Die Spieleautorenzunft zwischen Anspruch, Ruf und Lobbyarbeit
Friedemann, du bist seit Kurzem neuer Vorsitzender der Spieleautorenzunft (SAZ). Was genau möchte die SAZ erreichen?
„Das allgemeine Ziel ist so formuliert: Die SAZ vertritt die Rechte und Interessen der Spieleautorinnen und -autoren. Sie fördert angehende Spieleautorinnen und –autoren und setzt sich für eine Stärkung des Kulturguts Spiel in der Gesellschaft ein.“
Warum bist du zur Wahl angetreten?
„Ich bin zur Wahl angetreten, da ich mich mit dem Ziel der SAZ 100 Prozent identifizieren kann. Ich war mit der bisherigen Arbeit der SAZ nicht unzufrieden. Die SAZ leistet gute Arbeit bei der Beratung ihrer Mitglieder vor allem in Vertragsfragen. Außerdem ist die SAZ seit Neuestem im Deutschen Kulturrat vertreten und hat damit ihre gesellschaftliche Position verbessert. Das Problem bleibt aber immer noch, dass nicht viele von der guten Arbeit der SAZ wissen. Hier sehe ich meine Aufgabe. Ich bin ein viel Reisender und kann dadurch der SAZ ein Gesicht geben. Ich werde versuchen, auf den vielen Veranstaltungen, die ich besuche, auch über die Tätigkeiten der SAZ informieren.“
Es gab in den letzten Jahren zum Teil scharfe Kritik an der Arbeitsweise der SAZ-Vorstände. Diese wurde – offenbar mangels interner Alternativen – in der Öffentlichkeit ausgetragen. Wird die SAZ unter deinem Vorsitz wieder mehr interne Kommunikation pflegen?
„Natürlich ist die Stärkung der internen Kommunikation eine wichtige Aufgabe unserer anstehenden Vorstandsarbeit. Das Bild, dass es in der SAZ einen Mangel interner Kommunikationsalternativen gibt, ist sicherlich nicht komplett falsch, aber ich habe für mich immer das Gefühl gehabt, dass meine Meinung gehört wurde, auch bevor ich Vorsitzender wurde, und wir auch konstruktiv gearbeitet haben. Ich habe immer die entsprechenden Ansprechpartner gefunden.“
Wird es das von einigen Mitgliedern geforderte interne Forum oder ähnliches geben, in dem sich alle kritisch zu Wort melden können?
„Es wird in der nahen Zukunft ein internes Forum geben, in dem sich alle Mitglieder kritisch zu Wort melden können, allerdings konnten sich schon vorher alle Mitglieder kritisch zu Wort melden – auch ohne Forum.“
Wird die SAZ zukünftig versuchen, Kritikern sachlich zu begegnen? Zuletzt gab es unter anderem ein Fall, dass ein SAZ-kritisches Posting im Forum der Spielbox augenscheinlich auf Drängen der SAZ gelöscht werden musste.
„Meiner Meinung nach ist die SAZ in der Vergangenheit Kritikern gegenüber immer sachlich begegnet. Dass ein Posting gelöscht werden musste, lag in keiner Weise an der Kritik als solcher, sondern an der Form der Kritik. Die Form der Kritik wurde so geäußert, dass dadurch Persönlichkeitsrechte einzelner SAZ Mitglieder verletzt wurden, und da muss sich die SAZ natürlich schützend vor alle Mitglieder stellen und dies musste der Forumsbetreiber dann ja auch einsehen, sonst wäre das Posting wohl kaum gelöscht worden.“
Statt sich konstruktiv mit der Kritik auseinanderzusetzen und gegebenenfalls öffentlich Stellung zu beziehen, lässt man ein kritisches Posting mehr oder weniger kommentarlos löschen. Ist nicht genau das die schlechte Außendarstellung, die der SAZ nachgesagt wird?
„Gut, dass Du noch mal nachfragst, da ja die Wahrnehmung so ist, die SAZ hätte dieses Posting einfach so löschen lassen. Dies ist nicht einfach so möglich und wäre auch nicht nachvollziehbar. Die Faktenlage ist folgende: Die SAZ hat dieses Posting nicht löschen lassen und dies auch nicht gefordert. Dies wurde durch den Forumsbetreiber in eigener Verantwortung veranlasst, nachdem ihm der Sachverhalt zur Prüfung anheim gestellt wurde.
