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Das brasilianische Autorenduo Andre Zatz und Sergio Halaban

Andre Zatz (links) und Sergio Halaban mit einigen ihrer Spiele von Zatz/Halaban

Exotische Profis

Als Kosmos im Frühjahr 2006 das Spiel Hart an der Grenze vorstellte, kannte in Deutschland niemand die beiden Autoren Andre Zatz und Sergio Halaban. Eine kurze Nachfrage brachte die Erkenntnis, dass sie Brasilianer sind und in ihrer Heimat als Macher von erfolgreichen TV-Shows bekannt sind. Eine Konstellation, die geradezu ein Interview mit den beiden herausfordert. Da Brasilien trotz der zusammenwachsenden Welt weit ist, antworteten Andre (Jahrgang 74, Journalist, leidenschaftlicher Spieler) und Sergio (Jahrgang 63, Maschinenbauer und Produktmanager, Hobbyfotograf und Liebhaber von handgemachtem Schmuck) gemeinsam per E-Mail auf unsere Fragen. So ganz nebenbei stellt sich heraus, dass sie mehr Spiele veröffentlicht haben, als so mancher bekannte deutsche Autor …

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Andre und Sergio, warum mögt ihr das Spielen?
„Weil es Spaß macht! Wir mögen das Spielen ebenso gerne wie das Ausprobieren neuer Spiele. Außerdem sind Spieler normalerweise sympathische intelligente Leute. Es ist ein Vergnügen, mit ihnen Zeit zu verbringen. Seit wir eigene Spiele entwickeln, haben wir natürlich noch ein weiteres Interesse.“

Wann habt ihr euch kennen gelernt und beschlossen, gemeinsam Spiele zu entwickeln?
„Vor ein Dutzend Jahre kam Sergio mit Andres Schwester Silvia zusammen. Kurz danach heirateten sie. Das Erfinden von Spielen fing recht einfach an, vielleicht sogar mit einer gewissen Naivität. Einer von uns schlug vor: Warum nicht mal ein neues Spiel erfinden? Durch eine frühere Erfahrung im Spielzeugdesign wusste Sergio, dass die Verlage Ideen von freien Autoren lizenzieren. Hauptsächlich hatte der Plan aber eine verführerische erste Phase: Einmal in der Woche viele Spiele probieren, um den Markt zu sondieren. Am Ende von etwa sechs Monaten kamen Sergio und Silvia mit der Idee, ein Spiel über Politik zu machen. Wir entwickelten hieß Corrida Presidencial (Präsidentschaftsrennen) und überraschenderweise veröffentlichte es Toyster, der drittgrößte Verlag in Brasilien.
Dies ermunterte uns weiterzumachen. Zu dieser Zeit hatte Andre sein Journalismusstudium beendet und war ein bisschen enttäuscht von seinem Beruf. Er mochte das Schreiben, aber im brasilianischen Journalismus ist Schnelligkeit alles, für Stil ist nicht so viel Platz. Sergio war als freier Produkt-Designer etabliert, mochte aber nicht alleine arbeiten. Er wollte gerne mit seiner Frau arbeiten. So haben wir drei uns zusammengetan und versucht, der Entwicklung von Spielen mehr Zeit zu widmen.“

Dann ist Hart an der Grenze nicht euer erstes Spiel?
„Nein, es ist unser 16. Spiel! Es wurde im Februar 2006 veröffentlicht und seitdem haben wir hier vier weitere Spiele veröffentlicht. Und es kommen bis Ende 2006 noch fünf hinzu. Aber Hart an der Grenze ist unser erstes in Europa veröffentlichtes Spiel.“

