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Messebericht: Das war die SPIEL ’21

Spiel 21 - Bericht: Krankenschwestern

Die in vielerlei Hinsicht einmalige Messe

Es ist 2021. Es ist Oktober. Es ist Pandemie. Es ist Spielmesse. Dominique Metzler und das Team des Friedhelm Merz Verlags haben sich früh im Jahr festlegen müssen, viel gewagt. Aber seit heute ist die wohl geschichtsträchtigste Spielmesse Geschichte. Und damit sind nicht nur die Veranstalter Gewinner, sondern alle, die sich ge- und dem Merz Verlag vertraut haben, dass es eine Messe geben wird, die dem Hygienekonzept standhält. Und Stand heute, 17.10.21, hat sie es.

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3-G-Regel, breitere Gänge, mehr Frischluft, 100-prozentige Maskenpflicht auch an Tischen beim Spielen. Desinfektion von Spielern und Spielmaterial: Das haben die Veranstalter vorgegeben, und die Besucher haben sich daran gehalten. So und nur so konnte das funktionieren. Es hat auf der Spiel ’21 funktioniert.blank

Eine andere Messe

Man konnte es schon bei der Anfahrt merken: keine bzw. kaum Staus, kein Gedränge an den Eingängen, lösbare Parkplatzprobleme. Und in den Hallen? Auf den ersten Blick kein Unterschied. Spieleverlage mit ausladenden Spielarealen, Besucher drumherum und das Flair eines Bazars. Aber man musste nicht lange hinsehen, um Unterschiede festzustellen. Bereits am Donnerstag waren die Gänge zwar voll aber eben lange nicht so voll wie an einem herkömmlichen Messedonnerstag, der traditionell einer der bestbesuchten Messetage ist. Kosmos hatte seine Stand- und damit seine Spielfläche nahezu verdoppelt. Amigo, eh‘ schon mit üppiger Spielfläche, hatte nicht zurückgesteckt. Pegasus, Plan B und Ravensburger reihten sich ein in die Riege der Halle-3-Big-Player. Wer ganz fehlte, war Asmodee, der die SPIEL in den letzten Jahren von seiner Ausdehnung in den Hallen 2 und 3 fast zu den Asmodee-Festspielen umfunktioniert hatte. Zwar mit einem Stand vertreten war Queen Games, wenngleich dieser aufgrund der Coronaumstände auf eine Spielfläche verzichtet hatte und nur mit einem Verkaufsraum präsent war. Immerhin hatte Queen Games seine Neuheiten vorrätig und stach damit aus einer Vielzahl nicht verkaufsfähiger Verlage mit ihren Spielen heraus. Dazu später mehr.

Stand von Dakota Irish - Foto von Axel Bungart

Größere Randbereiche aller Hallen waren mit Stellwänden abgesperrt, sodass in keiner der Hallen die gesamte Fläche genutzt wurde. Das schränkte den Platz für Aussteller und Besucher gleichermaßen ein und man fragte sich, warum das nicht noch – zumindest anteilig – zur Entzerrung der Stände genutzt wurde.

Und die Hygienemaßnahmen?

Mir ist in den drei Tagen, die ich auf der Messe war, nicht ein einziger begegnet, der keine Maske trug. An jedem Stand standen Desinfektionsmittel, die sowohl von den Besuchern als auch vom Standpersonal genutzt wurden. Vorbildlich hier Amigo, die Tische und (soweit möglich) Spielmaterial nach jedem Besucherwechsel an einem Tisch desinfizierten. Ob bzw. wie viel Frischluft nun tatsächlich in die Halle strömte, ließ sich als Besucher nicht feststellen. Kälter als sonst war es jedenfalls nicht. Was nicht gemacht wurde, aber auch nicht mehr nötig war, war die Registrierung an den Spieltischen über die Luca-App. Doch wenn man irgendwo Platz hatte, dann an den Spieltischen. Amigo und Plan B hatten ihre Stände abgesperrt. Der Zutritt wurde nur dann gewährt, wenn ein Tisch freiwurde. Das führte zwar zu Warteschlangen, hatte aber den positiven Effekt, dass man sicher den nächsten freien Tisch erhielt, ohne zufällig an der richtigen Stelle stehen zu müssen. Aus meiner Sicht glatt eine Überlegung wert, dies beizubehalten.

