Reich der Spiele

Tikal II

Tikal II von Reich der Spiele

Der vergessene Tempel

Tikal, das Spiel des Jahres 1999, war in meinen Augen eines der stimmungsvollsten Spiele, das mit jeder neu aufgedeckten Karte tiefer in den Dschungel entführte. Davon abgesehen war (und ist) es in jeder Hinsicht ausgereift, fast würde man sagen: „perfekt“.

Hohe Ansprüche also an ein neues Spiel mit (fast) identischem Namen vom selben Autorenteam. Das Thema scheint sich augenscheinlich nicht verändert zu haben: Es geht um versteckte Tempel, Entdeckungen und Schätze. Auch mit dem Design der Spielschachtel unternahm man jedenfalls keinen Versuch, darauf hinzuweisen, dass die Gemeinsamkeiten von Tikal I und II damit auch schon fast erschöpft sind.

Die Spieler erkunden nun aber keinen Dschungel mehr, um Tempel freizulegen. Vielmehr haben sie offenbar einen Tempel gefunden, dessen geheimnisvolle Räume es zu erforschen gilt. Ausgehend von einem Camp, in dem jeder Spieler während des Spiels seine Fundsachen ablegen kann, fährt ein Spieler in seinem Spielzug zunächst mit seinem Einbaum auf einem den eigentlichen Spielplan einrahmenden Fluss und hält an einer von sechs Stätten an, um dort eine Aktion auszuwählen. Mehrere Plättchen lassen ihm im besten Fall die Wahl zwischen Schatz heben, einen farbigen Schlüssel aufnehmen oder z. B. der Erkundung eines neuen Raumes. Nur in letztem Fall kommt die letzte verbliebene Ähnlichkeit zum Vorgänger zum Tragen: Der Spieler zieht eine neue, sechseckige Raumkarte und legt sie an eine beliebige Stelle des Plans. Der so entdeckte Raum beherbergt in der Regel kleinere Schätze und verfügt über maximal zwei Türen. Alle diese Dinge bringen dem, der den Raum möglichst bald betritt, Punkte.

Der zweite Teil des Spielzugs führt den Spieler mit seiner Forscherfigur in einen Raum des Tempels. Um in die Räume zu gelangen, benötigt man aber eben jene Schlüssel, die man ebenfalls an den Stätten am Fluss findet. Hat man den Schlüssel einer Farbe, können mit ihm alle gleichfarbigen Räume betreten werden. Hierbei reicht es, die Schlüssel zu besitzen. Dummerweise muss man aber zwischendurch Schlüssel abgeben, um seinen Einbaum ein Stück durch den Dschungel zu tragen und damit überhaupt die Fahrt (und das Spiel) fortsetzen zu können. Der Fluss verlässt nämlich an einer Stelle den Spielplan, während der Einbaum seine Fahrt auf dem Plan fortsetzen soll.

Räume gibt es in fünf verschiedenen Farben. Konnte man wiederholt verschiedene Räume derselben Farbe betreten, gibt das umso mehr Punkte, je mehr Räume derselben Farbe schon von dem Spieler betreten wurden. So können recht einträgliche Punkteketten gebildet werden.

Da jeder Raum über unterschiedlich viele Türen in verschiedener Ausrichtung verfügt, kann man sich die Räume meist so zurecht legen, dass manche Räume von anderen aus durch Türen betreten werden können, während andere (zunächst) weniger oder keine Zugänge erhalten. Solche Räume können dann nur mit Geheimgängen betreten werden, die man u. a. an den Stätten am Fluss findet.

Zu den Fundsachen am Fluss gehören weiter Aktionskarten, die dem Spieler unterschiedliche Vorteile bringen und Schätze, die man bei der Fahrt auf dem Fluss sozusagen en passant in Siegpunkte ummünzen kann. Der Zeitpunkt des Einlösens der Schätze spielt dabei ein wichtige Rolle, denn jedes Mal, wenn ein Schatz eingelöst wird, dreht sich ein Rad, das den Erlös für eine Schatzart verändert.

Schließlich gibt es noch Sonderwertungen, mit denen man Räume einer Farbe nur für sich selbst werten kann. Das Spiel endet, wenn – je nach Spielerzahl – eine bestimmte Anzahl Runden gespielt wurde mit demjenigen als Sieger, der all’ die Möglichkeiten, Punkte zu machen, optimal genutzt hat.

Das klingt wieder nach Optimierungsspiel, aber wie gesagt: Tikal II hat mit seinem Vorfahr kaum etwas gemein. Das fängt schon bei der Spieltechnik an: Tikal II spielt man in zwei Phasen. In jeder der beiden Phasen werden alle Aktionsplättchen einmal durchgespielt. Nach der ersten Phase gibt es eine Zwischenwertung, und es wechselt die Spielrichtung! Der in Phase eins letzte Spieler wird nun Startspieler und zwar gegen den Uhrzeigersinn. So soll der Nachteil ausgeglichen werden, dass der letzte in der Runde nicht mehr die freie Auswahl hatte.

Man ist nicht gezwungen, Plättchen (= neue Räume) aufzudecken. Vielmehr hat man oft die Qual der Wahl aus mehreren attraktiven Aktionen. Der Zeitpunkt, wann man diese nutzt, ist dabei oft entscheidend. So versucht man eher, sich einen Geheimgang zu sichern, wenn diese zur Neige gehen. Erst gegen Ende einer Phase wird man hingegen versuchen, sich die Sonderwertungen zu sichern.

Bei der Auswahl, wie man Punkte machen kann, kann man aus dem Vollen schöpfen: Neue „normale“ Räume betreten, Altar- und Geheimräume entdecken, Karten ziehen, Schätze heben und verkaufen, Sonderwertungen nutzen und schließlich Schlüssel sammeln. Das alles stellt den Spieler oft vor die (mathematische) Frage, was aktuell das Beste ist. Hinzu kommt die Aussicht auf Boni am Spielende, die man durch die Aktionskarten erhalten kann. Und ganz am Schluss kommt auch noch ein Goldraum ins Spiel, dessen erster Entdecker ihm 16 Punkte einbringt.

Das neue Tikal kann stimmungsmäßig durchaus mit seinem Namensvetter mithalten. Vielleicht nicht ganz so spannend, weil berechenbarer, aber dafür auch nicht ganz so kopflastig und damit weniger zeitraubend spielt sich Tikal II eher locker. Zur guten Unterhaltung während des Spiels trägt auch die überzeugende Materialqualität bei; alles ist fest und griffig. Nur sind Plastikfigürchen nicht jedermanns Sache. Grafisch ist alles hervorragend gelungen. Vorbildlich ist ebenfalls – neben der Spielregel – der Tiefzieheinsatz, der erdbebensicher alles in seinen maßgeschneiderten Schächten hält. So muss das sein!

Die angegebene Spieldauer von bis zu 120 Minuten haben wir trotz taktischer und vereinzelt sogar strategischer Denkzeiten in keiner Besetzung erreicht. Daher kann ich Tikal II als anspruchsvolleres Familienspiel mit Eignung für Vielspieler gerne empfehlen.

Infos zu Tikal II

  • Titel: Tikal II
  • Verlag: Game Works
  • Autor: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
  • Spieleranzahl (von bis): 2 - 4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 13
  • Dauer in Minuten: 120
  • Jahrgang: 2010

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