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Entwicklungsgeschichte: das Brettspiel Bangkok Klongs

Bangkok Klongs von dlp

Von Sevilla über Südamerika nach Thailand

Der kleine Verlag dlp games von Reiner Stockhausen veröffentlicht zur Spiel ’10 in Essen das Spiel Bangkok Klongs von Martin Schlegel. Im Vorfeld der Messe konnten wir die beteiligten zum Spiel befragen. Autor Martin Schlegel hat uns dabei erklärt, wie das Spiel ursprünglich gedacht war, Grafiker Klemens Franz hat uns seinen Ansatz genannt und Reiner Stockhausen stand uns für die Fragen zur Endversion von Bangkok Klongs zur Verfügung.

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Der Name des Spiels ist ungewöhnlich und war vom Autor gar nicht so gedacht. Im Gegenteil, er hatte das Spiel in einer völlig anderen thematischen Umgebung entwickelt. Dazu führte Martin Schlegel zunächst den Hauptmechanismus aus: „Ich bin ja jemand, der sich bei der Entwicklung von Spielen Zeit lässt. Testen und Ändern ist mir fast schon wichtiger als das Präsentieren – und macht auch erheblich mehr Spaß. Doch Bangkok Klongs sprengt jeden Rekord, begann seine Entwicklung doch 2003! Bereits der erste Prototyp enthielt den heute noch zentralen Mechanismus: Der Plan zeigt vier mal fünf, also 20 Hauptflächen, von denen jede aus vier Teilflächen besteht. Nur drei dieser vier Teilflächen dürfen mit einem Plättchen belegt werden, eine muss immer frei bleiben. Gewertet werden aber nur Gebiete, die ein Quadrat bilden, das vier Plättchen hat. Das ist schon möglich, denn die Plättchen können in zwei oder vier Hauptflächen liegen. Bei diesen Zwischenwertungen wird ein Plättchen des gewerteten Quadrats entfernt, wobei sich immer wieder Lücken auftun, die neue Legemöglichkeiten ergeben. Ein reizvoller Grundgedanke und ein gar nicht komplexer Mechanismus.“

Auch eine Idee, in welcher Umgebung das spielt, hatte er sofort parat. Er erklärte: „Als Thema hatte ich gleich eine spanische Stadt im Kopf, denn viele Städte besitzen diese quadratische Gliederung. Sevilla war der Titel. Die Hauptflächen mutierten zu Stadtvierteln und die Teilflächen waren einzelne Grundstücke. Man baute eine Stadt, indem man Gebäude auf den Plan brachte: Wohnhäuser in unterschiedlicher Größe, Bars, Geschäfte. Auch Kirchen wurden errichtet – sie verdoppelten den Wert -, ein Feuer konnte Wohngebäude vernichten, aber es gab dagegen einen Schutz.“

Dass eine Entwicklung bei Martin nicht einfach gemacht ist, zeigen die vielen Veränderungen. „Eine Unmenge von Kleinigkeiten wurde getestet, verworfen, verändert, neu konzipiert“, so Schlegel. „Das Spiel kam in die Ecke und wurde viele Monate später wieder hervorgekramt. Mal waren die Wohngebäude zu schwach, das Feuer war der Match-Winner, die Zwischenwertungen ergaben sich zu plötzlich …“ In dem Zusammenhang bemerkte er, dass Sevilla als Ort des Geschehens vielleicht doch keine gute Wahl war: „Das Thema hätte besser sein können und ich versetzte das Geschehen von Spanien nach Südamerika, in die alte Inka-Hochburg Cuzco.“

Damit war aber der Werdegang des Spiels noch lange nicht abgeschlossen. Mehrere Jahre kursierte das Spiel noch, bevor es zu dlp games kam. Martin Schlegel dazu: „Als das Spiel dann – meiner Meinung nach – fertig war, kamen Verlage ins Spiel. Mir gefiel, dass denen das Spiel gefiel. Das war jedoch mit der Konsequenz verbunden, dass sie ewige Zeit über dem Prototypen brüteten, um diese und jene Kleinigkeit zu optimieren  – bei einem Verlag dauerte das zwei Jahre. So ging die Zeit ins Land, bis dann Anfang 2009 Reiner Stockhausen von dlp games auftauchte, den Prototypen mitnahm, ihn bearbeitete und ein wirklich passendes Thema fand: die Schwimmenden Märkte von Bangkok.“

