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Psychiatrie des Schreckens – Teil 1 & 2

Psychiatrie des Schreckens - Teil 1 & 2 - Ausschnitt - Foto von HUCH

Escape-Spiele liegen nach wie vor im Trend. Da verwundert es nicht, dass immer mehr Verlage neue Boxen und Reihen dazu auf den Markt bringen. Eine davon ist die Psychiatrie des Schreckens. Angelegt auf zehn Episoden in zwei Teilen erzählt der Escape-Thriller von Martin Nedergaard Andersen, Alexander Peshkov und Ekaterina Pluzhnikova aus dem Hause Huch! die Geschichte von fünf Patienten, die allesamt nur eines wollen: Raus hier!

Fluchtplan in der Psychiatrie des Schreckens: So spielt sich das Escape-Spiel

Ehrensache: Dieser Artikel enthält keine Spoiler, die das Rätselvergnügen trüben

In jeder Episode folgen wir einem anderen Charakter, dessen Fluchtgeschichte wir errätseln müssen. Basis dafür sind Karten und Umschläge. Erstere sind nummeriert, aber nicht fortlaufend. Am Textende steht, auf welcher Karte es weitergeht. Wenn nicht, gilt es ein Rätsel zu lösen, über das wir wieder zu einem vierstelligen Zahlencode kommen. Anders als zum Beispiel bei der Exit-Reihe von Kosmos wird das Material dabei nicht beschädigt. Hilfestellung geben Hinweis- und Lösungsheftchen, die aber der Reihenfolge nach verwendet werden müssen und Strafminuten geben.

Auf unserer Flucht entdecken wir verschiedene Zimmer der Psychiatrie des Schreckens. Diese sind jeweils in Umschläge verpackt. Manchmal können wir direkt eintreten, oft müssen wir aber die stets mit einem vierstelligen Code gesicherten Türschlösser knacken. Das Rätsel findet sich dann irgendwo auf dem Umschlag. Sind wir erst mal im Zimmer, bekommen wir dort Informationen (auch zu unserem aktuellen Charakter, etwa über Patientenbögen) und Materialien für weitere Rätsel. Manches dürfen wir für später mit aus dem Zimmer nehmen.

Hin und wieder lässt uns das Spiel die Wahl und wir dürfen (müssen) eine Entscheidung treffen, wie wir weiter vorgehen wollen. Das können banale Dinge sein (Treppe oder Fahrstuhl?) oder auch komplexere, etwa, ob wir einem Mitpatienten helfen wollen. Dann wird eine Karte aus dem Stapel mit einer roten Ersatzkarte ausgetauscht (die wir natürlich dabei nicht ansehen dürfen) und die Geschichte nimmt einen anderen Verlauf.

Rätsel und Storytelling in der Psychiatrie des Schreckens

Psychiatrie des Schreckens - Teil 1 & 2 - Material - Foto von HUCH

Die Rätsel an sich sind insofern abwechslungsreich, dass sie viele verschiedene Wahrnehmungssinne ansprechen. Augen, Fingerfertigkeit, Tastsinn, Aufmerksamkeit, um die Ecke denken, Verstand, (Allgemein-)Bildung – all das benötigt man, um der Psychiatrie des Schreckens zu entkommen. Das ist erfrischend, wird aber durch andere repetitive Elemente abgemildert. So gibt es besonders in Teil 1 recht viele Zahlen- und Logikrätsel. Oft muss gerechnet werden, was nicht jedem liegt. Hin und wieder gehen die Rätsel thematisch aber auch weg von der Mathematik und zum Beispiel in den Kulturbereich. Allerdings wird generell ein relativ großes Allgemeinwissen vorausgesetzt. Mal braucht man im Idealfall eine Literaturwissenschaftlerin in der Runde, ein anderes Mal ist es der Chemiker, der einen entscheidenden Vorteil hat. Hinzu kommt, dass vereinzelte Rätsel schon durch den Lösungsmechanismus an sich viel Zeit erfordern (auch wenn man längst weiß, was man tun muss), sodass es teilweise fast sinnvoller ist, die Strafminuten für Hinweise und Lösungen in Kauf zu nehmen und zügig zum nächsten Rätsel weiterzugehen. Das ist zwar selten der Fall, aber dennoch frustrierend. Schließlich möchte man eigentlich das Erfolgserlebnis des Rätsellösens und nicht stupides Nachschlagen. Ansonsten haben wir die Hinweisheftchen nur ab und an benötigt, einige wenige Rätsel waren – zumindest in unseren Testrunden – nicht zu knacken (oder wir zu ungeduldig). An sich nicht schlimm, doch so manches Mal war die Rätsellösung dann auch nur bedingt nachvollziehbar. Andere Male standen wir aber auch einfach nur auf der sprichwörtlichen Leitung.

Bei all dem bietet die Psychiatrie des Schreckens deutlich mehr Story und Atmosphäre als so manch anderes Escape-Spiel. Interessant wird das Ganze durch das Element der Entscheidungen innerhalb der Geschichte, die uns als Spieler noch näher ans Geschehen heranrücken und zumindest entfernt an die Mechanismen eines Computerspiels oder eines interaktiven Hörspiels erinnern. Trotz dieses sehr positiven Effekts bleibt in Puncto Storytelling dennoch Luft nach oben. Besonders schade ist, dass die Rätsel auf Storyebene manchmal unlogisch und oft nicht richtig in die Storyline integriert sind – alles ergibt einen Zahlencode, ganz gleich worum es geht. Das führt an so mancher Stelle zu paradoxen Konstruktionen.

