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Gerichtsurteil: App darf „Stadt Land Fluss“ heißen

KG Berlin lehnt Markenschutz für einen Klassiker ab

Fast etwas unbemerkt für die Spieleszene hat das Kammergericht Berlin im November 2013 ein wichtiges Urteil in einem Berufungsverfahren gesprochen (KG Berlin, Urt. v. 01.11.2013 – Az.: 5 U 68/13). Darin wird der Markeninhaberin von „Stadt, Land, Fluss“ ein Unterlassungsanspruch gegen einen Programmierer einer App mit dem Titel „Stad, Land, Fluss – Multiplayer“ abgesprochen.

Die Vorgeschichte: Der Spieleverlag Schmidt Spiele in Form seiner GmbH hat im April 1997 den Eintrag der Marke „Stadt, Land, Fluss“ beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt. Diese Marke wurde am 23.10.1998 in den Klassen 9, 16 und 28 eingetragen. Damit hat die Schmidt Spiele GmbH nicht nur das Recht, diese Marke zu benutzen, sondern auch die Pflicht, diese zu schützen.

Seit 2011 ist eine Smartphone-App für das iPhone unter dem Titel Stadt, Land, Fluss – Multiplayer im Apple Store erhältlich. Die Markeninhaberin ist unter anderem gegen diese Nutzung des Markennamens vorgegangen und hat nach einer erforderlichen Abmahnung Klage eingereicht. Das Landgericht Berlin wies diese im April 2013 ab. Im November hat das Kammergericht Berlin die Berufung ebenfalls abgewiesen und eine weitere Revision nicht zugelassen. Im Urteil heißt es unter anderem:

„Da für dieses Spiel keine Spielfiguren, Spielkarten, Spielbretter etc. benötigt werden, sondern als Mindestausstattung nur z. B. Papier und Bleistift ist es – wie die Mitglieder des Senats aus eigener Lebenserfahrung wissen  –  durch Überlieferung weitergegeben worden. Dies hat es mit sich gebracht, dass Spielweise und Regelwerk nicht feststehen, wie etwa bei einem Schachspiel, sondern von Spielgruppe zu Spielgruppe variieren können und die Spieler, etwa hinsichtlich der Kategorien, relativ frei in der Wahl der Spielbedingungen sind.“

Weiter führt das Gericht aus, dass Papier und Bleistift auch durch andere Dinge wie eine Schiefertafel oder eben ein Smartphone ersetzt werden könnten. Ferner stuft das Gericht das Spiel als Klassiker ein, das seit Jahrzehnten gespielt wird. Daran ändere auch nichts, dass die Klägerin unter dem Namen Stadt, Land, Fluss seit 2001 ein Gesellschaftsspiel vertreibe, von dem mehr als 300.000 Exemplare verkauft worden seien.

Für die Spieleszene stellen sich mit diesem sehr ausführlichen Urteil erneut grundsätzliche Fragen. Zwar zielt dieses auf die Bezeichnung eines Spieleklassikers ab, aber zwischen den Zeilen lassen sich daraus Rückschlüsse zu den Themen Marken- und Titelschutz für Spieleklassiker, Spiele generell und für das Urheberrecht von Spielmechanismen ziehen.

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3 Kommentare

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Günter Cornett 9. Mai 2014 at 10:59

Was für Rückschlüsse lassen sich denn aus dem Urteil ziehen?  Hier der Link: http://www.f-200.com/stadt-land-fluss-app-verletzt-nicht-gleichlautende-wortmarke/

Meinem zugegebenermaßen – laienhaften – Rechtsverständnis nach, gilt fürs

Markenrecht: 
Man kann keine Markenrechte an rein beschreibenden Begriffen erwerben; diese werden spätestens auf Antrag gelöscht.

Titelrecht:
Hier kommt es nur darauf an, dass Titel in ausreichendem Maß unterscheidbar sind. Das ist ja gegeben.

Urheberrecht:
Dass Spieleklassiker, die entweder ‚autorenlos‘ sind oder deren Autoren schon mehr als 70 Jahre tot sind, rechtefrei sind, ist jetzt auch keine neue Erkenntnis.

Das einzig Überraschende an diesem Verfahren ist für mich, dass Schmidt Spiele nach dem Urteil noch in Berufung gegangen ist. Diese Haltung korrespondiert irgendwie mit dem – in Bezug auf Äußerungen zum Urheberrecht stark verunglückten – Tagesspiegel-Interview von Axel Kaldenhoven: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/spielehersteller-schmidt-die-schlecker-pleite-hat-uns-kalt-erwischt/7498090.html

Ich persönlich gehe davon aus bzw. hoffe, dass man im Verlag umdenkt, und sich mehr mit dem Urheberrecht von Spielen beschäftigt, welches man ja grundsätzlich anerkennt, wenn man sich denn nur einigermaßen sicher wäre, in welchem Umfang es sich auf Spielregelwerke erstreckt.

