Von einem der auszog, Spiele zu erfinden
„Ideenwerkstatt“ steht auf dem kleinen Schild, das jedes Jahr beim Göttinger Spieleautorentreffen den Tisch von Marco Teubner ziert. Der Jungautor hat eine beachtliche Entwicklung hinter sich. 2002 ist er uns das erste Mal mit seinem Prototypen Taxi aufgefallen, das er ein Jahr später mit veränderten Mechanismen als Wildschweinspiel vorstellte. In diesem Jahr gewann er auch den Förderpreis für Nachwuchsautoren. Ein Preis, der ihm wie schon seinen Vorgängern ein Stück die Tür ins Spielebusiness öffnete. Der 33-jährige Kulturwissenschaftler hat inzwischen zwei Spiele veröffentlicht, weitere stehen an. Bei Selecta erschien Bravo Piepino und bei Goldsieber Willis Wilde Wühlerei, das ehemalige Taxi.
Wie er denn zum Spielerfinden gekommen ist, wollen wir wissen und erleben eigentlich gleich eine Überraschung. „Mit dem Spieleerfinden habe ich relativ spät begonnen. Es war gegen Ende meines Studiums, also so vor zirka sechs Jahren. Nicht, dass ich jetzt vorher schon der absolute Vielspieler, der gierige Spielesammler oder der fanatische Rollenspieler gewesen wäre. Ich besaß gerade mal eine handvoll schlechter Spiele, bin trotz meines Studentendaseins kaum zum Spielen gekommen und die Welt von Das Schwarze Auge hatte ich seit meiner Schulzeit schon lange hinter mir gelassen. Ich kann es eigentlich nicht erklären, aber eines Tages hatte ich einfach den unwiderstehlichen Drang, ein Spiel zu entwickeln. Also habe ich einfach angefangen …“ Wie zu befürchten ist, ging erst einmal alles schief. „Es war furchtbar. Meine Testspieler haben sich schrecklich gelangweilt, nichts hat funktioniert und ich saß deprimiert vor meinen ersten Versuchen. Doch dann hat mich der Ehrgeiz gepackt und da ich ja, wie gesagt, von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte, habe ich mir erst einmal einen Haufen Bücher besorgt. Vom ‚Oxford History of Board Games‘ bis hin zu Glonneggers Spielebuch habe ich mich dann durchgelesen. Auch Über das Internet bin ich auf das eine oder andere aufmerksam geworden und so ist mit der Zeit eine wahre Leidenschaft für Spiele entstanden.“
Früher oder später entdeckte er so auch das Spieleautorentreffen in Göttingen. Mit einigen „immer noch schlechten Spielen“ fuhr er dort hin. Mit der Begeisterung wuchs sein Ehrgeiz. „Als ich letztendlich die Spiele von Frank Czarnetzki sah, vor allem wegen der optischen Wirkung seiner Prototypen, war die Zielsetzung klar: Nächstes Jahr wollte ich mich auch um das Stipendium für Nachwuchsautoren bemühen. Also habe ich das ganze folgende Jahr nichts anderes gemacht, als jede freie Minute an Spiele zu denken und welche zu entwickeln … Es hat ja dann auch geklappt und ich habe den Preis bekommen,“ erklärt Marco mit einem Augenzwinkern.
