Mit rund 254 farbigen Seiten in acht Kapiteln sowie dem neuen Abenteuer „Ein heißer Abgang“ bietet der Reiche der Magie eine beträchtliche Fülle von Informationen über die Winde der Magie, die beständig durch die Alte Welt ziehen, magische Geheimnisse und arkane Lehren und vieles mehr. Allein die Fülle der Autoren, die an diesem Quellenband mitgearbeitet haben, lassen einiges erwarten, handelt es sich doch schon fast um ein „Best of“ der englischen Autoren in diesem Bereich: T. S. Luikert, Chris Pramas, Jeff Tidball, Robert J. Schwalb und nicht zuletzt Marijan von Staufer. Insofern darf man also gespannt sein auf den Inhalt dieses Quellenbandes, der auf seinem Klappentext von sich behauptet, die Geheimnisse der Magieakademien lüften zu wollen, und sich als unverzichtbares Werkzeug für alle, die den Pfad der Zauberei einschlagen – oder aber nach Mitteln suchen, um der Magie entgegen zu treten, präsentiert.
Den Einstieg in die Reiche der Magie schafft die Kurzgeschichte „Leichte Beute“ des Autors Robert Earl, dessen Warhammer-Bücher leider immer noch nicht in deutscher Übersetzung vorliegen. In dieser Kurzgeschichte werden die recht unterhaltsamen Irrungen und Wirrungen des Diebes Kerr aus Altdorf geschildert, der zunächst ungewollt „Diener“ eines mächtigen Magiers wird und letztlich als heimlicher Zeuge einer nicht gänzlich ungefährlichen Beschwörung beiwohnt. Auch wenn „Leichte Beute“ kein absolutes Glanzlicht in der langen Reihe von gelungenen Kurzgeschichten aus der Warhammer-Welt ist, so ist sie aber durchaus lesenswert und schaffte einen gelungenen Einstieg in die Welt der Magie der Alten Welt.
Ursprung und Geschichte der Magie
Der Kurzgeschichte schließt sich der sehr episch gehaltene „Ursprung und Geschichte der Magie“ in der Warhammer-Welt im gleichnamigen Kapitel an. Der weit gespannte erzählerische Bogen beginnt in der grauen Vorzeit der Welt mit dem Kollaps der Warpportale der Alten am Nordpol. Durch den Zusammenbruch der Portale stürzte sich eine Flut von ungezügelten Ätherenergien (im elfischen Aethyr genannt) über die Welt, die zugleich auch das damit verbundene Chaos mit sich brachte. Die magischen Winde waren geboren.Die Mythen der Elben Ulthuans sowie deren Kampf gegen das entfesselte Chaos und dessen teilweise Bändigung lässt den Leser Einblick in eine längst vergangene Epoche nehmen. Die Gründung des Imperiums unter dem berühmten Imperator Magnus sowie dessen Krieg gegen die Horden Chaos mit der Unterstützung der Elben und der Gründung der Magierakademien in Altdorf schließen das Kapitel ab.
Auch wenn der Text insgesamt sehr detailreich und in manchen Ausführungen sogar etwas langatmig ist, so werden doch nunmehr wirklich die letzten Geheimnisse um die Herkunft der Magie und des Chaos in der Warhammer-Welt erklärt. Wer nach dem lesenswerten Abschnitt über den Kampf der Elfen gegen das Chaos weitere Informationen haben möchte, muss sich allerdings noch in Geduld üben. Der Verlag kündigt im Vorwort des Bandes an, auch die Hintergründe der anderen Völker in der Warhammer-Welt sollen zukünftig mit eigenen Quellenbänden bedacht werden, doch dürfte dies mit Sicherheit noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sollte es allerdings in diesem Stil weitergehen, wäre das sehr erfreulich.
