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Spiele-Klassiker von EON

Cosmic Encounter von Gerhard Fieseler

Der Zeit voraus

Als Anfang der Siebziger Jahre die beiden zu dem Zeitpunkt arbeitslosen Amerikaner Bill Eberle und Peter Olotka davon lasen, dass es jemandem gelungen war, durch die Erfindung eines Spiels 50.000 Dollar zu verdienen, wollten sie genau das auch versuchen. Sie begannen mit der Entwicklung eines Science-Fiction-Spieles. Die Zeit zog sich hin, zwei Jahre später kamen Jack Kittredge und Bill Norton hinzu und das Spiel nahm endgültige Formen an: Cosmic Encounter war geboren.

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Ascalion von Gerhard FieselerDie Frage, wie man das Spiel nun aber verkaufen sollte, war ein großes Problem. Verlage lehnten ab. So kamen das Team schließlich zu dem Entschluss, das Spiel selbst zu produzieren. Mit Hilfe des Schriftstellers Edward Horn, der das nötige Geld besaß, gründeten sie den Verlag EON und veröffentlichte 1977 Cosmic Encounter.

Der Erfolg war so überwältigend, dass eine ganze Serie von Erweiterungs- und Ausbausätzen erschien. Diese erweiterten das Spielsystem einer Weise, dass es schließlich zu Inkompatibilitäten kam und nicht jede Ergänzung mit jeder anderen zusammen spielbar war.

In Deutschland wurde Cosmic Encounter lange Zeit in Insider-Kreisen als Geheimtipp gehandelt und von Interessierten aus Amerika importiert. Es dauerte lange bist sich 1985 die Firma ASS entschied, Cosmic Encounter als König der Sterne auf den deutschen Markt zu bringen. Allerdings fand das Spiel nicht den gleichen Anklang wie in Amerika, eine – für den Fall eines Verkaufserfolgs in Erwägung gezogene – Möglichkeit, Erweiterungen zu veröffentlichen, wurde schnell wieder fallen gelassen. Bald verschwand auch das Grundspiel wieder vom Markt. Der wesentliche Grund für die geringe Resonanz war sicher die Tatsache, dass König der Sterne nur für maximal vier Spieler vorgesehen war, Cosmic Encounter aber erst mit fünf oder sechs Teilnehmern seinen vollen Reiz entfaltete.

Sechs Jahre später wagte Hexagames einen neuen Versuch. Die amerikanischen Rechte waren inzwischen an die Firma Mayfair übergegangen, die aus der Fülle der Ergänzungen die besten Teile heraus gefiltert und einige Regeln leicht modifiziert hatte, sodass ein rundes Ganzes entstand. Hexagames übernahm diese Ausgabe, die auch für bis zu sechs Spieler geeignet war unter seinem Originaltitel Cosmic Encounter. Da das Spiel unbedingt bis zu den Spieltagen in Essen fertig sein sollte und im Schweinsgalopp produziert wurde, litt das Material. Insbesondere die Farben stimmten in Plan und Karten nicht überein und waren zum Teil nur schwer zuzuordnen. Außerdem fehlte bei den ersten Exemplaren noch die Spielregel und musste nachgeordert werden (die Druckerei war nicht schnell genug fertig geworden).

Mit dieser Ausgabe lag nun aber trotz dieser Mängel eine Version vor, die auch in Deutschland ein Erfolg hätte werden können – wenn nicht Hexagames bald darauf die Pforten hätte schließen müssen und damit der Support für Cosmic Encounter einschlief. So wurde leider auch nichts aus einer geplante Zeitschrift zu Cosmic Encounter: Die Artikel waren zwar schon geschrieben, aber die Zeitschrift erschien nie.

Schließlich startete Hasbro einen dritten Versuch, Cosmic Encounter auf dem deutschen Markt zu etablieren. Dabei wurde das Material in der für diesen  Verlag typischen Weise mit viel Plastik mächtig aufgemotzt, worunter aber die Übersichtlichkeit litt. Da Hasbro den von ASS bei König der Sterne gemachten Fehler wiederholte, das Spiel zunächst nur für maximal vier Spieler anzubieten, ist ein erneutes „Ende“ von Cosmic Encounter beinahe vorprogrammiert.

Der Erfolg von Cosmic Encounter in Amerika beflügelte Eberle, Olotka, Kittredge und Horn (Norton Buzzle von Gerhard Fieselerhatte inzwischen das EON-Team wieder verlassen) zu neuen Taten. 1979 erschien Darkover, das wohl verrückteste Spiel des Verlages. es basiert auf dem gleichnamigen Romanzyklus von Marion Zimmer Bradley und hatte ein Fantasy-Thema. Gewisse Verwandtschaften zu Cosmic Encounter waren nicht zu übersehen (es gab zum Beispiel auch hier verschiedene Fähigkeiten für jeden Spieler), aber vieles war neu. Zum Beispiel gab es das Spielelement, einen anderen Spieler richtig einzuschätzen, ob er eine (zu Spielbeginn gemeinsam festgelegte) Aufgabe erfüllen würde. Oder einen Papier-Stein-Schere-Kampf auszutragen und im Falle eines Unentschiedens ein „Psycho-Duell“ folgen zu lassen: Dem anderen Spieler in die Augen zu sehen und solange zum Beispiel „Please don’t burn!“ (oder einen anderen beliebigen Spruch) zu wiederholen, bist einer lacht oder wegschaut. Diese seltsamen, an Party- (Aha) oder Kinderspiele (Armer schwarzer Kater) erinnernden Spielelemente führten wohl dazu, dass Darkover in Deutschland bisher nicht erschien.

