Wir schreiben das fünfte Jahrhundert nach Christus. Ganz Britannien ist von den Römern verlassen. Und als die ordnende Hand im Staate fehlt, drängen Pikten und Scoten verstärkt ins Land. Hengist und Horsa sind beauftragt sich dem Mob entgegenzustellen und Britannien zu schützen. Da dies aber offenbar nicht gut genug bezahlt wird, entwickeln die Brüder eine neue Einnahmequelle: Rauben und Plündern.
So wird Hengist gespielt
In Hengist von Uwe Rosenberg (Lookout Spiele) übernehmen zwei Spieler besagte Brüder und versuchen, sich möglichst viele Schätze an der britischen Küste zu erbeuten. Der Spielplan besteht aus drei doppelseitigen Teilen die aneinandergelegt werden. Oben ist in zwei Buchten Platz für ein Boot, in dem die Spieler ihre dreiköpfige Besatzung anlanden lassen. Für jede Bewegung, mit Ausnahme der Bewegung zwischen dem Schiff und Strand, sind farblich passende Karten abzugeben. Für das Hinterland oder einem angrenzenden Spielplanteil jeweils eine, für die Plünderung der Siedlung und der damit einhergehenden Schatzbereicherung, sogar deren zwei oder drei.
Da die Navigation ohne GPS etwas ungenau ist, kommt es direkt vor der Siedlung noch zu einigen Unwägbarkeiten. Sagen wir es einmal: Nicht alle Wege führen unbedingt dorthin, wo die Spieler hinwollen. Verdeckte Wegplättchen zeigen ein kleines Labyrinth aus Straßen, die mal geradeaus und mal mehr oder weniger stark abbiegen. So kann es kommen, dass ein Spieler einen höherwertigen Schatz leider um einen Ort verpasst und mit dem Trostpreis vorlieb nehmen muss. Hätte man doch in besseres Kartenmaterial investiert …
Neben den Farbkarten, teilweise in zweifarbiger Ausführung, gibt noch schwarze Entdeckerkarten, die neben ihrem Wert als Joker noch zusätzliche Funktionen haben. Als Spion gespielt darf ein Wegeplättchen angesehen werden, wodurch nun bekannt ist, welcher der vier Wege zum wertvollsten Schatz führt. Als Nachschubkarte können verlorengegangene Figuren zurückgeholt werden. Denn mit jedem ausgespielten Entdecker fährt das Boot eine Bucht weiter nach rechts. Ist sie am äußeren Rand angekommen, wird der Spielplanteil links abgeräumt und rechts (inklusive neuer Schätze) umgedreht angelegt. Alle Figuren, die sich dort noch befunden haben, kommen zurück in die Schachtel. Das passiert solange, bis alle Schätze aufgebraucht sind und somit ein neuer Plan nicht mehr bestückt werden könnte.
Lohnt sich Hengist?
Aus der Beschreibung wird schnell klar: Hengist ist ein reines Glücksspiel. Das ist an sich nichts Schlimmes, wenn während einer Partie zumindest etwas Spannendes, Lustiges oder sonst wie Interessantes passieren würde. Hengist hat nichts davon. Das einzige schöne an dem Spiel ist das kleine Boot, was durchaus ein Hingucker ist. Der Rest des Materials kann da nicht mithalten, wodurch auch noch der letzte Rest an Atmosphäre flöten geht.
Was aber umso ärgerlicher ist, sind Designschnitzer, die so einfach nicht passieren dürfen. Kartenglück schön und gut, es darf aber nicht sein, dass sich ein Spieler einfach durch das Ziehen der richtigen Karten, in so eine Position bringt, dass der andere Spieler nur noch staunend zugucken kann. In gefühlten 99 Prozent der Spiele läuft es so ab, dass ein Spieler so uneinholbar davonzieht.
Hauptproblem ist die Nachziehregel: Am Ende des Zuges ziehen die Spieler als Basis zwei Karten. Zusätzlich gibt es pro Figur im Hinterland eine weitere Karte, also maximal fünf. Wer sich durch Glück (das heißt, im richtigen Moment, die richtigen Karten auf der Hand zu halten) in eine gute Position gespielt hat, wird nun auch noch mit zusätzlichen Nachziehkarten belohnt (was wiederum bedeutet, mit höherer Wahrscheinlichkeit die passenden Karten zu besitzen). Mögliche Gegenmaßnahmen wie eine Begrenzung des Handlimits oder einen positiven Ausgleich für den benachteiligten Spieler gibt es nicht. Im Gegenteil, er hat noch geringere Möglichkeiten, passende Karten zu ziehen, und selbst wenn, hinkt er bis zum erlösenden Spielende nur hinterher. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer – ein durchaus stimmiges Gesellschaftsbild, in spielerischer Hinsicht ein Desaster.
Im Laufe der Jahre hat sich die Qualität der Spiele enorm erhöht. Was vor 20 oder 30 Jahren hip war, lockt heutzutage niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Wir sind verwöhnt. Auch spielerische Totalausfälle sind selbst bei Kleinverlagen äußerst selten. Umso erstaunlicher, dass ein Spiel wie Hengist, das wirkt als wäre es überhaupt nicht getestet worden, trotzdem erscheinen kann. Da ist man von Lookout Spiele und Uwe Rosenberg anderes gewöhnt!
Infos zu Hengist
- Titel: Hengist
- Verlag: Lookout Spiele
- Autor: Uwe Rosenberg
- Spieleranzahl (von bis): 2
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 7-
- Dauer in Minuten: 20
- Jahrgang: 2015
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