Vom Wesen der Magie
Dieses Kapitel führt in die Grundlagen der Magie ein, wobei die Erklärung der acht einzelnen Winde der Magie (Hysh – der weiße Wind, Azyr – der blaue Wind, Chamon – der gelbe Wind, Ghyran – der grüne Wind, Ghur – der braune Wind, Aqshy – der rote Wind, Ulgu – der graue Wind sowie Shyish – der purpurne Wind) im Vordergrund steht. Jeder einzelne dieser Winde mit seinen Aspekten, Neigungen und Vorkommen wird ausführlich beschrieben, wobei diese Ausführungen – im Gegensatz zum Grundregelwerk – wesentlich mehr Tiefe besitzen und sowohl dem Spieler als auch dem Spielleiter ein weitaus breiteres Spektrum an Möglichkeiten nicht nur bei der Erschaffung von Charakteren bietet. Wie man die Winde der Magie miteinander kombinieren kann und welche Gefahren hinter einer solchen Anwendung stecken, widmen sich weitere Ausführungen, wobei es nur den Elben vergönnt ist, sämtliche Farben sinnvoll miteinander zu verweben und daraus gewaltige Magie zu schöpfen. Die menschliche Psyche mag – wenn überhaupt – lediglich einen der Winde hinlänglich zu bändigen. Obwohl die einzelnen Winde der Magie kaum verschiedenartiger sein könnten, sind sie letztendlich nur unterschiedliche Aspekte der großen und mächtigen Quelle aller Magie – des Chaos selbst.
Magie und die Gesellschaft des Imperiums
Die Anwendung von Magie war im Imperium über viele Jahrhunderte hinweg verboten. Dies änderte sich erst mit dem großen Krieg gegen das Chaos unter Magnus und der später von ihm gegründeten Magieakademien in Altdorf. Dennoch fürchtet das einfache Volk – insbesondere auf dem Land, fernab von größeren Städten und den Orten der Gelehrsamkeit – die Magie noch immer. Zauberer, Magier oder Magiekundige werden mit großem Misstrauen behandelt, aus den Dörfern gejagt oder aber im schlimmsten Fall dem Scheiterhaufen übergeben.Eine jeweils ausführliche Darstellung der Magiedilettanten, Hexer, Nekromanten, Magister, Kleriker und Priester, die alle in irgendeiner Form die Winde der Magie direkt oder indirekt für sich nutzen, sowie deren alltägliches Leben und Stellung in der Gesellschaft des Imperiums verhelfen zu einem recht interessanten Einblick in den jeweiligen Lebensentwurf.
Die imperialen Magieakademien
Dieses Kapitel ist das eigentliche Herz von Reiche der Magie, da es ausführlich auf die acht Magieakademien eingeht und deren Geschichte, Philosophie und ihre prominentesten Vertreter vorstellt.Für jeden der Winde wurde unter Magnus eine eigene Magieakademie gegründet und die ersten Magister ausgebildet, folglich gibt es heute acht Magieakademien (Lichtorden, Himmelsorden, Goldorden, Jadeorden, Amethystorden, Bernsteinorden, Feuerorden sowie den Grauen Orden) von denen jeder in Altdorf oder der näheren Umgebung ein Hauptquartier besitzt.
Wie sich die akademische Lehrzeit im Leben eines Lehrlings bis hin zur Erlangung eines Magistergrades sich gestaltet, wird ebenso ausführlich geschildert wie die „Edikte der imperialen Magie“ von Imperator Magnus, die letztlich die Grundlage für die Gründung der Akademien bildete und dem Imperium gut ausgebildete und verlässliche Magister sichern sollen.Doch nicht nur die Akademien, sondern auch die gesetzlichen Auflagen des Imperiums, die Jagd auf Verräter, fremdländische Magienutzer aber auch das Haltung und das Vorgehen der Orden gegen den Sturm des Chaos in der jüngeren Vergangenheit bilden interessante Aspekte für jeden Spielleiter, selbst wenn es in der Runde keinen Spieler geben sollte, der einen Magier spielt.
Von Hexen und Hexenjägern
Neben Magiedilettanten, Hexen und Hexenmeistern werden hier auch Hexenjäger, Templer und andere Antagonisten im Kampf gegen chaotische Befleckung umfassend behandelt und vorgestellt. Interessanterweise wird in diesem Kapitel der „Heilige Orden der Templer des Sigmar“ erstmals in einem Quellenband als zu den offiziell sanktionierten und aus Staatsmitteln bezahlten Inquisitoren des Imperiums bezeichnet. Alleine diese fast schon beiläufig getroffene Aussage bietet mehr als genug Platz für einen eigenen Quellenband!