Und der Förderpreis war dann letztlich eine Initialzündung: Er profitierte von der großen Erfahrung von Menschen ganz verschiedener Richtungen der Spieleszene. Dieser Austausch war für ihn unglaublich lehrreich und wertvoll. So verlor ein Bild an Bedeutung, mit dem ein Freund das Spieleautorentreffen beschrieb: Ein großer Fluss, über den eine kleine hölzerne Brücke führt. Auf der einen Seite des Flusses stehen die erfolgreichen Autoren und die Vertreter der Verlage. Man sieht, wie sie sich angeregt unterhalten und gegenseitig die Hände schütteln. Auf der anderen Seite stehen viele neue und unbekannte Autoren mit großen Augen und schauen auf die andere Seite. Sie versuchen zu der kleinen Brücke zu gelangen, um vielleicht den Weg zum anderen Ufer zu schaffen. Und ein paar Glückliche werden mit Booten abgeholt oder sogar auf der ihrer Seite von unerschrockenen Redakteuren besucht … Der Jungautor meint nun aber: „Ich glaube nicht, dass es junge Autoren schwerer haben. Ich möchte es nicht glauben, da ich mir meine Vorstellung erhalten möchte, dass es letztendlich um die Qualität der Spiele geht und nicht um den Autorennamen. Gerade im Familien- und Kinderspielbereich ist doch der Autor nicht die Kaufentscheidung, oder? Insofern möchte ich das Bild von dem Fluss und den zwei Ufern ergänzen: Hat noch keiner gemerkt, dass der Fluss eigentlich nur knietief ist und dass jeder, der überzeugt von seiner Idee und seinem Können ist, doch einfach mal auf die andere Seite gehen soll. Das Schlimmste, was du bekommst, sind nasse Füße.“
Um sich nicht ständig nasse Füße zu holen, ist es Marco wichtig, dass sich Autoren „Feldkompetenz“ erarbeiten. „Du musst als Autor lernen, ein Spiel zu lesen: die Verbindung von Geschichte und Mechanismus, die einzelnen Stellschräubchen. Ich bin darin wirklich noch nicht gut, aber die Bedeutung habe ich für mich erkannt. Gerade die Entwicklung von dem Taxi-Spiel hin zu Willis Wilde Wühlerei hat mir das sehr gut verdeutlicht. Beim Taxi-Spiel habe ich eine Spielfigur genommen, ihr einen Würfel beiseite gelegt, sie auf einen simplen Spielplan gestellt, eine Kramerleiste drum herum gezimmert, viele Aktionskarten beigelegt und dachte, das Ei des Kolumbus entwickelt zu haben. Nichts war’s – grottenschlecht – stinklangweilig! Dann habe ich gelernt, mir selbst die wesentlichen Fragen zu stellen. Wer ist eigentlich die Zielgruppe für dieses Spiel und was macht den Spielreiz dieses Spieles gerade für diese Leute aus? Was will ich mit dem Spiel eigentlich und vor allem, was ist das Besondere gerade an diesem Spiel? Ich glaube, da hat es angefangen, dass ich zuerst dem Spielgefühl nachgegangen bin.“
Herausgekommen ist bei Willis Wilde Wühlerei ein Mechanismus, in dessen Mittelpunkt Drehscheiben stehen. Die Idee eines Wettrennens im Labyrinth bot an, einen Mechanismus wie bei Das verrückte Labyrinth zu wählen. Aber Marco hat sich bewusst davon abgegrenzt und nach anderen Möglichkeiten gesucht, die Wege zu verändern. Der Anspruch ist eben auch, so gut es geht, eigenständig zu sein.
Sein Kinderspiel Bravo Piepino hat ebenfalls einen recht eigenwilligen Wegemechanismus. Das simple Laufspiel überrascht mit unvorhersehbaren Sprüngen der Figuren auf neue Felder, die durch Magnetfolie ermöglicht werden. Idee war hier, dass sich die Spielfiguren gegen einen Widerstand bewegen. Die Idee stammt von Flußaufwärts, bei dem die Spielfiguren, die sich nicht bewegen, automatisch nach hinten geschoben werden. Das hat Marco sehr gut gefallen, weil das Wasser gut simuliert wird. So wollte auch er eine natürliche Kraft ins Spiel zu bringen, die Schwerkraft, die es den jungen Vögeln so schwer macht, sich in der Luft zu halten.
Er erzählt: „Für meine Testkinder war das aber immer frustrierend, wenn sie ihre Vögelchen in die Höhe gezogen haben, und bis sie wieder an der Reihe waren, der Vogel schon wieder verdächtig nahe am Boden war. Dann ist mir etwas wirklich wunderbares passiert: Ein mitspielender Junge, kam um den Tisch zu mir rum und fragte mich ganz leise, ob wir es nicht einmal andersherum probieren könnten. Also so, dass die Vögel ins Nest zurückfliegen müssen. Und da merkte ich, dass ich so sehr Flußaufwärts im Kopf hatte, dass ich dem eigenen Spiel gar keine eigene Entwicklung mehr zugestanden habe. Erst der kleine Junge hat mir dann gezeigt, dass ich dem eigenen Spiel beim Testen wirklich neu und offen entgegentreten muss.“ Und das versucht Marco bei der Entwicklung neuer Spiele immer wieder. So bekommt auch das kleine Schild wieder einen Sinn: Marco Teubner ist eben nicht einfach nur Autor, er ist eine Ideenwerkstatt.
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