Also noch mal in Klartext: Die SAZ hat lediglich um Prüfung gebeten und danach wurde das Posting gelöscht. Also muss es wohl einen Grund gegeben haben, der nicht an der Kritik als solcher gelegen haben kann.
Wenn nun einzelne sich darüber lautstark aufregen, schadet dies natürlich der Außendarstellung der SAZ, wenn fälschlicherweise behauptet wird, dass die SAZ ein solches Posting einfach löscht.
Ich sehe das Problem an dieser Stelle eher in der Wahrnehmung, dass Einzelne, wenn sie nur laut genug schreien, gehört werden und alles, was sie sagen, für wahr gehalten wird.“
Ihr habt Autoren, die nicht dauerhaft veröffentlichen, das heißt, keine Verlagsveröffentlichungen vorweisen, das Stimmrecht per Mitgliederversammlungsbeschlüssen entzogen. Ist das ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung oder eher eine Selbstentmündigung der Autoren?
„Die Mitgliederversammlung hat einen seit der Gründung bestehenden Satzungspunkt lediglich präzisiert, auch bisher hatten Mitglieder ohne Veröffentlichung kein Stimmrecht. Allerdings ist kein Autor dadurch auf Verlage angewiesen, sondern kann, wenn es ihm mit seiner Tätigkeit ernst ist, durch eine Selbstveröffentlichung dieses Stimmrecht erhalten. Ich selbst bin ja diesen Weg gegangen und fühlte mich auch erst nach der Veröffentlichung als ‚richtiger’ Autor, da ich erst dadurch herausfinden konnte, wie mein Werk in der Öffentlichkeit wirkt, was eine sehr wichtiger Teil meines Selbstverständnisses als Autor ist.“
Selbstveröffentlichung heißt, dass eine gewisse Anzahl von Spielen produziert und finanziert werden muss. Nun gibt es Autoren, die das nicht wollen oder können. Die Spieleautorenzunft ist doch aber auch für diese Autoren da, warum gibt man ihnen kein Stimmrecht?
„Auch hier ist die Wahrnehmung eine andere als die Fakten. Die SAZ hatte diese Regelung seit ihrer Gründung, so wie andere, vergleichbare Verbände ebenfalls eine solche Regelung haben. Eine Veröffentlichung hat auch etwas mit Qualität und öffentlicher Akzeptanz zu tun. Und als Spieleautoren wollen wir genau das: In der Öffentlichkeit ernst genommen werden. Parallel dazu haben wir uns jetzt die Förderung angehender Spieleautoren explizit als Ziel auf die Fahnen geschrieben. Und dazu tun wir innerhalb schon eine ganze Menge – und werden dies in der Zukunft auch noch intensivieren.
Ich selber war in den 90ern selbst anwesend, als diese Regelung das letzte Mal spezifiziert wurde. Dort wurde auf der Mitgliederversammlung (dem demokratischen Forum der Mitglieder) beschlossen, Selbstveröffentlichungen auch als Veröffentlichungen zu zählen, was sogar dazu führte, dass ich damals in den Vorstand hätte gewählt werden dürfen, und ich muss ehrlich sagen, es wäre nicht gut gewesen, wenn ich zu dem Zeitpunkt eine solche Funktion übernommen hätte. Ich stand noch am Anfang und freute mich einem Verein anzugehören, in dem alle wichtigen Autoren vertreten waren und mir diese ohne jegliche Probleme geholfen haben. Und dies ist immer noch so, egal ob man nun ein Stimmrecht hat oder nicht. Ich habe von meinem Stimmrecht viel später erst Gebrauch gemacht, als ich das Gefühl hatte, ein ‚richtiger’ Spieleautor zu sein. Außerdem ist mir kein Fall bekannt, in dem ein Autor Stimmrecht haben wollte und dies nicht bekam. Von daher verstehe ich die Aufregung nicht.“
Wäre es nicht ratsam, solche Entscheidungen von der Mehrheit der Mitglieder und nicht von einer Mitgliederversammlung, bei der nur ein geringer Prozentsatz der SAZ-Mitglieder vor Ort ist, entscheiden zu lassen?
