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Kein Lobbyismus in der Spielebranche!?

Frank Riemenschneider von Frank Riemenschneider

In einem Artikel der „Berliner Republik“ (Heft 3/2009) mit dem Thema „Malefiz mit den Digitalisten“ von Harald Schrapers und Kerstin Griese, steht es schwarz auf weiß: Die behäbige Brettspielbranche verzichtet völlig auf Lobbyarbeit. Sie verzichtet. Was soll das heißen? Wird es nicht für nötig gehalten? Interessiert es keinen? Keine Leute? Keine Ahnung? oder kein Bock? Oder eben nur, wie geschrieben, behäbig. Was ein Synonym für Faulheit, Schläfrigkeit oder Langsamkeit ist.

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Lobbyismus ist eine Form der Interessenvertretung in der Politik. Es wird versucht durch persönliche Kontakte oder die Massenmedien Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Computerspielbranche macht hiervon regen Gebrauch und ist damit mehr als erfolgreich.

Warum lässt sich die Gesellschaftsspielbranche die Butter vom Brot nehmen? Als Beispiel sei nur die im Artikel genannten Preisgelder für den Deutschen Computerspielpreis in Höhe von 600.000 Euro (in Worten: sechshunderttausend!). Wovon die Hälfte aus dem Etat des Kulturministeriums kommt. Der Rest wird von der Branche selber finanziert. Komplett finanziert von der Gesellschaftsspielbranche wird der Preis „Spiel des Jahres“, heißt: Herzlichen Glückwunsch, die Preisträger dürfen ihre Auszeichnung selber zahlen. Beim „Deutschen Spielepreis“ bekommt auch kein Preisträger einen müden Cent. Geschweige denn bei den vielen anderen Preisen für Gesellschaftsspiele.

Wie kann das sein? Gibt es denn niemand, der die Interessen einer Branche vertritt, die auf ein Gesamtumsatzvolumen von über 400 Millionen Euro im Jahr kommt? Hier hilft ein Blick in die öffentliche Liste des Bundestages, in der Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eingetragen werden können. Und siehe da, auf Seite 508 taucht doch tatsächlich ein wohlbekannter Verein auf. Es ist aber weder die Fachgruppe Spiel, in der fast zwanzig Verlage organisiert sind, noch die Jury Spiel des Jahres, selbst. Die SAZ (Spieleautorenzunft) mit 302 Mitgliedern vertritt unsere spielerischen Belange in der Politik. Dabei kann fast jeder Verein sich problemlos in diese Lobbyliste aufnehmen lassen; und das kann man nachholen!

Gut, es gibt da das Kleingedruckte. Aber ein Blick auf die Homepage des Bundestages klärt, ob man den Antrag zur Aufnahme stellen kann. Wer sich unsicher ist, mein Tipp: Beantragen kann man grundsätzlich alles.

Wer in dieser Liste dann vertreten ist, macht deutlich: Ich will mitbestimmen. Unter Umständen wird man sogar als Spezialist zu einer Expertensitzung eingeladen und erhält so Einsicht und Informationen, die unsere Passion betreffen. Wer weiß, vielleicht kommen so unsere weltweitbeachteten Preise für Gesellschaftsspiele, auch mal an Preisgelder.

Deswegen erfolgt hier ein Aufruf an alle Vereine, die sich dem Gesellschaftsspiel verschrieben haben, sich beim Bundestag als Lobbyvertretung registrieren zu lassen. Das geht ganz einfach mit dem Onlinemeldeformular. Irgendwo muss doch mal angesetzt werden. Dann klappt es auch hoffentlich mit der Lobbyarbeit für Gesellschaftsspiele.

Zum Meldeformular des Bundestages

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6 Kommentare

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Anonymous 19. Juni 2009 at 12:58

Ich glaube, dass die Brettspielszene immer noch nicht kapiert hat, wie man arbeiten muss. Während alle auf Branchenriesen wie Hasbro schimpfen, machen die eben den Umsatz. Weil sie auch mal richtig Business machen.

Und so ist es auch bei Werbung und Lobbyarbeit. Gab es mal außer von Ravensburger und Kosmos, evtl. noch Schmidt anständige Werbung? Gab es mal einen Verein, der sich für etwas eingesetzt hat? Was macht denn Spiel des Jahres? Einmal im Jahr sind sie in der Tagesschau, was ja gut ist. Mehr passiert doch aber außerhalb der Szene nicht.

Und was macht die Fachgruppe? Sie schmort im eigenen Saft. Aber das alles passt gut zu den Szene-Leuten, den Spielefreaks und den meisten Presseleuten. Jenseits ihrer eigenen Vorlieben passiert da nicht viel. Deshalb finde ich einen solchen Beitrag echt erfrischend.