Was die Atmosphäre betrifft, wäre etwas mehr Abwechslung zwischen den einzelnen Episoden wünschenswert. Eine Geschichte, die mit fünf verschiedenen Perspektiven arbeitet, bietet da eigentlich genügend Vorlage. Und ja, mal folgen wir der einen Figur, mal dem anderen Charakter, und das schlägt sich schon auch irgendwie in der Handlung nieder, aber … eben nur irgendwie. Man spürt weder in ihren Entscheidungen (so sie durch die Geschichte vorgegeben sind) noch in der Erzählweise oder dem Spielgefühl einen allzu großen Unterschied. Hier wären deutlichere eigene Stimmen der verschiedenen Protagonisten schön gewesen, auch wenn das zugegebenermaßen spielerisch nicht das Wichtigste ist und wohl auch zugunsten der direkten Du-Anrede darauf verzichtet wurde.

Die Story selbst lässt einen am Ende mit vielen offenen Fragen und losen Plotfäden zurück. Hier hätten wir gerne mehr erfahren. Aber wer weiß, vielleicht wurde manches auch bewusst offen gehalten, mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung?

Escape-Feeling und Spielmechanismen in der Psychiatrie des Schreckens

Unterbrochen wird die Atmosphäre immer wieder sehr störend durch das Heraussuchen der nächsten Karte. Das machen wir nämlich nicht nur nach jedem gelösten Rätsel, sondern auch bei den teils längeren Storyelementen. Am Ende dieser Karten gibt es dann kein Rätsel, aber eine Kartennummer. Und wieder heißt es: Stapel durchsuchen. Teils mehrfach nacheinander. So etwas nervt, auch dann, wenn der Stapel nicht runtergefallen ist. Das hätte man besser lösen können.

Auch im Mechanismus und den Rätselprinzipien hätte mehr Abwechslung zwischen den einzelnen Episoden dem Spiel gutgetan. So erscheint das Ganze dann doch recht repetitiv, selbst zwischen Box 1 und 2 variiert das Spielgefühl nur bedingt. Daher ist auch der Wiederspielreiz nicht allzu hoch. Dabei ist das Spiel theoretisch sogar rücksetzbar – mittels eines Infoblattes dazu. Und in der Theorie kann ein weiteres Spiel, wenn man lange genug wartet, durchaus interessant sein. Denn dann kann man die anderen Handlungsstränge (bei den Entscheidungen) ausprobieren und landet teilweise auch bei anderen Rätseln. Manches wird aber sicher dennoch gleich sein, sodass es sich empfiehlt, zumindest so lange zu warten, bis man nicht mehr alles im Kopf hat.

Psychiatrie des Schreckens - Teil 1 & 2 - sauberer Schuber - Foto von HUCH

Was die Spielerzahl betrifft, spielt sich die Psychiatrie des Schreckens zu zweit sehr gut, allerdings sollte man nebeneinander sitzen, um die Rätsel gut gleichzeitig einsehen zu können. Auch in einer Gruppe lässt sich gut rätseln (da ist dann auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass sowohl der Literaturwissenschaftler als auch die Chemikerin mit am Tisch sitzen), eine Spielerzahlobergrenze wird auf der Schachtel gar nicht erst angegeben. Wird die Gruppe allerdings zu groß, bleibt irgendwann aufgrund der Karten- und Umschlaggröße nur noch das abwechselnde Rätseln (das allerdings ist ein Problem, das auch andere Escape-Spiele haben). Gerade bei kooperativen Spielen immer etwas schade, zumal es bei der Psychiatrie des Schreckens kaum die Möglichkeit gibt, verschiedene Rätsel parallel zu bearbeiten.

Fazit: Lohnt sich das Escape-Spiel Die Psychiatrie des Schreckens?

Trotz aller Kritik hatten wir bei der Flucht aus der Psychiatrie des Schreckens durchaus unseren Spaß. Nicht zuletzt dank der Einbindung ins erzählerische Geschehen mittels der Entscheidungen und der Sinnesvielfalt der Rätsel. Auf Dauer ist das Escape-Spiel aber zu repetitiv für einen hohen Wiederspielreiz, die Folgeepisoden locken nur bedingt, während man die Story durchspielt – auch wegen der ständigen Kartennummersucherei. Es wird daher wohl auch noch eine ganze Weile dauern, bis wir einen neuen Durchgang der zehn Episoden starten. Auch wenn Atmosphäre und Storytelling gerade im Vergleich mit so manch anderen Escape-Spielen (sicher nicht mit allen) punkten, ganz überzeugt hat uns die Psychiatrie des Schreckens (auch hinsichtlich der Rätsel) nicht.blank

Infos zu Psychiatrie des Schreckens – Teil 1 & 2

  • Titel: Psychiatrie des Schreckens Teil 1 & 2
  • Verlag: HUCH!
  • Autor: Martin N. Andersen, Alexander Peshkov, Ekaterina Pluzhnikova
  • Spieleranzahl (von bis): 1-
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 10 x 60
  • Jahrgang: 2020
  • Video:
    YouTube

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