Die Gänge waren zwar voll und für mein Empfinden auch teilweise ein bisschen zu voll; sich aus dem Weg zu gehen war hier aber möglich. Anders an manchen Verkaufsständen: Hier standen die Menschen wie eh und je in mehreren Reihen dicht gedrängt. AHA-Regeln? Drauf gesch….. .

Wer wollte, hielt sich davon fern und zog guter Dinge durch die Hallen. Das wollten wir auch dieses Jahr, doch auch unser eingespieltes Trio war, zumindest an zwei Tagen, auf ein Duo geschrumpft. Das hat uns jedoch nicht davon abgehalten, wieder viel zu spielen und hier davon zu berichten.

Tag eins auf der SPIEL ‘21

Corrosion - Foto von Axel Bungart

Wir sind am Donnerstag sehr pünktlich auf der Messe und in der Halle. Darum können wir uns gleich einen Platz in Halle 2 am Stand von Deep Print Games sichern, um Corrosion zu spielen. Mit einem Dritten, uns fremden Spieler lassen wir uns das Spiel erklären. Erklärbär Jörg erklärt zunächst, dass das seine erste SPIEL, sein erstes Spiel und wir seine ersten Spieler sind, denen er ein Spiel auf der SPIEL erklären darf (oder muss). Da keiner Champagner dabeihat, um die Premiere gebührend zu feiern, fängt Jörg an zu erklären. Und das macht er bravourös. Corrosion ist ein Kenner- bzw. Expertenspiel, bei dem es eine ganze Reihe von Feinheiten zu erklären und beachten gibt. Aber wir kommen Dank der vorbildlichen Erklärung bestens ins Spiel und spielen es sogar in rund eineinhalb Stunden zu Ende. Man sammelt Zahnräder und setzt sie ein, um Maschinen zu installieren, spielt Ingenieurinnen aus, um Funktionen zu aktivieren und versucht einen Drehradmechanismus zu beherrschen, der mich in Ansätzen an den von Barrage erinnert. Das Spiel verlangt danach, öfter gespielt zu werden, denn in so einer ersten Partie lernt man es erst mal kennen. Doch Spaß hat es auch so gemacht. Das kann man sich merken.

Auf zu Rote Kathedrale

Rote kathedrale - Foto von Axel Bungart

Von dort aus ziehen wir weiter und schauen uns erst einmal ein bisschen um. In Halle 2 ist es sehr voll, was besonders angesichts dessen verwundert, dass die Gänge in Halle 3, in die wir schlendern, deutlich weniger gefüllt sind. Das war bisher immer umgekehrt. Doch da uns unser Weg sowieso Richtung Haupteingang führt, machen wir bei Kosmos halt. Dort finden wir Rote Kathedrale, das wie zufällig auf meiner To-Play-Liste steht. Also setzen wir uns und erhalten erneut Verstärkung von einem fremden Mitspieler, dessen Namen wir nicht erfahren. Dafür kommt Julian, unser Kosmos-Referent, als Erklärbär dazu. Auch Julian hat eine klare Vorstellung davon, wie man ein Spiel erklärt und er scheint auch sehr sicher in seinen Erklärungen. Das verführt in manchmal dazu, aus dem Regelvortrag in eine Lehrstunde abzudriften. Oder vielleicht in ein Quiz? Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er uns mehrmals fragt, was wir glauben, was bestimmte Regeln zur Folge hätten oder was sie bewirken würden. Ich möchte aber gar nicht quizzen und auch nicht aufzeigen müssen, um korrekte Antworten zu geben. Immerhin registriert er meine spitzfindige Bemerkung und beschränkt sich fortan auf Erklärungen.

In Rote Kathedrale sammeln wir auf einem Rundkurs mittels Würfeln Ressourcen. Die Bewegung auf dem Kurs führen wir mit den Würfeln aus, deren Punkte die Zugweite bestimmen. Die gewonnenen Ressourcen dienen später zum Bau an der Kathedrale, die Beteiligung daran verspricht Punkte. Das Prinzip ist schnell erfasst und so kommt ein sinnvolles Spiel schnell zustande. Rote Kathedrale hat allen recht gut gefallen, auch wenn das Material noch nicht dem fertigen Produkt entspricht, da die deutsche Version noch nicht verfügbar ist.

