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Nürnberg 2010: Wo bleibt der Reiz?

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Wenig Innovation in der Spielewelt

Als ich im Februar 2010 auf der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg war, habe ich die vielen Neuheiten zur Kenntnis genommen. Und irgendwie nur zur Kenntnis genommen. Es war einfach kein Spiel dabei, dass mich sofort zum Spielen animiert hätten.

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Ich möchte nicht falsch verstanden werden, das ist ein Jammern auf allerhöchstem Niveau. Die letzten Jahre haben die Verlage die Spieler, auch die Kinder und Familien, immer wieder mit schönen Spielen verwöhnt. Aber ein Aspekt drängt meiner Meinung nach immer mehr in den Vordergrund: Spiele ähneln sich allein optisch alle sehr. Viele kleine Holzwürfel, ein paar Figuren und Pappplättchen und schon vermuten Spielefreaks ein tolles Spiel für Vielspieler. Ein kleiner Holzpirat, eine Hexe, ein nettes Boot, ein Magnet und schon haben wir ein ansprechendes Kinderspiel. So einfach ist das eigentlich. Die Themen sind austauschbar und kehren doch immer wieder, die Mechanismen sind nicht neu, es gibt eine Art Entwicklungsstillstand.

Auch hier möchte ich nicht falsch verstanden werden: Es gibt tolle Spiele, die ich auch immer wieder gerne spiele. In letzter Zeit mehren sich bei mir aber die Eindrücke, dass es eher darauf ankommt, bekannte Sachen wohl zu kombinieren, um etwas Gutes zu produzieren. Auch ist die Masse der Spiele handwerklich einfach solide gemacht. Vielleicht ist es das aber: Autoren und noch viel mehr die Verlage setzen auf Nummer sicher und gehen wenig Risiken ein. Was soll man auch ein innovatives Spiel bringen, das keinen Käufer findet, wenn gleichzeitig ein handwerklich gutes Produkt die gewünschten Verkaufszahlen erreicht?

Was meine ich nun eigentlich: Ich ging durch die Hallen der Spielwarenmesse und habe ehrlich gesagt so gut wie kein Spiel gefunden, das ich mir sofort kaufen möchte. Nun sind die Spiele in Nürnberg nicht spielbar und nur durch eine Regelerklärung hat man keinen Spaß oder kann einen Eindruck bekommen. Aber es reizt mich auch keins, gleich loszuspielen. Und wenn mein Eindruck ist, dass ausgerechnet Hasbro mit noch einmal ausgerechnet der Monopoly-Version Monopoly U-Built vor dem Hintergrund der bekannten Verlagspolitik mit am innovativsten erscheint, dann versteht man mich eventuell. Wenn Hasbro etwas aus seiner Haut kann, warum dann nicht andere Verlage?

Ganz ehrlich: Wo ist das Spiel, das optisch sofort zum Losspielen reizt? Sicher, wenn ein neues gutes Spiel auf dem Tisch liegt, freue ich mich, spiele es gerne und küre es vielleicht sogar zu meinem Lieblingsspiel. Zuletzt geschehen bei Macao und Vasco da Gama. Aber auf eine Art, dass ich Bekanntes vor mir habe, das neu zusammengesetzt wurde und mir die Spieltiefe oder der Spaß Freude bereitet. Das heißt: Das Spiel ist handwerklich eben gut. Wenn ich es ab er auf einer Messe oder im Laden „nur“ sehe, wäre es dann meine erste Wahl? Würde mich die hundertste Variation eines Mittelalter-Städtebau-Spiels noch reizen? Würde ein weiteres Stichspiel meine erste Wahl sein? Würde ein neues Weltraum- oder Besiedelungsszenario in meine Einkaufstasche wandern? Beide genannten Spiele hätte ich mir als Nicht-Rezensent auf Grundlage allein von Spielregeln, Optik, Erfahrungsberichten usw. wohl nicht gekauft. Auch wenn ich beide Spiele wirklich sehr mag, hätte ich es vermutlich nicht einmal bereut.

