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Rolemaster: Grundregelwerk

Rolemaster Grundregelwerk - Foto von 13 Mann

Am 07.07.2007 war es endlich soweit: Das Rolemaster Grundregelwerk, der Klassiker unter den Fantasy-Rollenspielsystemen, der zu Beginn der 80er-Jahre erstmals erschien, feierte in einer überarbeiteten neuen deutschen Übersetzung sein Comeback. Seit dem ersten Erscheinen wurden weltweit über 2,5 Millionen Rollenspielbücher des Rolemastersystems verkauft, seien es die Regelwerke, Abenteuer oder sonstigen Ableger dieses Systems. In der nunmehr vorliegenden Fassung wurden die Regeln von Rolemaster Fantasy der 4. Edition übernommen und behutsam überarbeitet. Im Vordergrund stand hierbei, den „schlafenden Riesen“ sachte zu wecken, damit er aus der Nische der Insiderspiele an die breite Öffentlichkeit gebracht werden kann. Man darf also gespannt sein, wann der Riese seinen ersten Kaffee getrunken hat, um zur vollen Größe aufzulaufen.

Ursprünglich wurde Rolemaster von der amerikanischen Firma Iron Crown Enterprises (I. C. E.) entwickelt und erschien Anfang der 1990er erstmals in deutscher Übersetzung zunächst bei Laurin und wurde nach dessen Niedergang 1993 von Queen Games weiter betreut. Allerdings schien der deutschen Ausgabe immer ein Fluch anzuhaften, gab es doch auch bei Queen Games Mitte der 1990er Probleme, was leider auch das vorläufige Ende der Rolemaster-Reihe in Deutschland bedeutete. Im Jahre 1997 erfolgte noch einmal der Versuch, eine neue deutsche Edition zu veröffentlichen, deren Machern allerdings auch nicht viel Glück beschieden war. Und so gab es seit 1998 es keinen deutschen Lizenznehmer von I. C. E. mehr.

Die Optik

Das Rolemaster Grundregelwerk präsentiert sich fadengebunden und als Hardcover inklusive Lesezeichen. Auf 288 Seiten zeigt sich ein graphisch ansprechendes und ordentlich gestaltetes Regelwerk.Die ansehnlichen aber recht sparsam eingesetzten Illustrationen sind von namhaften Künstlern wie des Italieners Lucio Parrillo oder Jason Engle erstellt worden. Insoweit hat sich der Hersteller glücklicherweise gegen die zuerst geplanten computergenerierten Grafiken ausgesprochen und bleibt lieber bei einer „klassischen“ Gestaltung. Das auf den ersten Blick sehr dünn erscheinende Hochglanzpapier macht zunächst keinen sonderlich widerstandsfähigen Eindruck, erweist sich aber trotz häufigen Blätterns und intensiver Benutzung des Regelwerkes als erstaunlich robust.Insgesamt dürfte das Rolemaster Grundregelwerk mit Sicherheit keinen Designpreis erhalten, aber dies dürfte auch nicht die Intention der Macher gewesen. Schnörkellose Eleganz und der Schwerpunkt auf den Inhalt herrschen hier vor.

Der Inhalt.Das Grundregelwerk gliedert sich in fünf Teile: Teil I „Einführung“, Teil II „Charaktererschaffung“, Teil III „Aktionen“, Teil IV „Das System der Welt“ und in Teil V „Anhänge“. Hieran schließen sich noch Charakterbögen sowie ein überaus brauchbarer Index an.

Teil I – Einführung

Rolemaster versteht sich grundsätzlich als ein offenes System für jede beliebige Kampagnenwelt mit einem Fantasy-Hintergrund und so verzichtet das Grundregelwerk gänzlich auf eine eigene Welt oder Hintergrundgeschichte. Insofern ist Rolemaster mehr als Spielsimulation angelegt, die versucht, mit durchdachten und in sich logischen Mechanismen alle denkbaren Situationen eines Rollenspiels zu erfassen, wobei sich das System durch einen hohen Grad an Flexibilität auszeichnet, da sämtliche Regeln optional eingesetzt werden können. Im Kapitel „Einführung“ erfährt der Leser deshalb zunächst einiges über die grundlegenden Mechanismen, Definitionen und Hintergründe von Rolemaster, wobei auch der Hinweis auf weitere Publikationen des Verlages, die bestimmte Bereiche wie Magie oder Kampf vertiefen, ebenfalls nicht zu kurz kommen.