Bangkok Klongs von dlp

Und hier setzt die Arbeit des Verlegers an. Wir haben Reiner Stockhausen, der selbst auch Spieleautor ist, zuerst nach dem Titel Bangkok Klongs gefragt. Reiner erklärte uns: „Klongs heißen in der Landessprache die Kanäle in Thailand. Wer den Begriff recherchiert, kann mehr über die Wasserstraßen und auch die Schwimmenden Märkte in Thailand und deren Geschichte erfahren. Als das Thema nach längerer Suche bei den Schwimmenden Märkten gelandet war, suchten wir einen Titel, der ein bisschen außergewöhnlich ist und auch international funktioniert. So sind die Klongs in den Titel gekommen.“ Nachdem das Spiel zuerst in Spanien und dann in Südamerika angesiedelt war, bleibt die Frage, wie es thematisch in Thailand verankert wurde. „Die Geografie spielte dabei weniger eine Rolle“, sagte Reiner. „In Südamerika ging es um Gebäude und den Aufbau einer Stadt. Da man nach jeder Wertung Karten entfernt, mussten quasi Gebäude, die man gerade gebaut hatte, wieder abgerissen werden. Das war thematisch zu destruktiv. Zunächst suchten wir ein Thema, das dem ungewöhnlichen Mechanismus gerecht wird. Irgendwann erinnerte ich mich an ein Foto, das die Boote eines Schwimmenden Marktes aus der Vogelperspektive zeigt. Das passte nicht nur exakt thematisch, sondern auch ästhetisch.“

Und für diese Ästhetik ist der österreichische Grafiker Klemens Franz zuständig gewesen, der unter anderem Agricola illustrierte. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag beschrieb er so: „Das Spannende bei der Arbeit mit kleinen Verlagen ist, dass man immer sehr intensiv in die verschiedenen Bereiche mit eingebunden wird. Es war also keine isolierte Herangehensweise, sondern ein ständiger Dialog, wobei mir bei Bangkok Klongs aufgefallen ist, dass jeder den Bereich und die Kompetenzen des anderen respektiert hat. Soll bedeute: Man tauscht sich aus, gibt Feedback, aber in letzter Konsequenz obliegt die Entscheidung dem jeweiligen ‚Fachmann’. Der Grad an Freiheit war für mich sehr groß – vieles in dem Spiel ist ganz genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.“ Etwas schwierig war es zunächst, die Klongs umzusetzen. „Was das Thema betrifft, waren mir die ‚Klongs’ vorher noch kein Begriff“, so Franz. „Reiner hat mich mit Bildmaterial versorgt und rasch wurde klar, in welche Richtung es gehen könnte.“

Zu den gewählten Farben und der Covergestaltung führte Klemens aus: „Das dominante Grün soll eher eine ‚Stimmung’ zum Ausdruck bringen, als die Realität abzubilden – und das ebenso grüne Cover fällt hoffentlich optisch auf. An eben diesem Cover haben wir auch am längsten gearbeitet. Da waren wir auf mein Anraten zuerst näher bei Lübeck, dem letztjährigen Spiel von dlp games. Technisch ist das Spiel zu 100 Prozent am Rechner entstanden, also mit Grafiktablett, Stift und Photoshop.“ Natürlich ist es von Vorteil, wenn auch der Grafiker das Spiel schon einmal gespielt hat. Das war kein Problem und sogar entscheidend für den Auftrag, wie aus Klemens Ausführungen deutlich wurde: „Ich illustriere am liebsten Spiele, die mir selbst Spaß machen. Nchdem ich den Prototypen von Martin spielen durfte, war mir klar: Das würde ich schon gerne machen, weil es ein einfaches, pfiffiges Spiel ist, das aber durchaus an die kleinen grauen Zellen geht. Bangkok Klongs wird bei uns definitiv noch öfter auf den Tisch kommen.“