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Anonymous 23. Juni 2009 at 14:20

Es geht ja langsam voran. Spiel des Jahres bietet aber wirklich keine Glanznummer. Aber warum die Nasen in Berlin das Spiel nicht als Kultur ansehen ist doch klar. Außer Skat dürften die wohl kaum etwas spielen. Unsere Volksvertreter sind doch ständig unterwegs … Ich glaube, wir vergessen schnell, wie wenig jenseits einer Altersgrenze und jenseits von Monopoly überhaupt gespielt wird. Schade!

Euer Martin

 

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Anonymous 24. Juni 2009 at 21:42

Frank Riemenschneiders Aufruf ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings sollte man zwischen Spielebranche und Spieleszene genauer unterscheiden. Während erstere sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen durchaus  für die „Masse“ zu vermarkten weiß, tat sich Letztere in der Vergangenheit schwer mit der Durchsetzung ihrer Interessen in der Öffentlichkeit. Wobei anzumerken ist, dass SpieleautorInnen sowohl in der Spieleszene zuhause, wie auch in der Spielebranche tätig sind. Mit Lobbylisten allein wäre es nicht getan. So war der Schritt hin zur bereits erfolgten Aufnahme der SAZ ( Spiele-Autoren-Zunft e.V) 2008 in den Deutschen Kulturrat mehr als richtungweisend, um zukünftig konsequenter und wirksamer die Interessen der Spieleszene durchsetzen und die Lobbyarbeit insbesondere für das Kulturgut Spiel voranbringen zu können. In mehreren Fachausschüssen des Deutschen Kulturrates wird nun „wider die Trägheit“ mobil gemacht, um Spiel als notwendige Entwicklungsgrundlage der Gesellschaft zu etablieren, die Wahrnehmung zu stärken und dem SPIEL endlich zu der (auch urheberrechtlichen) Anerkennung zu verhelfen, die es verdient hat. Dabei wäre uns die angesprochene Fachgruppe Spiel als Partner durchaus willkommen.
 

Anmerkung: Die SAZ ist die Interessensvertretung der SpieleautorInnen- also jener kreativen Köpfe, die als EntwicklerInnen hinter einem Spiel stecken. Sie vertritt aktuell 379 Mitglieder aus 17 Nationen, Tendenz steigend.

Viele Grüße,

Máren Kruse/ Mitglied im Ausschuss Medien des Deutschen Kulturrates für die SAZ

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Anonymous 25. Juni 2009 at 11:16

Mir ist es völlig egal. ob das Spiel jetzt den Bundestag beschäftigt oder nicht. Es ist mir auch egal, ob es einen gesponsorten Preis gibt. Wir haben so viele gute Spiele und müssen echt nicht unter Missachtung leiden. Ob das jetzt in Berlin oder irgendwo bei Familie Schmidt jemanden neu interessiert, macht es nicht besser oder schlechter. Spiele interessieren eben nur die Menschen, die auch spielen.

Tanja

 

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Anonymous 25. Juni 2009 at 21:59

Egal, ob die Politik das Kulturgut Spiel inzwischen als solches anerkennt, egal, ob die SAZ aktiver als in den letzten Jahren wird, egal, ob es eine Fachgruppe Spiel gibt, egal, ob es die Jury Spiel des Jahres gibt, auch egal, ob Günter für mehr Bewegung in den festgefahrenen Strukturen arbeitet, in der Summe fristet das Gesellschaftsspiel weiterhin ein Schattendasein – völlig entgegen seinem Namen.Und vor allem völlig entgegen den Möglichkeiten, Chancen und Nutzen, die es hat und bietet.

Gesellschaftsspiele können ein wunderbares Bindeglied zwischen den Generationen in Familien sein (mein Spruch: Mindestdosis ein Spiel pro Woche in den Familien) und haben auch heute noch einen gewichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen.  Ich erlebe das selbst beim Schachunterricht im Kindergarten oder in Spiele AGs in Grundschulen. Initiativen wie "Spielen macht Schule" setzen genau hier an.

Gesellschaftsspiele und PC- und Konsolenspiele  können problemlos nebeneinander koexistieren, an manchen Stellen sogar sich gegenseitig befruchten. Da muss nicht gegeneinander gearbeitet werden. Zuallererst müssen die verschiedensten Gruppierungen der Gesellschaftsspielbranche aufeinander zu- und eine koordinierte Zusammenarbeit eingehen.Und dann wird es auch gelingen, dass dem Gesellschaftsspiel die ihm zustehende Bedeutung zukommt. Misserfolg ausgeschlossen, denn weniger geht als bislang geht nicht.

 

Meint Klaus Ottmaier

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