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Brettspiel Grand Cru – Entwicklungstagebuch II

Grand Cru - ein früher Prototyp von Ulrich Blum

Ulrich Blum über die Entstehung seines Spiels

Entwicklunsgtagebuch zum Spiel Grand Cru – Teil 2: Vom Reifen eines Spiels. Wie ich letzte Woche berichtete, hatte ich nun eine Grundidee: Die Spieler sind Winzer und müssen mit Hilfe von Krediten ein Weingut aufbauen, wobei der Wein natürlich einige Jahre reifen muss, bis er verkauft werden kann. Nun ging es darum, für die einzelnen Vorgänge Mechanismen zu finden. Die erste Frage war: Wie kommen wir überhaupt an die Reben? Fixe Preise fand ich uninteressant, weshalb ich eine Versteigerung wählte. Auch beim Verkaufen des Weins wollte ich keine fixen Preise, sondern einen Markt, mit schwankenden Preisen. Fehlte nur noch der Modus, wie wir das alles tun sollten. Das naheliegendste war ein Ablauf in Phasen: Reben Versteigern, ernten, verkaufen, Zinsen zahlen, neue Kredite aufnehmen. Somit waren die wichtigsten Eckpunkte geklärt. Schnell hatte ich was gebastelt und konnte das Spiel für mich ausprobieren. Einem Publikum mochte ich es in diesem Zustand noch nicht zumuten. Zu meiner Überraschung funktionierte das schon ganz gut. Natürlich nicht beim allerersten Mal, aber sobald die schlimmsten Ecken im Preisgerüst ausgebügelt waren, war das Spiel zumindest in einem Stadium, wo man es ein paar Runden lang spielen konnte.

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Grand Cru - an den Preisen wurde bis zum Schluss gefeilt von Ulrich Blum

Es folgten diverse Partien, und Änderungen. Bald war klar, dass das Spielziel das zurückzahlen aller Kredite sein sollte. Ich finde es immer interessanter, wenn das Spielende durch Aktionen der Spieler bestimmt wird und nicht einfach nach ein paar Runden eintritt.  Auch das Vorhandensein von Ausbauten, neben den Reben setzte sich schnell durch. Dies sind Plättchen, die ebenso wie die Reben ersteigert werden müssen. Sie können alle etwas besonderes, was meine Strategie entscheidend beeinflussen kann. Bewusst entschied ich mich dafür sowohl die Ausbauten als auch die Reben zufällig auftauchen zu lassen, um jede Partie anders verlaufen zu lassen und die Spielerinnen zu zwingen, sich anzupassen. Nun ist Zufall ein durchaus kontroverses Element in Spielen und zu viel davon ist oft schädlich. Ich löste dieses Dilemma, indem sich jedes Jahr eine zufällige Auswahl an Plättchen präsentiert, aber eben allen Spielern die selbe. So stehen nicht immer alle Plättchen zur Verfügung, was zu variablen Strategien führt, aber alle Spielerinnen sind davon gleichermaßen betroffen.

Der nächste riesige Schritt in der Entwicklung war die Idee, den Ablauf nicht mehr in Phasen abzuhandeln. Vielmehr sollten alle Aktionen jederzeit möglich sein. In jedem Zug wähle ich mir frei eine davon. So passt sich das Spiel auch automatisch den verschiedenen Bedürfnissen während der Spielphasen an. Das Kaufen von Reben ist naturgemäß zu Anfang interessanter als gegen Ende. Doch wie viele Aktionen sollte ich jedem Spieler zugestehen, bevor Zinsen bezahlt werden müssen? Auch hier wollte ich wie beim Spielende keine fixe Anzahl Runden, für das Ende eines Jahres, sondern etwas, was die Spielerinnen selber steuern können. Es lag nahe, das ernten der letzten Trauben eines Weinguts, als Kriterium für das Ende des Jahres anzunehmen. In den Tests zeigte sich schnell, dass das Spiel durch diese Veränderungen entscheidend gewann. So war nun nicht nur das Geld knapp, sondern je nach Verhalten der Mitspielerinnen, auch die Aktionen. Besonders die Versteigerung wurde so sehr viel interessanter. Da ich in einer Aktion nur Bieten oder Kaufen kann, muss ich möglichst einen Betrag bieten, der nicht überboten wird, bis ich das nächste Mal an der Reihe bin. Ansonsten habe ich durch das Bieten eine Aktion verschwendet und muss allenfalls erneut Bieten. Ausserdem entstand eine stetige Ungewissheit, ob man noch alles tun kann, was man sich für das Jahr vorgenommen hatte, bevor jemand all seine Trauben geerntet hatte.

Grand Cru - Versteigerungstabelle: Wie hoch soll ich bieten? von Ulrich Blum

So verfeinerte ich das Spiel immer weiter, bis es irgendwann in einem Zustand war, wo sich die Frage stellte, ob ich nicht versuchen sollte, es bei einem Verlag unterzubringen. Als nächster Termin, um das zu versuchen, bot sich das Autorentreffen in Haar bei München an. Dort wurden meine Erwartungen weit übertroffen. Gleich drei Verlage zeigten Interesse an dem Spiel und forderten einen Prototypen an. Hoffnungsvoll schickte ich diese weg. Im Verlaufe eines Jahres kamen die Prototypen dann aber alle mit Absagen zurück.

Inzwischen war ich auch soweit genesen, dass ich wieder als Schauspieler und Koch im Berufsleben stand. So wanderte das Spiel ins Regal und das Kapitel Grand Cru war für mich erst mal abgeschlossen, wenn auch das Entwickeln von Spielen weiter ein Hobby blieb.

 

Hinweis
Dieser Entwicklungsbericht zum Brettspiel Grand Cru besteht aus drei Teilen:
Teil 1 – Von einem Unglück und der ersten Idee
Teil 2 – Vom Reifen eines Spiels
Teil 3 – Von einer Auszeichung und der Publikation

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