„Na ja, wir haben eine Satzung, hinter der ich stehe und das sind für mich die Spielregeln, an die ich mich durch meine Mitgliedschaft bereit erklärt habe zu halten. Falls einzelne Punkte dieser Spielregeln für mich nicht so sind, wie ich sie gerne hätte, kann ich ja eine Satzungsänderung beantragen. Wenn diese Satzungsänderung dann nicht angenommen wird, steht es mir frei zu entscheiden, ob die Spielregeln so für mich akzeptabel sind. Es ist eine demokratische Entscheidung, der ich mich dann auch gerne füge, da wir ja ein Verein für alle Spielautoren sein wollen.“
Spricht die SAZ wirklich noch für die Mitglieder? Dieses und die Begrüßung der Bearbeitungsgebühr für eingeschickte Prototypen bei Ravensburger schaden dem Nachwuchsautor doch erheblich?
„Natürlich spricht die SAZ noch für ihre Mitglieder, aber wie das bei demokratischen Entscheidungen immer ist, nicht immer für alle in gleichem Maß. Der Nachwuchsautor hat durchaus einen Nutzen durch die Bearbeitungsgebühr bei Ravensburger für eingeschickte Prototypen bekommen. Die Prototypen werden jetzt schneller bearbeitet und man bekommt gegebenenfalls eine ausführliche Analyse seiner Ideen, was meiner Meinung nach mehr Wert ist, als das, was man dafür bezahlen muss. Ich habe nach der anfänglicher Skepsis genau dieses von mehreren Kollegen gehört. Ob die Tonlage der Erklärung damals der Weisheit letzter Schluss war, sei dahingestellt.“
Ist der zuletzt schlechte Ruf wieder zu korrigieren? Was macht die SAZ trotz allem reizvoll für Autoren und Menschen, die es werden wollen? Warum sollte deiner Meinung nach ein Spieleentwickler Mitglied sein?
„Ich hoffe, dass wir diesen schlechten Ruf wieder loswerden. Die SAZ ist sehr reizvoll für alle (auch zukünftigen) Autoren, da man hier kompetente Beratung von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen schnell und unkompliziert bekommt. Eine starke SAZ kann und will den Autoren der Spiele in der Öffentlichkeit ein Gesicht geben, sie will insgesamt das Kulturgut Spiel stärken und Lobbyarbeit für eine Verbesserung des Urheberrechts machen. Daneben gibt es natürlich noch die kleinen Bonbons wie Mustervertrag und Zugang der Spielwarenmesse in Nürnberg. Aus diesen Gründen sollte man Mitglied werden.“
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Spiele-Offensive
4 Kommentare
Ein Link aus dem neuen E-Zine zu einem sehr alten Interview …
Zum Thema ‚Löschung eines Post im Spielbox-Forum‘ gibt es – anders als es Friedemann darstellt – einiges zu berichten. Zunächst einmal hat ein SAZ-Vorstands-Mitglied der spielbox seinerzeit mit juristischen Schritten gedroht, wenn ich nicht gesperrt würde. Es ging also nicht nur um Löschung eines einzelnen Posts. Ausführliches kann man dazu in meinem damaligen newsletter lesen: http://www.bambusspiele.de/news/newsletter/newsletter_63_2009.txt
Ein gutes Jahr nach dem Interview mit Friedemann meldete SAZ-Vorstands-Mitglied Christian Beiersdorf im internen SAZ-Forum:
„Da im Verlauf der Diskussion sich unser Ex-Freund Günter Cornett mal wieder zu einer Reihe von ruf- und geschäftsschädigenden Äußerungen und Falschaussagen mir gegenüber verstieg, habe ich bei der Spielbox reklamiert, die daraufhin den Thread löschen ließ. Leider hat die Spielbox Günter Cornett bisher nicht gesperrt, so dass er diesen Thread als PDF dort weiterhin anbieten kann. Ich habe deshalb weitere Schritte angekündigt und eingeleitet. Es hängt vom weiteren Verlauf ab, ob ich auch juristisch vorgehe – für das es gute Gründe gäbe. Ein Austrocknen seiner Publikationswiesen und die allseitige Nichtbeachtung bzw. beantwortung seiner Beiträge ist langfristig aber sicher die bessere Lösung.