Bangkok Klongs - Covergegenüberstellung von dlp/Klemes Franz

Doch worum geht es bei Bangkok Klongs eigentlich? Die Antwort gab Reiner: „Die Boote der Händler, beladen mit Waren und Reiskörben, laufen in den Schwimmenden Markt ein, der sich im Laufe der Partie füllt. Es wird nicht in dem Sinne gehandelt, dass Waren gegen Geld getauscht werden, sondern es geht darum, die besten Anlegeplätze zu belegen, um bei den Markttagen erfolgreich zu sein. Der Wert einer Anlegestelle hängt von den Booten in der Umgebung ab und wird an zwei kleinen Markttagen (Zwischenwertungen) sowie einem großen Markttag zum Schluss ermittelt. Dabei wird eine Wertung nicht einfach abgearbeitet, sondern  aktiv von den Spielern vorgenommen, ist also Teil des Spiels und muss genau überlegt werden.“ Dabei hat er auf die Klasse der Hauptmechanismen vertraut und diese nicht verändert. „Das Spiel war bereits vom Mechanismus her ausgereift, als ich es zum ersten Mal gespielt habe“, sagte Reiner. „Dennoch sind einige Sachen geändert worden, die Hauptmechanismen sind aber alle geblieben. Wesentlich ist auch das Sammeln von Waren. Nach jeder Wertung entfernt man ein Boot vom Plan. Dadurch entstehen nicht nur immer wieder neue Konstellationsmöglichkeiten, sondern dieses Entfernen ist auch wichtig für die Schlusswertung.“ Bei dieser geht es darum, möglichst viele Waren einer Sorte gesammelt zu haben. Um dorthin zu kommen, sind viele Strategien möglich. Der Verleger erklärte: „Das Glück spielt eigentlich fast keine Rolle. So einen richtigen Tipp kann ich aber auch nicht geben. Wenn man ahnt, was die anderen Mitspieler vorhaben, kann man ihnen auch mal in die Suppe spucken und verhindern, dass sie sich einen Vorteil aufbauen. Umgekehrt kann man selbst versuchen, eine günstige Konstellation allein zu nutzen, wenn die Mitspieler verschlafen, dies zu verhindern.“

Da Autor Martin Schlegel immer recht eigensinnige Spielmechanismen nutzt, bleibt am Ende die Frage, für wen denn Bangkok Klongs gemacht ist. Für Freaks oder für Familien? „Ich bin eher vorsichtig mit dem Begriff Familienspiel. In dem Sinne wie ein Maulwurf Company war Lübeck sicher auch kein Familienspiel“, meinte Reiner und ergänzte: „Ich kenne aber genug aufgeweckte Kinder, die sich auch die komplexesten Spiele vornehmen, sodass es auch für viel spielende Familien geeignet ist, zumal die Regeln überschaubar und schnell zu lernen sind. Da es kaum Glückselemente gibt, die man durch eine spezielle Regel noch mehr zurückdrängen kann und da es verschiedene strategische Wege gibt, denke ich, ist es ein lupenreines Strategiespiel und hat eher eine anspruchsvolle Zielgruppe.“

Die grafischen Elemente wirken diesmal auf dem ersten Blick atmosphärischer und professioneller als beim Vorgängerspiel Lübeck. Hier musste der Verlag letztes Jahr harte Kritik wegen des Materials einstecken. Zurecht, wie selbst Reiner zugab: „Leider muss ich den Kritikern recht geben. Zu meiner Entlastung muss ich sagen, dass der Produzent nicht das geliefert hat, was bei Lübeck vereinbart war. Bangkok Klongs wird nun bei einem deutschen Top-Produzenten gefertigt, sodass man auch mit Top-Qualität rechnen kann, feste Stanzplättchen und Holzfiguren, die speziell für BK entworfen wurden.“ Man darf gespannt sein auf Bangkok Klongs, das erst zur Messe in Essen lieferbar sein wird. Die Möglichkeit einer Vorbestellung ist übrigens nicht geplant. Aber es wird während der der Messe Aktionen geben, die es für Messebesucher interessant machen, das Spiel direkt dort zu kaufen. Vorrätige Stückzahl auf der Messe: 300  Exemplare.

Spielanleitung von Bangkok Klongs

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