Die magischen Lehren
Die Anwendung von Magie erfolgt durch die Nutzung der sogenannten Winde der Magie. Diese repräsentieren einen Windähnlichen diskontinuierlichen Strom verschiedener Magien um den Erdball herum und unterliegen dabei aber auch einer Art Wechsel der Gezeiten, sodass ein Spruch manchmal einfach zu sprechen ist, ein andermal gänzlich außer Kontrolle geraten kann und man sein Unvermögen mit dem schleichenden Verlust seiner Selbst an dämonische Götter bezahlen muss.
Die vorgestellten Abschnitte beinhalten erweiterte Spruchlisten für jede der acht arkanen Lehren. Zusätzlich zu den bereits aus dem Grundregelwerk bekannten Zaubern enthalten diese Listen auch zahlreiche neue Zauber für jede der arkanen Lehren, die jeweils einer oder mehrer Zauber zugeordnet sind. Zur schnellen Orientierung sind die Zauberlisten der einzelnen Orden unterteilt in
„Elementar“ (eher praktisch orientierte Magister),„Mystisch“ (gemeinhin den Theoretikern zuzuordnen) sowie„Kardinal“ (ein Mittelweg zwischen den beiden vorgenannten Richtungen).Aber auch die Erforschung und Anwendung von magischen Ritualen, nebst Ausführungen der damit verbundenen Gefahren, so wie optionale Regeln zur Erschaffung von arkanen Malen, die sich als Ergebnis mit dem Umgang mit Magie in der Psyche oder als Veränderung des Körpers manifestieren können, bekommen genügend Platz eingeräumt.
Erweiterte Tabellen für „Tzeentchs Fluch“, mit denen die Tabellen aus dem Grundregelwerk ausgetauscht werden können, runden dieses Kapitel ab und dürften für reichlich Abwechslung bei verpatzten Würfen führen. Insgesamt also doch noch einiges an Tabellen und Regeln, die allerdings von ihrem Inhalt sehr kurzweilig und recht einfach und übersichtlich in der Umsetzung sind.
Magische Hilfsmittel
Zauberer können aber noch weitaus mehr als Sprüche weben und das Kapitel „Magische Hilfsmittel“ beschäftigt sich intensiv mit dem sonstigen Handwerkszeug und weiteren arkanen Künsten eines Magiers. Neben Regeln für die Erschaffung von magischen Vertrauten beinhaltet es ebenso Ausführungen über das Brauen und die Nutzung von Elixieren sowie die Erschaffung und Identifizierung magischer Gegenstände. Als Anregung für den Spielleiter oder auch als Belohnung für die Spielercharaktere folgt noch eine Übersicht neuer magischer Gegenstände, die insbesondere durch die kurze Geschichte des einzelnen Gegenstandes zu bestechen vermag.
Runenmagie
Auch wenn die von Menschen angewandte Magie in diesem Quellenband im Vordergrund steht, so erfolgt doch ein Exkurs in die sogenannte „Runenmagie“ der Zwerge. Hierbei handelt es sich um alte Kunst, die nur von Zwergen ausgeübt werden kann und mit deren Hilfe mächtige Artefakte geschaffen werden können. Weit mehr als 30 Runen mit ihrer Herstellung und Nutzung werden in diesem Kapitel beschrieben.Der „Runenmagier“ mit seinen vier aufeinander aufbauenden Karrieren vom Runenschmiedlehrling bis hin zum Runenschmiedmeister findet als neue Karriere ebenfalls in diesem Kapitel Platz und wird durch interessante Informationen über die Magieanwendung durch Zwerge abgerundet.In recht übersichtlicher Form erhält man in diesem Kapitel ein einfaches System zur Erschaffung magischer Gegenstände, die in der gefährlichen Welt des Warhammer-Rollenspiels manchmal unumgänglich sind.