…
Nachtrag: Günter Cornett wurde inzwischen für die Spielbox-Foren gesperrt.
[Zuletzt bearbeitet Christian Beiersdorf, 11.08.2010 14:14]“
(Dass er aufgrund seiner Drohung auch gesperrt wurde, verschwieg er damals seinen Mitgliedskollegen)
Siehe hierzu die ausführliche Diskussion auf http://www.spielbar.com:
http://www.spielbar.com/wordpress/2010/11/27/1895 Kommentar Nr. 14, sowie Bestätigung des Zitats durch Chritian Beiersdorf in Kommentar Nr. 21)
Zu den aktuellen Entwicklungen, insbesondere zur jüngst erfolgten Änderung des Wahlrechts bei der SAZ, das nun ziemlich genau dem entspricht, was ich etliche Jahre (vor und nach meinem Ausschluss) ‚böswilligerweise‘ gefordert hatte, siehe: http://de.trictrac.net/news/gottingen-2015-stipendiatin-und-saz-wahlen
Die Verlinkung dieses alten Interviews hat die Redaktion von spielezine zu verantworten.
Nicht ganz. „Die Veröffentlichung hat die Redaktion von Reich der Spiele zu verantworten“ – so muss es heißen. Und die ist schon eine Weile her.
Oh, da habt ihr doch beide recht. :)(Und dank an Christian für die prompte Nichtbeachtung meines Kommentars gemäß seiner von mir zitierten Aufforderung) Ungünstig (für SAZ und ezine) finde ich schon, dass es da nichts Aktuelleres an SAZ-Selbstdarstellung gibt. Andererseits hat das Interview insofern Aktualität, als dass deutlich wird, dass die SAZ sich entgegen dem Gerede von Friedemann im Interview – auch während seiner Vorstandszeit – noch stärker gegen Meinungsfreiheit gestellt hat. Ein ‚Überlegt selber, ob ihr das Posting löschen wollte; wir überlegen, ob wir juristische Schritte einleiten‘ klingt ja sehr nach Freiwilligkeit beim Postinglöschen.Obwohl der Vorstand Kenntnis davon hat, dass die bemängelten Inhalte auf meiner Spieleautorenseite zu finden sind, habe ich übrigens nie eine Aufforderung zur Löschung erhalten. Im Gegenteil: Der Vorstand hatte mich sogar mal ausdrücklich aufgefordert, meine Kritik an der SAZ (statt in den SAZ-News) auf meiner eigenen Webseite zu veröffentlichen. Solange es keine Links auf diese Inhalte vom Spielbox-Forum aus gab war das wohl auch nicht weiter schlimm … Zudem wurde damals mit der gleichen Haltung die Stimmrechtsverweigerung für Autoren ohne Veröffentlichung positiv dargestellt wie heute die damals bewusst verweigerte und – endlich – erfolgte Gewährung des Stimmrechts für alle Spieleautoren (und nur für Spieleautoren). Damals nannte man das Präzisierung der Satzung, heute Schärfung des Profils. So nach dem Motto, die SAZ erkennt nie, dass sie in der Vergangenheit kapitale Fehler gemacht hat, sondern sie wird immer nur ’noch besser‘. Dass es seit ein paar Monaten nicht mehr ausreicht, Ehefrau eines Spieleautors mit Spieleveröffentlichung zu sein, um Stimmrecht zu bekommen, ist aber ein tatsächlicher Fortschritt. Dazu herzlichen Glückwunsch an die SAZ.Wenn die SAZ irgendwann mal als gewerkschaftsähnliche Organisation anerkannt werden will, wird sie sich sicher auch noch von dem Namen ‚…zunft‘ trennen. PS: Wurde der Ehefrau von XY das Stimmrecht eigentlich wieder aberkannt?