Teil II – Charaktererschaffung

Eine kurze Zusammenfassung der Charaktererschaffung leitet das Kapitel ein und stellt in acht Schritten die wesentlichen Entscheidungen und Möglichkeiten hierbei dar.Da die Erschaffung eines Charakters bei Rolemaster eine höchst individuelle Angelegenheit ist, bei der ein Charakter bis in sein letztes Detail mit den jeweiligen Werten für seinen Hintergrund ausgestattet werden kann, durchaus als aufwendig und zeitintensiv betrachtet werden.Zunächst werden die Rasse und der passende Charakterbogen ausgewählt und dann die zahlreichen unterschiedlichen Boni und Mali für die Attribute je nach Rasse und sonstigen Besonderheiten festgelegt werden müssen. Schon allein hierbei gewinnt der Charakter an Tiefe, da sowohl Spielleiter als auch Spieler sich einige Gedanken im Vorfeld des eigentlichen Spiels machen müssen. Im Grundregelwerk sind als Rassen Menschen, Hochmenschen, Waldelfen, Zwerge und Halblinge enthalten, denen sich sicherlich in späteren Publikationen noch weitere hinzu gesellen werden.

Die Charakterentwicklung glänzt mit vielen Optionen zur Hintergrundgestaltung, Ausbildung und Weiterentwicklung der neun vorgegebenen Klassen (Krieger, Schurke, Dieb, Kleriker Magier, Mentalist, Waldläufer, Trickser und Barde). Insgesamt verfügt jeder Charakter über zehn Attribute, als da wären: Geschicklichkeit, Konstitution, Gedächtnis, Logik, Selbstdisziplin, Empathie, Intuition, Charisma, Reaktion und Stärke. Diese Attribute besitzen jeweils ein temporären und potenziellen Attributswert, wobei der temporäre Attributswert Auskunft über den aktuellen Stand gibt und der potenzielle Attributswert das Maximum ist, den ein Charakter für sein Attribut erreichen kann.

Die Fertigkeiten sind in Fertigkeitsgruppen zusammengefasst und können entweder einzeln für Punkte oder als komplettes „Fertigkeitspakete“ gekauft werden. Es obliegt dem Spieler, wie er seinen Charakter ausstatten möchte und somit die Erschaffung des Charakters erheblich vereinfacht und beschleunigt. Hintergründe für Charaktere können bereits vorgefertigt übernommen werden, von zusätzlichen Sprachen, Würfe zur Attributserhöhung bis hin zu magischen Gegenständen.

Teil III – Aktionen

Rolemaster kennt für sämtliche Handlungen der Charaktere nur einen Begriff: Aktionen. Die Regeln hierzu lassen sich im Grunde ganz einfach zusammenfassen:Man würfelt einen W100, addiert zu diesem Ergebnis den jeweiligen Boni seines Charakters und vergleicht dieses Ergebnis mit den Vorgaben der jeweiligen Tabellen für die Situation. Die Systematik des Würfelns gilt für die zahlreichen Fertigkeiten entsprechend.Wer bereits einige Erfahrung als Rollenspieler hat, sollte mit diesem System keine größeren Probleme haben. Einsteiger dürften sich am Anfang unter Umständen mit der Fülle von Tabellen schwer tun, doch hier gewinnt man recht schnell den Überblick.