Sheriff Halaban kontrolliert Tourist Zatz - eine Fotomontage eines brasilianischen Magazins von Zatz/HalabanWie seid ihr auf die Idee gekommen, das Spiel zu einem deutschen Verlag zu schicken?
„Trotz der Entfernung beobachten wir genau, was in Europa passiert. Wir haben bei uns im Büro 300-400 Spiele, davon allein 100 aus Deutschland. Leider kann man nicht ausschließlich von der Spieleentwicklung für brasilianische Verlage leben. Es gibt nur ein paar und die veröffentlichen zudem nur wenig neue Spiele, schon gar nicht der Art, die wir mögen. Wir mögen deutsche Spiele. Spiele für Erwachsene. So dachten wir über Möglichkeiten nach, im Ausland zu veröffentlichen. Wir waren nicht sicher, ob es klappen würde – die Entfernung, die Sprache, der harte Wettbewerb …
Wir haben dann Hart an der Grenze (unter dem Namen Tequila) für den deutschen Markt entwickelt. Wir haben es den Verlagen hier nicht einmal gezeigt. Als wir es fertig hatten, trafen wir Robert Watson, einen deutschen Spieler und Hobby-Spieleautor. Er war sehr beeindruckt und meinte, das Spiel könnte in Deutschland wirklich eine Chance haben. Er nahm es mit nach Deutschland und brachte es – wenn wir uns nicht irren – mit zum Spieleautorentreffen nach Göttingen. In der Zwischenzeit versuchten wir, Kosmos per Mail zu erreichen, und sie zeigten Interesse. Wir schickten einen Prototypen und … Der Rest ist bekannt.“

Wart ihr also gar nicht in Deutschland, um euer Spiel vorzustellen?
„So unglaublich es klingt: Der gesamte Abwicklung bei Hart an der Grenze lief per E-Mail und auf dem Postweg. Obwohl wir bereits ein paar Mal in Europa waren, hatten wir noch nicht die Gelegenheit, Deutschland zu besuchen. Im August 2006 wird Andre aber nach Deutschland kommen, um die Leute von Kosmos persönlich zu treffen und ihnen sowie anderen interessierten Verlagen ein paar neue Prototypen vorzustellen.“

Hat die Kosmos-Redaktion viele Details von Hart an der Grenze geändert?
„Wir haben großen Respekt vor der Arbeit von Wolfgang Lüdtke und Kosmos. Bei unserem Prototypen gab es weder die Metallkoffer noch den Sheriffstern, alles war aus Papier.
Es gab nicht viele Änderungen beim Mechanismus, aber ein paar kleine und bedeutende. Einer davon ist, dass das ursprüngliche Spiel für drei bis fünf Spieler war. Wolfgang fragte uns: ‚Warum soll es nicht für sechs sein?‘ Wir sagten: ‚Die meisten Spiele in Deutschland sind für drei bis fünf Spieler. Wir dachten, das sei genug.‘ Nach seinem Hinweis berechneten wir alles neu, sodass sechs Spieler mitspielen konnten. Dies war eine gute Idee, da wir in Rezensionen gelesen haben, dass einige Leute das Spiel mit vier bis sechs Spieler am besten finden.
Kosmos änderte auch die Anzahl der Kontrollen. Im Original gab es immer zwei Kontrollen, nicht nur eine. Diese Änderung war eine Verbesserung, denn bei einigen Spielrunden dauerte das Spiel mit der großen Anzahl von Verhandlungen zwischen Touristen und Sheriff zu lange.
Kosmos vereinfachte ebenso das Ablegen der Waren. In unserer Version kündigte jeder an, wie viele legale Waren und wie viele illegale Waren er ablegte. Dies schien für Verwirrung in einigen Tests zu sorgen.“

Wurde das Thema noch angepasst?
„Das Thema war von Anfang an, Waren über die Grenze zu schmuggeln. Im Original ging es aber um die mexikanisch-amerikanische Grenze im 19. Jahrhundert. Kosmos versetzte das Spiel in die aktuelle Zeit und definierte die genaue Grenze nicht, auch wenn Maracas, Sombreros und Tequila auf Mexiko hinweisen. Im urspünglichen Spiel gab es auch keine Touristen, sondern kleine Händler. Wir sind nicht sicher, was in diesem Fall das Beste ist.“