Arschlochkind - Foto von Axel Bungart

Karak, das Kinderspiel

Weil wir aber grad so schön sitzen, spielen wir noch ein Karak, das auf dem Nebentisch ganz interessant aussah. Den warnenden Unterton beim Hinweis der neuen Erklärbärin, dass es sich eher um eine Familienspiel handelt, überhören wir geflissentlich, was uns beim Erklären einholt und wir feststellen, dass mit Familienspiel wohl eher Kinderspiel gemeint war. Nun gut, unser Mitspieler ist erwiesenermaßen Mitglied der Zielgruppe, sodass wir uns für eine Partie begeistert zeigen. Wir decken Gangplättchen auf, die sich zu einem Labyrinth zusammenfügen und in manchen Räumen Monster(-plättchen) aufweisen, die es mittels Würfeln zu besiegen gilt. Mit gesammelten Plättchen kann man seine Würfeleigenschaften verbessern, um am Schluss gegen das Monster-in-Chief anzutreten und es unblutig zu zerwürfeln. Das Spiel ging uns etwas zu lang, doch eine nähere Betrachtung kommt für uns eh nicht infrage.

Danach ist erst mal Mittagspause. Am Grillstand zwischen den Hallen 2 und 3 gibt es das obligatorische Grillsteak. Wir treffen hier John Kindel, einen der Autoren von Adellos (im Eigenverlag). Er erklärt uns sein Engagement für das Spiel, seine Erfahrungen als Autor und Verleger und wir staunen nicht schlecht, welche Summen so eine Entwicklung verschlingen kann. Besonders mein Freund, mit dem ich durch die Hallen ziehe und der gerade selbst sein erstes Spiel entwickelt, zeigt sich beeindruckt.

Das etwas andere Postspiel im digitalen Zeitalter

Nach der Mittagspause habe ich ein paar Termine, u. a. beim Verlag Humunculus, der mir seine Neuheiten vorstellt. Interessant hier ist neben den physisch vorrätigen Escapespielen eine Reihe von Abo-Spielen. Hier erhält man gegen Zahlung eines monatlichen Betrages wöchentlich einen – echten – Brief mit Rätselaufgaben. Das Ganze ist eingebettet in eine Story, sodass man mit den Rätseln im Geschehen bleibt. Möglichkeit zur Anmeldung und Unterstützung findet man online bei der Lorethal Akademie. Ein interessanter Ansatz, der das Thema Postspiele im 21. Jahrhundert neu interpretiert.

Escape Dysturbia - Foto von Axel Bungart

Bahn frei!

Nachdem wir wieder zusammengefunden haben und ein wenig durch die Hallen geschlendert sind, neigt sich der erste Messetag schon fast dem Ende zu. Bei unserem dritten Versuch erhalten wir auch endlich bei Hartmut Haas einen Platz am Spieltisch. Sein kooperatives Spiel Bahn frei! war mir bereits auf der Neuheitenshow aufgefallen. Es erinnert ein bisschen an Switch & Signal, jedoch müssen wir hier Bahnreisende transportieren anstelle von Warensteinen.

An zufälligen Orten tauchen Bahnkunden auf, die von A(ugsburg) nach B(erlin) gebracht werden wollen, und zwar zügig: Holt man sie nicht noch in derselben Runde an ihrem Startort ab, werden sie ungesellig und mosern. Auch wenn man sie aufnimmt und nicht rechtzeitig ans gewünschte Ziel bringt, mosern sie. Daher ist das Spiel verloren, wenn zu viele zu oft meckern müssen. Bis kurz vor Schluss sind wir überzeugt, den Bahnverkehr revolutioniert zu haben, da unser Meckerbarometer auf seinem Tiefpunkt bleibt. Doch in den letzten beiden Runden (aus denen durch ein Zufallselement drei werden) haut’s uns die Fahrgäste um die Ohren und wir scheitern krachend. Mit dem Bahnvorstandsposten dürfte es damit auch Essig sein.

Das Spiel ist wirklich gut gemacht und es ist kniffelig, die richtige Entscheidung über die Reihenfolge der Beförderung der Fahrgäste untereinander auszuhandeln. Übrigens: „Je weniger Spieler mit Doktortitel am Tisch sitzen, desto geringer ist die Spielzeit“, sagt Hartmut Haas zur Spieldauer. Da wird er recht haben. Das Einzige, was uns stört, sind die Ereigniskarten, die wir zu aufgesetzt empfinden. Aber das werden wir noch genauer testen. Danach treten wir müde aber mit der Gewissheit, noch zwei Tage Messe vor uns zu haben, den Rückzug an.