Diese Unsicherheit teilen sich Verleger und Autoren (und Verleger-Autoren), FG Spiel und SAZ. Letztere unterstreicht ihre eigenen Zweifel am Bestehen eines Urheberrechtsschutzes für Spiele mit einem peinlichen Vorschlag zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes: http://irights.info/gregor-theado-urheberrecht-muss-fuer-spiele-autoren-nicht-veraendert-werden

Denn der wirft Fragen auf: Macht die SAZ jetzt auch eine Petition gegen die SAZ? Oder investiert sie vorher in einen Deutschkurs?

Nach wie vor gilt: Autoren, Verlage, Spieler, … sollten erstmal darüber nachdenken, was generell durch das Urheberrecht geschützt wird und in welchem Maß sich das sinnvollerweise auf Spielregelwerke beziehen lässt, bevor man völlig sinnfreie, das UrhG verstümmelnde Vorschläge veröffentlicht oder einem vermeintlichen Gegner öffentlich für eine Haltung angreift, die man auch selbst vertritt.

 

 

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Christian Beiersdorf 11. Mai 2014 at 14:49

Die SAZ hat einen klaren Standpunkt zum Urheberrecht: Spielregelwerke sind urheberrechtlich geschützt, sofern sie die allgemeinen Voraussetzungen des Urheberrechts erfüllen. Grundsätzliche Zweifel daran gibt es leider auf Verlagsseite und in einigen Fällen auch in der Rechtsprechung sowie in der juristischen Kommentierung. Solange diese Zweifel bestehen, wird sich die SAZ für eine Klarstellung einsetzen. Hier empfehle ich aktuelle Originalquellen: http://www.spieleautorenzunft.de/newsreader-de/items/spieleautoren-fordern-urheber-und-vertragsrecht-praezisieren.html.

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Günter Cornett 13. Mai 2014 at 12:05

Zunächst einmal sollte die SAZ sich entscheiden:

Ist das Urheberrecht von Spielregelwerken im Urheberrechtsgesetz eindeutig formuliert. Dann braucht es keine ‚Präzisierung‘.

Ist es nicht klar formuliert, dann sind die Angriffe auf die FG Spiel wegen deren Zweifel am Bestehen eines formaljuristischen Schutzes völlig daneben.

 

Zudem gibt es auch offizielle – nie widerrufene Äußerungen – der SAZ am Bestehen eines juristischen Urheberrechtsschutzes, z.B.:

dass die prekäre Situation für Spieleautoren nur in der Theorie besteht, denn innerhalb der Branche – zumindest bei allen renommierten Verlagen – gilt es als unbestreitbar, dass Veröffentlichungen von Autorenspielen eine Einräumung von Nutzungsrechten durch den Spieleautor voraussetzen. Dieser Ehrenkodex sollte aber auch auf eine rechtliche Basis gestellt werden, um auch „Schwarzen Schafen“ die Möglichkeit zu nehmen, sich der geistigen Leistungen anderer zu bedienen.“ SAZ-PM vom 7.7.08 http://www.hall9000.de/php/spielenews.php?startwert=406&endwert=5  oder

5. Wir fordern eine namentliche Verankerung von Spielen im Urheberrecht, um den Schutz unserer Werke deutlich zu machen und zu stärken. Zumindest ist eine Formulierung anzustreben, die Regelwerke für Spiele juristisch eindeutig unter Schutz stellt.“ Beschluss der SAZ-MV vom 4.6.2012 http://www.spieleautorenzunft.de/tl_files/files/Nachrichten-News/2012-06%20SAZ-MV%20-%20Resolution%20Urheberrecht.pdf

Dieses wiederholte Beklagen der SAZ, dass Spiele rechtlich nicht oder nicht eindeutig geschützt seien, erzeugt oder bekräftigt doch geradezu die Unsicherheiten sowohl unter Spieleautoren als auch unter Verlegern.