Ebenso fehlt auch Quirks (erschienen 1980) bis heute in den Programmen deutscher Verlage. Im Grunde ist Quirks ein Kartenspiel, das sich mit dem damals (noch) seltenen Thema Evolution beschäftigte. Jeweils eine Pflanze, ein Pflanzen- und ein Fleischfresser gehörte jedem Spieler. Dieser versuchte, seine Lebewesen zu verbessern und in unterschiedlichen Lebensräumen die Übermacht zu erlangen. Ohne Frage kann Quirks als der Urahn der Spielideen zu Tyranno Ex, Ursuppe oder Evo gelten, ohne dass diese abgekupfert wären. EON machte bei Quirks von dem bei Cosmic Encounter eingeführten Erfolgsrezept Gebrauch und ließ zwei Erweiterungen folgen, die aber das grundlegende Spielprinzip nicht veränderten.

Die Looser aus Cosmic Encounter von1981 wurde zum produktivsten Jahr von EON: Mit Hoax und Runes erscheinen gleich zwei Spiele, die es sogar auf den deutschen Markt schafften. 1989 mutierte Hoax zu Sein oder Nichtsein von Hexagames, Regeländerungen gab es keine, aber an der Grafik schon: Hier leisteten sich die Verantwortlichen bei Hexagames den Gag, die Charaktere mit den Gesichtszügen von Mitgliedern der damaligen „Jury Spiel des Jahres“ zu versehen (das Verhältnis des Verlags zur Jury war nicht immer das beste). So taucht im Spiel Dr. Bernward Thole als „Kaiser von China“ auf und der Papst ist unschwer als Tom Werneck zu erkennen – herrlich!

Mit dem Niedergang von Hexagames verschwand dieses Spiel vorerst, 1999 tauchte es unter dem Namen Die Erben von Hoax wieder auf. Dieses Mal allerdings verändert: Die Macher (als Co-Autor der EON-Crew wird Volker Hesselmann genannt) von Die Erben von Hoax fügten als weiteren Charakter den Händler hinzu und führten eine Punktwertung ein, die dem oft abrupten Spielende des Originals entgegenwirkte. Die Variationen wurden mit dem Autor Kittredge abgesprochen, der zwar zustimmte, aber die Originalfassung weiterhin für die bessere hielt.

Sein oder nicht sein/Die Erben von Hoax von Gerhard FieselerRunes erschien in Deutschland bei Franjos (1994) unter dem den Titel Buzzle (zusammengezogen aus BUchstaben-puZZLE). Es dürfte das „normalste“ EON-Spiel sein. Es ist ein Buchstaben Spiel, bei dem man die von den Mitspielern willkürlich gewählten Worte heraus bekommen muss. Das gab es schon öfter, aber EON kam auf die Idee, jeden Buchstaben zu „zerschneiden“. Bei Buzzle fragt man nach Fragmenten der Buchstaben – zum Beispiel, ob sie lange gerade Teile enthalten oder kleine Bögen. Punkte gibt es für jede mit „ja“ beantwortete Frage und richtige Tipps.

In den USA folgte 1982 noch Borderlands, zu dem im Folgejahr wieder zwei Erweiterungen nachgereicht wurden. Die Rohstoffproduktionen, der Handel und der Einsatz ähnelt etwas dem Prinzip von Die Siedler von Catan, jedoch hat Borderlands keinen variablen Spielplan und Kämpfe sind ein wichtiges Spielelement. Die deutsche Ausgabe von Borderlands hieß Ascalion und erschien bei Edition Spielkunst. Die Grund- und Ausbausets wurden dabei zu einem Spiel zusammengefasst, was dem Spielreiz sicher gut tat. Zu den Eroberungs- und Entwicklungselementen des Grundspiels kamen Religion und Wissenschaft, die das Spiel wesentlich beeinflussen können. Die Regel wurden etwas angeglichen, als Autor wird außer dem EON-Team noch Mick Ado (Pseudonym von Peter A. Gehrmann) genannt.

Nach der Veröffentlichung von Borderlands musste EON aufgeben. Die Autoren hatten immer mehr gemerkt, dass ihnen das Erfinden und Entwickeln von Spielideen viel eher lag als deren Veröffentlichung und Vermarktung. Sie entschieden sich, Lizenzen an ihren Spielen zu vergeben und Auftragsarbeiten für Verlage zu übernehmen. Von den dabei entwickelten Spielen hat keines mehr die Qualität der sechs EON-Spiele erreicht. Informationen darüber sind in Europa nie groß publik geworden.

Vielleicht war EON seiner Zeit voraus und befand sich im falschen Land. Würden solche Spiele heute in Deutschland erfunden und in einem großen Verlag herausgebracht, fänden sie sicher die verdiente Beachtung. Die Spiele wurden hier Hauptsächlich von kleineren Verlagen veröffentlicht und sind von der breiten Masse nicht wahrgenommen worden.

In den USA finden erst in der letzten Zeit Spiele in dem Genre „German Games“ Beachtung. Dort hätten sich die EON-Spiele gut einordnen lassen. Damals war EON mit seinen Ideen der Zeit voraus. So bleibt aber die Empfehlung, Spiele von EON zu testen, wenn man Gelegenheit hat – egal ob deutsche oder englische Ausgaben. Man wird sie lieben oder hassen lernen. Dazwischen gibt es meist nicht viel.

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