Infos zu Colonia
- Titel: Colonia
- Verlag: Queen Games
- Autor: Dirk Henn
- Spieleranzahl (von bis): 3 - 6
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
- Dauer in Minuten: 120
- Jahrgang: 2009
1322 AD
Drei bis sechs Patrizierfamilien versuchen, im mittelalterlichen Köln (Colonia) ihren Einfluss und ihre Macht in Form kaufmännischer Tätigkeiten zu stärken. Ganz knapp gefasst ist das der thematische Hintergrund zum – im wahrsten Sinne des Wortes – großen Spiel des Verlags in 2009.
Dahinter verbirgt sich zunächst mal ein Puzzle: Der XL-Spielplan wird aus sage und schreibe acht Teilen zusammengesetzt. Variabel ist er damit nicht, wie man vermuten könnte, denn der Zusammenbau ist immer gleich. Man erhält einen (fiktiven?) Platz in Köln, dessen Mitte ein altes Stadtbild ziert. Der Plan ist fantastisch gezeichnet, eine Augenweide für sich. Hinzu kommen diverse Karten (Reliquien, Ratserlasse und sog. Wochenkarten), Warenplättchen und Rohstoffsteine sowie Geld in vier Währungen. Jeder Spieler erhält darüber hinaus – je nach Spielerzahl – bis zu 38 Steinchen, die die Familienmitglieder darstellen, Familienkarten und ein Wappen, das dazu dient, die Spielerreihenfolge anzuzeigen. Das gesamte Material ist von bester Qualität, wenn man davon absieht, dass zwei der vier Währungen farblich besser hätten von einander getrennt werden können.
Es geht darum, in sechs Spielrunden möglichst viel Geld zu verdienen und dieses in Reliquien zu investieren, denn diese bringen die erforderlichen Siegpunkte. Dazu wird in jeder Runde spielerisch eine Woche absolviert, was nichts anderes bedeutet, als dass sie aus sieben Phasen besteht: Eine Spielrunde vorbereiten, den (Stadt-)Rat zusammenstellen, Rohstoffe kaufen, diese zu Waren verarbeiten, jene verschiffen, dafür Geld erhalten, was schließlich in die Reliquien fließt. Das klingt nach mehrstufigem, kompliziertem Entwicklungsspiel? Mehrstufig: ja; kompliziert: ja und nein; Entwicklungsspiel: nein.
Nach der Vorbereitung einer Runde, setzt sich in Phase zwei der Stadtrat neu zusammen. Eine von jedem Spieler verdeckt ausgespielte Familienkarte mit einem Wert zwischen Drei und Acht wird gleichzeitig aufgedeckt und sorgt erstens für die Spielerreihenfolge in dieser Runde, aber auch zweitens für die Stimmenzahl, die bei den Abstimmungen über die so genannten Ratserlässe entscheidend sein kann. Je größer die gewählte Zahl, desto mehr Mitglieder entsendet ein Spieler in den Rat. Dazu später mehr.
Sechs der sieben Phasen haben eines gemein: In jeder Runde muss ein Spieler Familienmitglieder einsetzen, die erst im Verlauf der jeweils folgenden Runde zurückkehren. Dummerweise aber erst dann, wenn man an derselben Stelle wieder neue Familienmitglieder eingesetzt hat. Für einen kurzen Augenblick befinden sich daher zwei „Gruppen“ von Familienmitgliedern eines Spielers an derselben Station. Das erfordert zum Teil knallhartes Kalkulieren, da es zuweilen um jedes einzelne Steinchen geht, das man einsetzen kann beziehungsweise das einem an anderer Stelle fehlt. Dieser Mechanismus ist äußerst trickreich und führt nicht selten dazu, dass man sich sprichwörtlich verrechnet. So fehlt einem unter Umständen in einer der folgenden Phasen ein Familienmitglied, das man dringend benötigt hätte.
Überhaupt ist man fast permanent mit Rechnen beschäftigt und zwar meist rückwärts: Am Mittwoch erwirbt man Rohstoffe, die man donnerstags zu Waren verarbeiten und freitags verschiffen will. Also rechnet man ausgehend vom Freitag zurück, welche Waren man dort verschiffen lassen kann und was man dafür an Rohstoffen benötigt. Konsequenterweise sollte man aber eigentlich sogar vom Sonntag zurückrechnen. Da werden nämlich die offen ausliegenden Reliquien gekauft. Für diese brauche ich eine bestimmte Währung, welche aber nur auf bestimmten Schiffen angeboten wird. Brauche ich also Englische Pfund, um eine bestimmte Reliquie zu kaufen, muss ich meine Waren auch an das Schiff liefern, dass mir dafür Pfund zahlt. Kompliziert? Ja, das ist schon kompliziert. Diese Rechnerei birgt Grübelpotenzial erster Kajüte.