Wer hat die Illustrationen gezeichnet?
„Die Illustrationen wurden wunderbar von Michael Menzel gestaltet. Hast du die Motive der Koffer gesehen? Es gibt sogar einen Louis Vuitton mit mexikanischen Zeichnungen. Hart an der Grenze ist ohne Zweifel unser schönstes Spiel.“

Hart an der Grenze ist ein Spiel, das vom Schmuggeln handelt. Habt ihr jemals etwas geschmuggelt?
„Nein, nie. Natürlich ist unser Gepäck immer voller Spiele, wenn wir in Europa oder den USA waren. Aber glücklicherweise ist das ja erlaubt. Die Idee von Hart an der Grenze kam uns, als wir über Leute sprachen, die über Grenzen passieren. Welchen Eindruck wollen Menschen vermitteln, die tatsächlich etwas schmuggeln? Und wie entscheiden Grenzkontrolleure, wer kontrolliert wird und wer nicht? Es schien ein gutes Thema für ein Spiel zu sein. Die Herausforderung war, dies mit Spielmaterial, einem interessanten Mechanismus und einem guten Wertungssystem umzusetzen.“

Die beiden Autoren mit ihrem Hart an der Grenze von Zatz/HalabanDer Hauptmechanismus eures Spiels ist das Bluffen. Wie wichtig ist das Bluffen und was ist mit Spielern, die nicht bluffen können? Werden sie dennoch Spaß haben?
„Gibt es wirklich Menschen, die nicht bluffen können? Wir dachten, das gesamte Leben basiert auf Lügen … OK, ernsthaft: In der Tat ist der Hauptmechanismus das Bluffen. Wenn jemand nicht bluffen kann, hat er einen Nachteil. Dennoch kann er gewinnen. Wenigstens, wenn er als Sheriff herausfindet, wer blufft, und wenn er sonst gute Waren ablegt. Es gibt ja noch den Verkauf am Spielende, was praktisch eine Art Wette ist und ein bisschen Strategie und Einschätzung der Mitspieler erfordert. Dies ist eine gute Möglichkeit, das Unvermögen zu lügen zu kompensieren.
Aber wir denken, der Hauptpunkt ist, dass selbst die Leute, die von sich glauben nicht gewinnen zu können, dennoch viel Spaß haben können. Weil das Spiel ein paar wirklich lustige Situationen mit großen Lachern schafft. In unseren Testspielen gab es einige Spieler, die uns sagten, sie mögen keine Bluffspiele, und dann lachend unterm Tisch lagen. Einige Spieler meinen sogar, dass Hart an der Grenze etwas von einem Partyspiel hat. In dem Sinn, dass die Erfahrung des Spielens wichtiger ist, als zu gewinnen oder verlieren. Aber Andre ist anderer Meinung, denn er ist ein Spieler ist, der spielt, um zu gewinnen. ;-)“

Wenn ihr einen einzelnen Aspekt eures Spiels herausstellen sollt, welcher ist das?
„Es gibt zwei. Die Zollerklärung mit all dem Bluff und die Verhandlung mit dem Sheriff. Das Lügen passt sehr gut zum Thema und die Atmosphäre schafft viel vom Spielerlebnis. Die Verhandlungen sind etwas anders als gewöhnlich, weil sie nur auf Vermutungen basieren. Die intensivsten Momente sind die, wenn der Sheriff entscheidet, wen er kontrolliert und wen er passieren lässt. Die meisten Lacher entstehen dann oder wenn ein Tourist versucht, mit dem Sheriff zu verhandeln.
Wir glauben, wir waren erfolgreich bei der Entwicklung dieses Spiels. Herausgekommen ist ein Spiel aus einem Guss, das sich sehr von anderen unterscheidet, die zur gleichen Zeit veröffentlicht wurden.“

Habt ihr weitere Spiele in Planung?
„Wir haben einen weiteren Prototyp bei einem europäischen Verlag. Und Andre wird ja in Kürze weitere mit nach Deutschland nehmen. In Brasilien werden bis Ende 2006 fünf weitere Spiele veröffentlicht.“