Rolemaster verzichtet auf ein eigenes Kapitel zum Thema Kampf und behandelt diesen wie Fertigkeitsproben, Bewegungen und andere Manöver. Allerdings werden die mit dem Kampf zusammenhängenden Aktionen und Würfe durch Tabellen mit unzähligen Angriffsoptionen, Schadenstabellen und unterschiedlichen Kampfmanövern ergänzt und vertieft.Der Kampf selbst besteht aus fünf Phasen: Zunächst müssen die Spieler ihre geplanten Aktionen ansagen, danach wird die Initiative bestimmt. Handlungen können in der Blitzaktionsphase, der normalen Aktionsphase oder der Überlegtenaktionsphase ausgeführt werden. Insgesamt gilt es also bis zu drei Handlungsmöglichkeiten aufzuteilen, die aber insgesamt höchstens 100 Prozent der Aktivität betragen dürfen. Ein Angriff wird mit einem W100 gewürfelt, wobei das Ergebnis durch den eigenen Offensiv- beziehungsweise den Defensivbonus des Verteidigers modifiziert wird. Hierbei finden sämtliche Faktoren wie zum Beispiel Waffe, Waffenfertigkeit, aufgewendete Aktivität, Position gegenüber dem Gegner Berücksichtigung. Der Schaden lässt sich dann aus der entsprechenden Tabelle aus dem Anhang ablesen. Je nach dem Umfang des Schadens, erhält man Schadenscode, bestehend aus Treffern und eventuell einem Buchstaben, der kritische Treffer anzeigt, wobei kritische Treffer nochmals auf gesonderten Tabellen gewürfelt werden.

Insgesamt gibt es bei Rolemaster drei Arten der Zauberei: Leitmagie, Essenzmagie und Mentalismus. Jeder dieser Magiearten sind Spruchlisten zugeordnet, die wie Fertigkeiten zu erlernen sind, wobei das Grundregelwerk hier ein umfangreiches Magiesystem mit insgesamt knapp 500 verschiedenen Zaubersprüchen der Grade eins bis zehn anbietet. Ähnlich wie beim Kampf gibt es auch im Bereich Magie kein „besonderes“ System, da auch hier die grundlegenden Mechanismen für Aktionen gelten. So wird, unter Berücksichtigung des Fertigkeitsranges sowie der jeweiligen Modifikationen, auf die entsprechenden Fertigkeiten mit einem W100 gewürfelt und das Ergebnis mit den passenden Tabellen festgelegt.

Wem das alles nicht genügen sollte, dem sei der Quellenband Rolemaster Zauberbuch empfohlen, die weitere Spruchlisten mit über 2.000 Zaubersprüche aus verschiedenen Magiebereichen enthält oder aber das Rolemaster Kampfhandbuch, welches mit Informationen über neue Waffen und kritische Treffer, sowie neuen Fertigkeiten, Berufen und Ausbildungspaketen aufwarten kann.

Teil IV – Das System der Welt

In diesem Teil werden die verschiedenen Elemente eines Fantasy-Rollenspiels und einige Probleme und Situationen dargestellt und erläutert, die während des Spiels auftreten können. Themen sind hierbei unter anderem die Entwicklung und Ausarbeitung von Szenarien und deren Handlungsschauplatz ebenso wie Verletzung, Tod und Heilung, magische Gegenstände, Religion, Wirtschaftssysteme, die Gestaltung und von Nichtspielercharakteren und die Vergabe von Erfahrungspunkten. Wem dies noch nicht reichen sollte, wird auf das noch ausstehende Rolemaster Spielleiterhandbuch verwiesen, das sich naturgemäß noch ausführlicher und intensiver mit diesen Themen auseinandersetzen wird. Allerdings reichen die im Grundregelwerk vorgestellten Aspekte und Ideen vollkommen aus, um sich auch ohne jegliche Ergänzung Anregungen für seine eigene Welt oder sonstige Bereiche zu holen.

Teil V – Anhänge

Mit rund 180 Seiten nimmt dieser Teil des Regelwerkes den meisten Platz ein und enthält die bereits oben erwähnten elf Anhänge, die von zweiseitigen Beschreibungen der einzelnen Völker, deren Berufe, Attribute und Fertigkeiten bis hin zu Ausbildungspaketen, Kreaturen, Sprüchen und Spruchlisten alles beinhaltet, was man an Werten benötigt, um seinen Charakter mit Leben zu füllen. Kopiervorlagen für Charakterbögen runden den Anhang ab.