Zwischendurch haben die deutschen  Autoren und Verlage die Entwicklung bestimmt. Dann kamen Italiener, Franzosen und Osteuropäer. Sie zeigten in Nuancen, dass handwerklich gute Spiele auch mit besinnungslosen Spielspaß oder frischen Herausforderungen kombinierbar sind. Das tat der Spieleentwicklung extrem gut. Aber diese Entwicklung passt sich  grenzübergreifend an und am Ende gibt es einen neuen, verbesserten spielerischen Mainstream – für Freaks wie für Gelegenheitsspieler oder Kinder!

Natürlich gab es in Nürnberg schöne Spiele zu sehen. Aber wenn das besagte Monopoly, ein politisch absolut unkorrektes Revolution oder ein Snapshot, was ein stinknormales Geschicklichkeitsspiel ist, mir positiv in Erinnerung bleiben, weiß ich, dass ich wirklich Neues vermisse. Wo sind die unverbrauchten Gesamtkunstwerke? Wo sind die neuen Techniken und Materialien? Wo sind die neuen Mechanismen? Wo sind die wenigstens selten benutzten Themen?

Es ist vielleicht, aber sicher nicht nur eine persönliche Sicht, vielleicht ein Einstellungsproblem. Auf jeden Fall ein Jammern auf höchstem Niveau. Aber andererseits ist es auch in meinen Spielerunden unübersehbar: Alt bewährt und gut wird leider langsam langweilig. Frische Konzepte braucht das Spielerland.

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11 Kommentare

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Anonymous 7. Februar 2010 at 18:52

Hallo Werbe-Michael, 😉

Was kannst Du denn solchen Angeboten wie Dixit, Gift Trap, Space Allert oder Gonzaga abgewinnen?

Meinst Du, dass diese Spiele zu den gut verkauften Spielen gehören? Ich mag ihnen eine gewisse Frische zu sprechen. Aber genau damit stehen sie sich selbst im Weg.

Im Müller Markt konnte ich beobachten, mit welcher Begeisterung  die potenziellen Käufer vor den neuen Varianten von Monopoli, Uno, Aktiviti (schreibt man das so?) standen. Carcassonne zum 8. Mal und das Dutzend wird bestimmt noch voll.

Das verkauft sich aber. DIE Kunden verlangen NICHST ANDERES! und sind zufrieden. Der Produzent traut sich "nichts anderes" in die Regale zu stellen und kann sich Alternativen auch nicht leisten – wenn es in den Regalen kleben bleibt.

Ich habe mir auf der Messe den Mattel ?Stand? angesehen. Es werden gezielt die Lizenzen von erfolgreiche Produkten zusammen gekauft und vermarktet. Das Teil wird so oft gewandelt, bis es für Junior und Senior, für drinnen und draußen passt. Und! Mattel ist ein international erfolgreicher Konzern.
Ich weiß gar nicht, wie es dazu kam, dass die mit einem Brettspielgruppen-Fuzzi aus der bayerischen Provinz ein Gespräch wollten. 🙂

Meiner Meinung nach bist !Du! schuld. Kaufe innovative Spiele und Du wirst dem Produzenten eine Freude mit seiner Arbeit bereiten.

Liebe Grüße

werbefreier Nils (der sich fragt, ob Yvio es schaffen wird)

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Anonymous 8. Februar 2010 at 14:29

Hallo Michael:

in den letzten Jahren hat es doch sehr viele gute bis sehr gute Spiele gegeben, die zahlreiche Kategorien und auch Themen abgedeckt haben, (von Seuchen, über Oper bis Bergminen und was sonst noch alles) Auch die Grafiken sind in den letzen Jahren immer realistischer und atmosphärischer geworden, was doch auch ein Schritt nach vorne darstellt.

Wie könnte ein Spiel auch noch etwas revolutionär neues bringen, wenn alle Themen bereits Verwendung fanden und in einem Spiel lediglich aus Pappe, Holz oder Kunststoff eine ansprechende und spannende Welt geschaffen werden soll? Gerade in diesem Hinblick bin ich schon begeistert, was man oft aus so wenig Material machen kann. Mich langweilen dagegen die batteriebetrieben Plastikbauten der amerikanischen Hersteller, die zwar auf den ersten Blick spektakulärer erscheinen, dann oft aber nur kurzen Spielspaß bieten.