Was habt ihr bisher für Spiele veröffentlicht?
„Unser Bestseller ist Floresta Encantada (Verzauberter Wald), ein Kinderspiel, das seit 2002 mehr als 200.000 Mal verkauft wurde. Viele unserer Spiele sind Kinderspiele, da die brasilianischen Verlage daran das meiste Interesse haben. In einigen unserer Erwachsenenspiele wie Batalhas Medievais (Mittelalterschlachten) und Conquistadores (Eroberer) versuchen wir die Kluft zwischen brasilianischen und deutschen Spielen zu verringern.“

Ihr arbeitet für TV-Sendungen, was genau macht ihr dabei?
„Wir sind Berater von Globo gewesen, dem großen brasilianischen Sender, und haben ihnen geholfen, Spielshows zu entwickeln. Wir haben sogar an einer lokalen Version von ‚Überleben‘ und anderen Reality-Shows mitgearbeitet. Dennoch macht das Fernsehen nur einen kleinen Teil unserer Aktivitäten aus. Die meiste Zeit verbringen wir mit der Ausarbeitung von Spielen für Erziehungszwecke, Verhandlungsschulungen und Werbekampagnen. Wir haben schon Dutzende davon entwickelt.“

Ist das Spieleerfinden dann eher Job oder Hobby?
„Es ist unsere Arbeit. Es ist unser Beruf geworden. Andre sagt immer, sein Beruf ist Spieleautor und sein Hobby ist nun Journalismus. Das, weil er Macher der Spielewebseite Ludomania ist. Dort schreibt er über die Brettspielszene und interviewt ab und einen brasilianischen Brettspiel-Promi.“

Wer gehört zu den ganz großen Autoren in Brasilien?
„Wir haben großen Respekt vor Mario Seabra, der in den 70er-Jahren Pionier der Brettspielentwicklung war, und seinem ‚Schüler‘ Luiz Dal Monte Neto, der bereits über 50 Spiele entworfen hat. Beide sind gute Freunde von uns und ab und zu gehen wir gemeinsam essen.“

Wie viel Zeit verbringt ihr mit dem Entwickeln von Spielen, wie viel mit Spielen?
„Nicht so viel Zeit, wie wir gerne möchten. Wir verbringen viel Zeit mit Auftragsarbeiten, weil wir eben unseren Lebensunterhalt verdienen müssen. Deshalb bleibt nicht viel Zeit, unsere eigenen Ideen umzusetzen, noch weniger, um zu spielen. Wir hatten wöchentliche Spielrunden, aber nun nur noch einmal im Monat. Es gab schon Zeiten, da haben wir versucht, wenigstens ein kurzes Spiel in der Mittagspause zu spielen. Übrigens eine sehr gesunde Sache, die jeder ‚mal probieren sollte ;-)“

Gibt es Spiele, die ihr mehr mögt als andere?
„Generell schätzen wir die meisten Spiele, so lange sie gut sind. Familienspiele, Strategiespiele; sogar Partyspiele, obwohl wir die nicht sehr oft spielen. Wir spielen meistens deutsche Spiele – von Coloretto bis Puerto Rico. Es gab eine Zeit, da war Reiner Knizia unser Favorit, heute mögen wir Spiele von vielen Autoren wie Wolfgang Kramer, Michael Schacht, Klaus Teuber, Richard Borg, Alan Moon, Bruno Faidutti, Andreas Seyfahrt, Heinz Meister und anderen.
Bei den traditionellen Spielen, für die wir uns ebenfalls interessieren, ist Go definitiv unser Lieblingsspiel, aber wir mögen auch eine gute Partie Mancala oder Schach. Andre hat als Jugendlicher viel Schach gespielt und kürzlich eine Phase gehabt, in der er fast jede Nacht Go gespielt hat. Sergio mag sehr gerne Geschicklichkeitsspiele wie Carabande und Futebol de Botao, eine traditionelle brasilianische Fußballsimulation.“

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