spielern nur sechs), außerdem zwei Monsterplättchen, mit denen man ein fremdes Monster in ein eigenes umwandelt, sowie zwei Raumschiffe.“

Erklär uns bitte das Auslegen der Karten genauer. Das scheint Raum für taktische Geplänkel zu geben?

„Wer am Zug ist, spielt eine Karte. Er kann sie an andere Karten anlegen, er darf damit auch andere Karten überdecken – aber von jeder Karte höchstens zwei Quadrate. Mit etwas Geschick schafft man es, von mehreren bereits ausgelegten Karten Monster und Kristalle abzudecken. Da kommt Stimmung auf. Denn so kann man Monster der Mitspieler unsichtbar, also wertlos machen.“

Kann man sich dagegen wehren?

„Aber sicher, doch nie zu 100 %. Und zwar mit den Raumschiffen. Die sorgen nicht nur für Mondkristalle, sie beeinträchtigen das Platzieren von Karten.

Spielziel ist es, Gruppen eigener Monster zu bilden und die der Mitspieler klein zu halten, denn in einer Gruppe bringt jedes Monster doppelte Punkte. Ziel ist es aber auch, möglichst viele Mondkristalle abzudecken, also einzusammeln. Denn das erste gesammelte Kristall bringt nur einen Punkt, das Zehnte bereits drei. Und wertvolle Monster-Plättchen – damit kann man fremde in eigene Monster umwandeln – erhält man nicht etwa geschenkt, sondern erst bei einer ansehnlichen Kristall-Menge.“

Martin Schlegel am Stand von Spiel Das mit seinem Familienspiel Monsters on the Moon - Foto von Tobias Maifeld
Martin Schlegel mit seinem Familienspiel Monsters on the Moon am Stand von Spiel Das auf der Spiel doch in Dortmund – Foto Tobias Maifeld

Monsters on the Moon und die fiese Zwischenwertung

Die Zwischenwertung hat es in sich: Was kann da alles schief gehen?

„Ja, die hat es in sich und ist verführerisch. Wer jetzt die wenigsten Punkte hat, bestimmt den neuen Startspieler. Normalerweise beauftragt man den linken Nachbarn, damit man selbst als Letzter eine Karte legt, und spart sich für den letzten Zug eine mächtige Karte auf.

Bei der Zwischenwertung zählen nur Monster-Punkte, die Kristalle spielen noch keine Rolle. Da gibt es die Strategie, bis zur Zwischenwertung vorwiegend Kristalle zu sammeln, eine Strategie, die aber auch schief gehen kann. Und zwar dann, wenn die anderen einen zu großen Vorsprung haben.“

Und was rätst du Interessierten für die erste Partie?

„Einfach losspielen, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie die einzelnen Elemente wirken. Wann soll ich ein Raumschiff einsetzen? Soll ich das Kristall-Sammeln forcieren, um schnell zu Monster-Plättchen zu kommen? Soll ich versuchen, in der Zwischenwertung Letzter zu sein? Wann soll ich starke Karten spielen – also die mit eigenen Doppelmonstern?“

Familientaugliches Spiel, aber mit Rafinesse

Wer wird deiner Meinung nach am meisten mit Monsters on the Moon Spaß haben? Ist es für Familien oder eher für Freaks geeignet?

„Die Regel stellt keine große Hürde dar, sie ist nicht lang und leicht zu erklären. Damit ist das Spiel für Familien gut geeignet. Wenn man dann in die Erweiterungen guckt, wird es schwieriger.

Z. B. die Mondmauern, mit denen man Gebiete umgrenzen und so erheblich wertvoller machen kann. Bringt man mehrere Mauern auf einmal ins Spiel, hat man großen Einfluss. Macht man das in kleinen Portionen, braucht man mehr Züge, kann dafür zum Schluss noch ziehen – unbehelligt durch die anderen. Bei den Mauern passiert es leicht, dass ich ein paar Mauern baue, der nächste sagt höflich ‚Danke‘ und baut sie in seinem Sinne weiter.

Oder die Erweiterung ‚Mission‘, bei der zu erfüllende Auftragskarten eingesetzt werden und man nicht weiß, welche Aufgabe die andern anstreben. Da sollte man die Reaktionen der Mitspieler richtig einschätzen und das eigene Ziel möglichst geheim halten.