Abenteuer
Zum Abschluss des Quellenbandes gibt es sogar noch ein rund dreißig Seiten umfassendes Abenteuer: „Ein heißer Abgang“.Eine Reihe von mysteriösen Selbstentzündungen mit wahrscheinlich magischem Hintergrund führt die Charaktere im Auftrag eines hochrangigen und angesehenen Magisters nach Averheim, im dem zurzeit die Vorbereitungen für das jährliche große Weinfest angelaufen sind. Erst einmal die Fährte aufgenommen, geraten die Charaktere rasch in einen Strudel dunkler Geheimnisse um Diebesgilden und Chaosanhänger inmitten einer Stadt, die ausgelassen ihrer jährlichen Lustbarkeit nachkommt und dem Wein und anderen leiblichen Genüssen zuspricht. Das Abenteuer ist von seinem Aufbau und dem Handlungsverlauf insgesamt gelungen und bietet den Spielern als auch dem Spielleiter neben den Ermittlungen genügend Platz für eigene Ideen. Eins sei allerdings an dieser Stelle bereits verraten: Bedauerlicherweise liegt nicht immer im Wein die Wahrheit!
Ob ein Abenteuer mit einem Umfang von fast 30 Seiten unbedingt in diesen Quellenband musste, mag ich an dieser Stelle in Zweifel ziehen. Sicherlich ist das Abenteuer gelungen, doch etwas mehr Platz für vielleicht einige vernachlässigte Bereiche der Magie hätten diesem Quellenband besser zu Gesicht gestanden.
Zum Schluss gibt es noch die im Layout ordentlich gestalteten drei Referenztabellen mit erweiterten schwachen, starken und katastrophalen Chaosmanifestationen für Leute, die von Unheil nicht genug bekommen können und die Abwechslung lieben sowie einen überaus nützlichen Index, der dem geneigten Leser bei der Suche eine große Hilfe sein kann.
Fazit
Wer bislang noch keine größeren Berührungspunkte mit der Welt der Magie im Warhammer-Universum hatte, dürfte nach Lektüre dieses Quellenbandes mit ziemlicher Sicherheit diesem Aspekt nunmehr mit wesentlich mehr Tiefgang in seine nächste Kampagne einbauen oder auch manche Dinge mit gänzlich anderen Augen sehen. Das Magiesystem bleibt trotz einiger Ergänzungen durch Reiche der Magie der Grundstimmung einer düsteren und dreckigen Welt voller gefährlicher Abenteuer treu – insbesondere wenn sich „Tzeentchs Fluch“ bei einem verpfuschten Spruch auswirkt und die Mächte des Chaos ihren Tribut einfordern.
Insgesamt kann ich nach der Lektüre von Reiche der Magie nur eingestehen, das es bislang mit zu den besten Veröffentlichungen in der Reihe der bisher erschienenen Quellenbücher zählt. Dauerte es in der ersten Edition von Warhammer noch rund 16 Jahre bis endlich der Quellenband Realms of Sorcery erschien, hat die zweite Edition nunmehr – auch in deutscher Sprache – vor, das Tempo wohl erfreulicherweise deutlich zu erhöhen.
Von meiner Seite gibt es nur wenige Kritikpunkte, da ich persönlich die Konzeption und den Inhalt von Reiche der Magie wirklich gut und gelungen finde. Einige Passagen sind vielleicht zu langatmig ausgefallen und in manchen Abschnitten scheinen sich seltsamerweise bereits erklärte Sachverhalte inhaltlich zu wiederholen, was aber wohl letztlich auf die große Zahl von unterschiedlichen Autoren zurückzuführen ist.
Diejenigen, die eine Fülle von zusätzlichen Regeln, Tabellen und Zaubersprüchen erwarten, dürften vom Inhalt unter Umständen enttäuscht sein. Die Stärke von Reiche der Magie liegt in der Darstellung des überaus umfangreichen Hintergrundes der Magie in der Welt von Warhammer und weniger in zahllosen Regelergänzungen oder -änderungen. Dem Klappentext kann ich insofern zustimmen, als das Reiche der Magie wirklich eine perfekte Ergänzung zum Grundregelwerk darstellt und eine unerlässliche Enzyklopädie bezüglich der Magie in ihren zahllosen Ausprägungen in der Alten Welt ist – sowohl für Spieler als auch für Spielleiter.
Infos zu Warhammer Fantasy-Rollenspiel: Reiche der Magie
- Verlag: Feder & Schwert
- Autor: Robert J. Schwalb, T. S. Luikert, Chris Pramas, Marijan von Staufer, Jeff Tidball
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