Fazit

Das Versprechen, mit der neuen Übersetzung von Rolemaster einem neuen Design auf über 280 Seiten und mit optimierten Regeln, einer Fülle von Ideen, Regeln und Mechaniken für Spieler und Spielleiter zu bieten, wird meines Erachtens nach zur Gänze eingehalten. Selbst Veteranen der vorhergehenden Editionen dürften feststellen, das Rolemaster durch die gelungene Neubearbeitung nichts von seiner Komplexität eingebüßt hat.

Der einzige Mangel dürfte die Gestaltung von „Teil II – Charaktererschaffung“ sein. Hier hätte ich mir gewünscht, die in „Teil V – Anhänge“ untergebrachten Abschnitte zur Charaktererschaffung und –gestaltung wären in Teil II eingearbeitet worden. Dies hätte zumindest einiges an rumblättern erspart und die Charaktererschaffung wäre in sich geschlossener gewesen – aber das ist auch schon der einzige negative Punkt. Mir persönlich hat das Konzept der Charaktererschaffung aber dennoch sehr gut gefallen.

Das Grundregelwerk wendet sich an Spieler und Spielleiter, die Wert auf logische und konsequente Regelprinzipien legen und dennoch möglichst flexibel sein wollen. Im Gegensatz zu seinem vermeintlich schlechten Ruf als „Rulemaster“ ist Rolemaster nicht schwerer in seiner Handhabung, als andere komplexe Rollenspielsysteme. Hat man sich erst einmal mit den grundlegenden Mechanismen des Spieles auseinandergesetzt, sind die auf den ersten Blick zahllos erscheinenden Tabellen des Bandes mit ihren Abkürzungen und Zeichen längst nicht mehr nervend oder furchteinflößend.

Ich finde, dass Rolemaster der Aussage wirklich Rechnung trägt, ein Baukastensystem zu sein, dessen Elemente sich leicht voneinander lösen und miteinander kombinieren lassen. Es enthält dabei – ganz nach Wunsch – genug Regeln um die spielerische Realität auf eine effektive Weise abzubilden ohne dabei den Erzählfluss zu unterdrücken. Als Spielleiter ist man dabei entgegen allgemeiner Vorurteile längst nicht gezwungen, für jede Aktion oder Kampfsituation das System bis ins letzte Detail auszureizen, und hat immer genügend Platz für eigene Ideen.

Neulinge und Einsteiger, die auf der Suche nach einem passenden System sind, seien an dieser Stelle allerdings gewarnt. Wer auf der Suche nach einem einfach strukturierten Fantasy-Rollenspiel ist, bei dem schier unbesiegbare Helden auf diverse Monster einprügeln, dürfte bei Rolemaster unter Umständen schlecht aufgehoben sein, da die Regeln doch einige Übung brauchen und bei Rolemaster auch die Schwächen eines Charakters eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Wer aber seine Freude daran hat, komplexe Charaktere zu erschaffen und vielleicht sogar in einer selbst geschaffenen Welt zu spielen, bekommt mit den Grundregelwerk ein ambitioniertes System zur Verfügung gestellt, das unglaublich viele Entwicklungsmöglichkeiten besitzt und sich deutlich von den zum Teil doch recht farblosen marktüblichen Regelwerken abhebt. Meinem Erachten nach ist der „schlafende Riese“ Rolemaster sehr gut wach geworden und macht sich nach einem ausgiebigen Frühstück frisch gestärkt auf zu seinem Siegeszug.

Unser Tipp
Hinsichtlich der Errata besteht auf der Webseite ein eigener Link zu einer Fehlerliste, die erstaunlich kurz ist und in absehbarer Zeit sicherlich auch nicht weiter wachsen wird. Erfreulicherweise nimmt die Redaktion die entsprechenden Hinweise und Anregungen der Kunden ernst und verspricht, diese in der nächsten Auflage zu korrigieren. Die ohnehin vorbildliche Internetseite stellt neben zahlreichen Infos und Downloadmöglichkeiten unter anderem auch jeden Monat ein neues Monster vor.

Infos zu Rolemaster: Grundregelwerk

  • Verlag: 13 Mann, Die Sonnenfeste
  • Autor: Coleman Charlton, John Curtis, Pete Fenlon, Steve Marvin
  • Jahrgang: 2007

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