Unabhängig ob Familie oder Freak: Es gibt eine Solo-Variante. Da bringen nur noch Vampire und Kristalle Pluspunkte, Hexe und Werwolf aber Minuspunkte. Wer hier mehr als 28 Punkte schafft, dem wird bescheinigt: Du hast den Mann im Mond besiegt.“

Martin Schlegels Spiele und die letzten paar Prozent

Foto Luther - Das Spiel
Luther – Das Spiel von Erika und Martin Schlegel

Du bist bekannt als ein Autor, der seine Spiele intensiv feilt, bevor sie veröffentlicht werden. War das diesmal auch der Fall?

„Ein Spiel zu entwickeln kostet Zeit. Andauernd läuft man in Sackgassen und muss erst einmal erkennen, dass es eine Sackgasse ist. Dazu gilt: Die letzten fünf Prozent der Entwicklungsarbeit brauchen 50 Prozent der Zeit. Manchmal liegt ein Prototyp ganz viele Monate still in der Ecke und ich sage mir: Da stimmt etwas nicht. Aber oft ist es so, dass ich zwischendurch eine andere Idee habe und dann die verfolge. Mich drängt doch keiner. Extrem ist sicher West of Africa, das 2016 erschien und die ersten Tests 2007 erfolgten.

Monster oft he Moon verlief anders, die Entwicklung ging recht schnell. Von Anfang an gefiel der Mechanismus von Schaf? Oder Wolf? auch den Testern. Und die Tester spielten eine große Rolle. Mal scheuchten sie mich, dann traten sie auf die Bremse. Als ich das Spiel Robert Heller zeigte, war es erst ein Jahr alt.“

West Of Africa - Foto von ADC Blackfire
West of Africa von Martin Schlegel

„Gefreut hat mich natürlich, dass der gegenläufige Spielende-Mechanismus aus Äpfel und Birnen von 2006 in anderen Spielen Eingang fand.“

Nach über 50 veröffentlichten Spielen hast du sicher einige Titel veröffentlicht, die du besonders gelungen findest, die deiner Meinung nach zu wenig Anerkennung gefunden haben und die du aus heutiger Sicht eher suboptimal findest. Kannst du uns ein paar Titel nennen, die unter diese Prämissen fallen?

„Schwierige Frage. Welcher Autor kann schon objektiv über ein eigenes Spiel urteilen? Da droht doch überzogenes Eigenlob. Ich versuch´s.

Adios Calavera ist so eines, das mir besonders gefällt. Mit ganz wenig Regeln habe ich es hingekriegt, ein tolles, schwieriges Zwei-Personen-Spiel zu machen. Jeder hat acht Figuren und darf bei vier Figuren die Sonderfunktion einsetzen. Der eine setzt auf Angriff, nimmt den Kraftprotz Fidel, die stürmische Carmen, den Magneten Diego und Evita, die Diva. Der andere wählt andere Sonderfähigkeiten aus. So verläuft jede Partie völlig anders, man darf – und muss! – immer neu nachdenken.

Brettspiel Adios Calavera - Foto Mücke Spiele
Adios Calavera von Martin Schlegel

2017 war ein Luther-Jahr und Luther – Das Spiel, was von meiner Frau und mir stammt, erschien. Das Spiel richtet sich an Wenig-Spieler, ist – ohne sich aufzudrängen – klar themenbezogen. Man muss nichts über Luther wissen, um zu gewinnen; aber nachher weiß man mehr. Bundespräsident Joachim Gauck hat es gefallen und er lud meine Frau und mich mit anderen ins Schloss Bellevue ein. Es ist eine Super-Ehrung, wenn der Bundespräsident dich wegen eines Spiels zu sich einlädt.

Gefreut hat mich natürlich, dass der gegenläufige Spielende-Mechanismus aus Äpfel und Birnen von 2006 in anderen Spielen Eingang fand.“

Du hast sehr verschiedene Themen und durchaus auch verschiedene Mechanismen in deine Spiele integriert. Gibt es für dich noch ein offenes Thema oder einen bestimmten Mechanismus, bei denen du denkst: Dazu möchte ich noch einmal ein Spiel entwickeln?

„Nein. Da bin ich recht spontan, gar nicht langfristig orientiert. Spiele entwickeln ist doch ein Hobby, da plane ich nicht langfristig.“

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