Fatal daran ist, dass der ganze Rechenquatsch Makulatur ist, wenn man in der Spielerreihenfolge weiter hinten sitzt und plötzlich die Lagerräume in den Schiffen, für die man seine Waren produziert hat, besetzt sind. Die Schiffsräume können nämlich immer nur von einem Spieler besetzt werden und zwar mit einer bestimmten Konfektion an Waren. Hat man also einen Schuh produziert und keiner will mehr Schuhe: dumm gelaufen. Auch die Variante, den Schuh dann ersatzweise an ein anderes Schiff zu liefern, führt meist nicht zum gewünschten Erfolg, denn das andere Schiff zahlt vielleicht in Mark, wo man Pfund braucht.
Was das für die Spieler bedeutet, dürfte klar sein: Man plant und rechnet, und am Ende entscheidet sich mehr oder minder zufällig, ob man seinen Plan umsetzen kann. Man kann versuchen, sich ersatzweise an den anderen drei Schiffe im Hafen schadlos zu halten, die verschiedene Kombinationen von Waren aufnehmen. Nur verlassen diese Schiffe vielleicht erst zwei Runden später den Hafen. In der Zeit verdient man weder Geld, noch warten die Reliquien auf einen: alle nicht gekauften Reliquien werden am Ende einer Runde abgeräumt! Außer man stellt Familienmitglieder ab und reserviert damit die gewünschte(n) Karte(n); sie bleiben damit solange liegen, bis sie gekauft werden, gegebenenfalls auch bis zum Spielende. Die Familienmitglieder sind solange gebunden. Zu allem Überfluss kann eine so reservierte Reliquie trotzdem von jedem anderen Spieler gekauft werden. Das macht die Sache nicht entspannter.
Ein erfrischendes Element sind die immer wiederkehrenden Abstimmungen des Stadtrates. In jeder Runde wird über drei Erlässe abgestimmt, die sich auf bestimmte Spielphasen auswirken und diese modifizieren. Die Ja- oder Nein-Karten jedes Spielers dienen dabei zur Abstimmung, werden verdeckt ausgespielt und gleichzeitig aufgedeckt. Entscheidend ist dann nicht alleine die Summer der Ja- und Nein-Stimmen, sondern vielmehr die Summe der Ratsmitglieder, die zu Rundenbeginn in den Rat entsandt wurden. Demnach hat die Stimme eines Spielers, der mehr Mitglieder im Rat hat, auch bei der Abstimmung mehr Gewicht und kann gegebenenfalls zwei Gegenstimmen mit insgesamt weniger Ratsmitgliedern überstimmen. Das ist wirklich schön umgesetzt!
Der Einstieg ins Spiel und die Regeln sind nicht kompliziert, die Spieltechnik schon. Das Spielmaterial ist großartig und über jeden Zweifel erhaben. Auch die Spielregel ist recht gut, nur kleine Detailfragen muss man zusätzlich klären (Was passiert beim Würfeln einer Sechs, wenn Spieler sich Waren erwürfeln dürfen?). Auch die Ratserlässe könnten in der Spielregel ausführlicher erklärt sein. Ansonsten ist die Regel – und besonders die separate Spielaufbauübersicht – sehr gut bebildert und logisch strukturiert. Ein gewohnter Standard bei Queen Games.
Insgesamt aber hinterlässt das Spiel einen ambivalenten Eindruck. Jede einzelne Spielphase spielt sich kurzweilig und spannend und erfordert Weitblick für Aktionen, die noch folgen. Meist geht es darum, wer wo zuerst seine Familienmitglieder einsetzt, um die besten oder meisten Rohstoffe, die billigsten Waren und die rentabelsten Schiffsladeräume zu bekommen. Der Spielerreihenfolge kommt da in vielen Fällen eine entscheidende Bedeutung zu.
Getrübt wird der Gesamteindruck dadurch, dass die entscheidende Phase, der Kauf der Reliquien, kaum planbar ist. Wie weiter oben beschrieben, führt der akribisch geplante Erwerb der Rohstoffe und Waren leider zu oft am Ziel vorbei – den Mitspielern oder dem Zufall sei Dank.
Aus dem Bauch heraus spielt sich Colonia nicht, da man stets über mehrere Phasen hinweg plant und darauf bedacht sein muss, in der/den kommende(n) Phasen noch genügend Familienmitglieder zu haben. Vielspieler kommen daher eher auf ihre Kosten als Gelegenheitsspieler. Zumal sich einem die optimale Vorgehensweise kaum in ein oder zwei Partien erschließt. Auch die Spieldauer (angegeben sind 120 Minuten) trifft nur in der Minimalbesetzung zu, wenn man das Spiel bereits beherrscht. Zu mehr als drei Spielern gewinnt das Spiel durch die munteren Abstimmungen, sprengt dabei insbesondere zu sechst aber zeitlich einfach den Rahmen.
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