Ich denke, die wirklich revolutionären Zeiten für Brettspiele werden erst wieder kommen, wenn die Spielwelten mit Hilfe von E-Paper auf den Tisch gebracht werden und die Spieler mit Hilfe eines Mini-Computers dabei unterstützt werden, viel komplexere Szenarien und Zusammenhänge zu erschaffen und zu verwalten. Gerade auf diese elektronische Weise könnten auch Wenigspieler viel schneller in neue Spielwelten eintauchen, da der Computer Regeln erklärt und ungültige Zügen unterbindet.

Mich würde aber interessieren, ob du beschreiben kannst, welche Art von Spiel dich "anmachen" würde, geht es hier mehr um Grafik oder um das Thema. Die Mechanismen — selbst wenn sie einen anmachen — ersieht man ja nicht auf den ersten Blick.

Gruß

Jürgen

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Ralf 18. Mai 2010 at 00:06

Hallo Leute,

  ich lese den interessanten Beitrag von Michael und die folgende Diskussion erst heute, Mitte Mai 2010. – Sie spiegelt ein hochinteressantes Dilemma wieder, die ich immer wieder bei mir und im Kreise von Kollegen erlebe.

  Einerseits wollen die Spieler (insbesondere die Vielspieler) immer wieder Innovationen, Neues und Frisches. Aber auch der Familienspieler freut sich im Prinzip über neue Themen und Materialien (von Mechanismen spreche ich nicht, da dieser Spielertypus ein gutes Ineinandergreifen von Mechanismen zwar annimmt, aber sie nicht bewusst wahrnimmt). – Und genau das finde ich in relativ vielen Prototypen: wir Autoren sind – glaube ich – durchaus wagemutig und bereit, ungewöhnliches auf den Markt zu bringen.

  Aber die Verlage (jedenfalls die deutschen, und ab einer bestimmten Grösse, was über den reinen Kleinverlag hinausgeht) sind sehr konservativ und zurückhaltend. Es gibt natürlich Ausnahmen, wie z.B. Spielthemen á la Psycho-Pet von Goldsieber beweisen. Aber diese Firma ist in gewissem Maß eine Ausnahme, da sie vom Simba-Konzern unterstützt wird und nicht unbedingt auf hohe Verkaufszahlen schauen muß.

  Doch dadurch, daß die meisten Spieleverlage äußerst knapp wirtschaftlich kalkulieren müssen, gehen "Ausreisser" selten. – Und so greifen wir Autoren (oder spätestens die Redakteure) auf harmlose, ‚weiche‘ Themen zurück, die nicht zu politisch sind und keinen Durchschnittskäufer stören.

  Ich hätt’s auch gerne anders… und versuche immer wieder, innovativ    u n d    massentauglich zu sein. – Aber das ist fast die Quadratur des Kreises.

 

Herzlichen Gruß, Ralf

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Gernot Donner 6. Juni 2010 at 10:02

Vor der  Leistung des Spieleerfinders muss man gerade als Rezensent und Kritiker bescheiden bleiben, da man ja selber keine Spiele erfindet, aber trotzdem mitredet.

Im übrigen kann man ja selber, die Spiele, die man mag, weiterentwickeln, mit anderen, die das Spiel auch genug mögen, um diese Zeit und Kraft hineinzutun. Mit Hausregeln und Zusatzregeln, und sogar mit selbstgemachten Erweiterungen. Auf "boardgamegeek" gibt es viele Beispiele, wo Liebhaber  Varianten mit verschönertem Material angefertigt haben. Auch mal ohne neue Spielregeln. Vielleicht dennoch ein Wiederbringer.

Daher denke ich: Spiel war gut, ist jetzt aber langweilig geworden, muss nicht sein. Tun wir doch selber was dagegen.

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