Bier Pioniere

Bier Pioniere ist ein Worker-Placement-Spiel von Thomas Spitzer (Illustrationen von Harald Lieske), welches 2023 beim Verlag Spielefaible erschienen ist. Das Spiel wurde als Crowdfundingprojekt bei der Spiele-Offensive realisiert und ist auf Grund seiner Komplexität im Kennerbereich angesiedelt.

Was erwartet Dich bei Bier Pioniere?

Bier Pioniere kommt auf den ersten Blick ein bisschen altbacken daher. Alles ist stimmig und klar, aber es fehlt ein bisschen das Schillernde, um in der großen Masse an Neuerscheinungen aufzufallen. Auch lockt das Thema Bierbrauwirtschaft im Ruhrgebiet nicht jeden hinter dem Ofen hervor. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt ein Spiel geliefert, das so frisch und wohltuend daherkommt, wie ein gerade gezapftes Bier an einem warmen Sommerabend. Bier Pioniere wirkt wie ein Nischenspiel und wer das Œvre von Thomas Spitzer verfolgt hat, wird es dort verorten. Das ist schade, denn Bier Pioniere ist durchaus massentauglich.

Wie wird Bier Pioniere gespielt?

Hauptaktionen

Im Grunde genommen ist alles recht simpel. Die Spieler setzen Arbeiter ein, um ihre Bierproduktion in Betrieb zu nehmen. Alle starten mit Altbier, können ihr Angebot aber schon bald auf Export, Pils, Lager, Weizen und Starkbier ausweiten. Durch verschiedene Ausbauten und Verbesserungen wie z. B. Kühlanlagen oder eine Malzfabrik vergrößert sich das individuelle Angebot und die Produktion wird optimiert. Über das Ausspielen von Karten generieren die Spieler Boni, erfüllen Lieferaufträge, können Braumeister einstellen oder betreiben ein bisschen Tableaubuilding, um die Produktion anzukurbeln.

Das ergibt in sich schon einen runden Ablauf, findet sich aber auch anderswo. Freilich gibt es ein paar witzige Kniffe, wie die Produktionsräder pro Biersorte oder die geschickte Nutzung des Braukellers. Auch die Kombination aus Arbeiter einsetzen und Karten mit mehrfachen Nutzungsmöglichkeiten hat Charme.

Bonusaktionen

Darüber hinaus stehen wertvolle Bonusaktionen zur Verfügung. Die bekommt man so: Die eigenen Arbeiter haben einen aufgedruckten Wert (am Anfang 2 bzw. 1). Neben den Aktionen steht ebenfalls ein Zahlenwert (4, 3 oder 2). Kommen Arbeiter und Aktion zusammen auf mindestens 6, bekommt der Spieler eine Bonusaktion. Mit der Zeit können Arbeiter an Erfahrung dazugewinnen und steigen im Wert, das macht Bonusaktionen häufiger.

Reihenfolgeaktion

Bis hierhin ist Bier Pioniere ein gutes Spiel. Interessanter ist jedoch ein weiterer Aktionsbereich. Alle Spieler können einmal pro Runde eine Sonderaktion machen, die nicht nur mit reizvollen Erträgen lockt (ein bis drei Karten ziehen, ein extra Lieferwagen, ein extra Arbeiter usw.), sondern auch über die neue Spielerreihenfolge bestimmt.

Das ist ein echtes Dilemma, denn die hinteren Aktionen sind richtig gut, verweisen uns aber recht sicher auf den letzten Platz in der neuen Runde. Die vorderen Aktionen sind eher schwach, bringen uns aber direkt in die Pole-Position. Zu entscheiden, wann ich die Sonderaktion durchführe, zermartert den Spielern nicht selten das Gehirn. Was, wenn ich noch ein bisschen warte? Dann kann ich vielleicht noch eine wertvolle Hauptaktion machen und mit etwas Glück, macht mir keiner den ersten Platz streitig. Aber ich brauche in der nächsten Runde auf jeden Fall diese eine Aktion! Vielleicht gehe ich doch besser auf Nummer sicher und verzichte auf das Optimum in dieser Runde?

Verwaltungsaktionen und Spielende

Die Verwaltungsaktionen auf dem Spielertableau, von denen man sich nach und nach weitere freischalten kann, sind dann das Tüpfelchen auf dem I. Das Spielende wird eingeläutet, wenn die erste Person am Tisch 20 Siegpunkte hat. Das ist nicht viel und macht jede Entscheidung extrem relevant. Viel Raum für Fehlplanung bleibt da nicht.

Die Anleitung und das Spielmaterial

Die Anleitung ist verständlich geschrieben und macht es mit ihrer übersichtlichen Gestaltung leicht, das Spiel schnell zu lernen. Alle Spielfiguren und Marker sind aus Holz und alles ist gut zu unterscheiden. Es ist kein Insert vorhanden, was aber durch ein gutes Tütensortiersystem ausgeglichen werden kann.

Was das Design angeht, lässt das Spiel für eine potenzielle weitere Auflage Luft nach oben, korrespondierende Farben auf unterschiedlichen Materialien stimmen nicht ganz überein und die Anleitung ist leider etwas zu groß für die Box. Auch die zwei fehlenden Slots für die insgesamt sechs möglichen Ausbauten sind ein wenig schade.

Fazit: Wie gut ist Bier Pioniere?

Worker-Placements im Kennerspielebereich gibt es viele, Tiletum oder Viticulture kamen uns beim Spielen von Bier Pioniere in den Sinn. So findet sich auch vom Autor selbst eine Anmerkung, dass Viticulture sein Ausgangspunkt für die Entwicklung des Spiels war. Auch bei Bier Pioniere gibt es das übliche zentrale Spielbrett, auf dem die Arbeiter eingesetzt werden, kombiniert mit Spielertableaus, auf dem die Spieler individuelle Verbesserungen erspielen. Bei Bier Pioniere ist das Thema dabei mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und die verschiedenen Aktionen auf dem Weg von der kleinen Brauerei zum Großkonzern fühlen sich stimmig umgesetzt und super verzahnt an.

Mit einem minimalen Glückfaktor über die zufällig verfügbaren Karten und einer hohen Komplexität kommen strategische Vielspieler hier sicher auf ihre Kosten. Die vielen verschiedenen Arbeiteraktionen und Ausbaumöglichkeiten bieten verschiedene Strategien auf dem Weg zum Sieg und sorgen für einen guten Wiederspielwert. Bier Pioniere kam bei der Wilden Zockerei gut an.