 

Gleiches gilt für den jetztigen Vorschlag, der an der rechtlichen Situation für Spielregelwerke nichts ändert, nichts präzisiert, aber aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der SAZ-Aktivisten plötzlich Reden und Computerprogramme zu Schriftwerken macht:

 

Aktuelle Fassung:

„§ 2 UrhG     Geschützte Werke

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme

 

Änderungsvorschlag der SAZ:

„Sprachwerke, wie Schriftwerke – einschließlich Spielregelwerke, Reden und Computerprogramme.“

 

Bisher werden Schriftwerke, Reden und Computerprogramme nebeneinander als Sprachwerke angeführt. Durch den Änderungsvorschlag werden Spielregelwerke, Reden und Computerprogramme als Schriftwerk eingeordnet.

Ein einzelner Lapsus in einem Gesetzesvorschlag? Wenn man nur zwei Wörter einfügt und dadurch der gesamte Gesetzesvorschlag zur Karikatur wird, zeigt ‚die SAZ‘, dass sie –  nicht die Spur einer Ahnung von dem hat, was ‚die SAZ‘ da – wieder mal – großspurig kund tut.

Für die Presse beschämend ist, dass das niemanden aufgefallen ist. Man verbreitet einfach nur Meldungen irgendwelcher Organisationen, ohne nachzudenken.

 

Eine die bestehende Regelung inhaltlich nicht ändernde Formulierung wäre z.B.

„Sprachwerke, wie Schriftwerke (einschließlich Spielregelwerke), Reden und Computerprogramme.“

 

Der Gedanken-los-Strich ist da völlig überflüssig.

Aber ok. Gehen wir mal davon aus, die SAZ machte einen Deutschkurs und überarbeitete ihre unglückliche Formulierung. Würde das etwas ändern?

Auch die obige Formulierung wäre überflüssig und sinnlos.

Überflüssig: Warum sollen Spielregelwerke extra erwähnt werden, nicht aber Gedichte, Romane, …? Sind sie etwas Besseres oder will man damit ausdrücken, dass Grenzfälle extra erwähnt werden müssen? Beides ist falsch. Spielregelwerke sind Schriftwerke wie andere auch.

Sinnlos: Die namentliche Erwähnung der Spielregelwerke macht nicht deutlich, dass der Schutz sich auf den gedanklichen Inhalt erstrecken soll, also sich nicht nur auf Formulierungen etc. beschränkt.
Die ausdrückliche Erwähnung von Spielregelwerken brauchte also trotzdem eine Erläuterung. Sonst könnte man meinen, dass das Urheberrecht bei demjenigen liegt, der die Spielanleitung in der veröffentlichten Form formuliert und layoutet hat. Das wäre ein Schutz, den übrigens auch Bedienungsanleitungen genießen.

Und Gedichte, deren Urheberrechtsfähigkeit allgemein nicht bestritten wird. Bei einem Gedicht ist insbesondere die Formulierung geschützt. Der gedankliche Inhalt ist oft banal: „Es ist Frühling, ich bin verliebt“ wird auf tausende verschiedene Art formuliert. Wenn jetzt Spielregelwerke durch die Erwähnung den gleichen Schutz bekommen wie Gedichte, ist nichts gewonnen, nichts präzisiert. Nur die SAZ hat mal wieder großes TamTam gemacht.

Eine Präzisierung des UrhG wäre vielleicht in der Form sinnvoll, dass ganz generell ergänzt würde, dass sich der Urheberrechtsschutz bei Sprachwerken, nicht nur auf die Formulierung sondern auch auf den gedanklichen Inhalt erstrecken kann (egal ob Gedicht, Spielregelwerk, Roman, …). Da brauchte es keine Sonderregeln für Spielregelwerke.

 

Aber wie kann man erwarten, dass eine Organisation, die sich seit Jahren völlig plan- und gedankenlos äußert, gedanklichen Inhalt urheberrechtlich geschützt wissen will?

Statt einen dämlichen Änderungsvorschlag einzubringen, könnte die SAZ bestehendes Recht klarer herausstellen, z.B. die mehr als 50 Jahre alte BGH-Entscheidung zum ‚Zahlenlotto-‚Urteil v. 17.Okt.1961 (IZR 24/60): „Nun genießen zwar Spielerfindungen als solche keinen urheberrechtlichen Schutz. Doch können schriftlich niedergelegte Spielregeln den Anforderungen genügen, die .. an ein Schriftwerk zu stellen sind. … Voraussetzung … ist aber, daß die schriftliche Niederlegung der Spielregeln eine … ausreichende eigenpersönliche Gestaltung erkennen läßt. Die erforderliche schöpferische Eigenart braucht dabei nicht auf einer eigenpersönlichen Prägung der rein sprachlichen Ausdrucksform zu beruhen, sie kann sich vielmehr auch aus einem auf individuelle Geistestätigkeit zurückzuführenden Gedankeninhalt ergeben (…).“

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