Tag zwei auf der SPIEL ‘21

Was lernen wir (nicht nur) im Spiel: Privilegien sind dazu da, genutzt zu werden. Einmal im Jahr bin auch ich eitel und nutze mein Privileg, die Hallen vor den anderen Besuchern betreten zu können, dazu, mir einen Tisch bei Feuerland für Arche Nova zu reservieren. Das Leben ist ungerecht. Aber auch und gerade deshalb finde ich die Idee der Feuerländer schlichtweg schlecht, sich morgens um 10 Uhr einen Platz für eine der Neuheiten reservieren zu müssen, damit man ein Spiel spielen kann. Als ich mich um 9:45 Uhr anstelle, stehe ich bereits etwa als Zehnter in der Reihe. 30 Sekunden nach Öffnung der Tore für die Besucher stehen bereits so viele in der Schlange, dass nicht alle einen Platz erhalten werden. Die Chance für alle Interessierten liegt bei geschätzten 20 %. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.

Tischlisten bei Feuerland - Foto von Axel Bungart

Das völlig andere Azul

Viel besser macht es Plan B, wo sich mein Freund für das neue Azul: Queens Garden (Next Move Games) angestellt hat. Sobald ein Tisch frei wird, kommen die nächsten dran. Es bindet einen, in der Schlange zu stehen, aber die Chance auf einen Tisch liegt bei 100 %.

Wir beginnen also mit Azul, spielen mit einem fremden Pärchen am selben Tisch. Die Erklärung von Nicolas ist sofort erhellend und wir sammeln in (fast) altbewährter Manier Steine in verschiedenen Farben und mit verschiedenen Mustern ein. Die kommen ins Lager und von dort auf den Spielplan, wo sie nach und nach gewertet werden. Das vierte Azul hat mit dem ersten kaum noch etwas gemein. Gerade, dass man Steine sammelt, die man mit viel Fantasie noch als Fliesen verstehen möchte, und die Aufmachung sprechen die Sprache des Ursprungsspiels. Doch damit hat es sich auch. Azul: Queen‘s Garden lässt sich nicht mehr aus dem Bauch heraus spielen. Und wer (wie wir) eine der wichtigen Siegpunktregeln quasi außer Acht lässt, verliert (wie wir) mit einem Rückstand auf die Erste, der uns rückwärts auf dem Boden kriechend den Stand verlassen lässt. Es war sowieso Zeit.

Arche Nova und die Flut der Verspätungen

Wir kriechen also pünktlich zu Feuerland, wo wir ja unser Handtuch für eine Partie Arche Nova rechtzeitig ausgelegt hatten. Mit Andrea und Ute lassen wir uns das Spiel erklären. Zwischendurch fällt mir auf, dass ich das Spiel unmöglich kaufen kann, weil es mit allen Spielplänen, Spielertableaus und Auslagen unmöglich auf meinen schönen Spieletisch passt. Problem! Aber da ist noch ein viel größeres, erschlagendes Problem: Wie viele andere Neuheiten ist auch Arche Nova noch nicht erhältlich. Ein Umstand, der einem in diesem Jahr auf der Messe an sehr, sehr vielen Ständen begegnet. Und da ist sie wieder, die Pandemie und ihre Auswirkungen.

Unser Erklärer Christian ist bemüht und er hat so viel zu erklären, dass ich innerlich ein bisschen verzweifele. Doch die Angst ist unbegründet. Die Spielzüge sind überraschend klar und einfach, sodass nur Downtime durch zu langes, unnötiges Grübeln entsteht. Man kann seinen Zug weitestgehend vordenken.

Jeder baut seinen Zoo, errichtet Gehege, befüllt sie mit Tieren, wertet Spielelemente auf, übt sich in Verbandsarbeit, scheffelt Geld, baut den Zoo wieder aus und managt nebenbei seine Handkarten. Bei aller Komplexität, die Arche Nova klar als Expertenspiel identifiziert, ist es doch die Schlichtheit, die sich für mich auch in der Gestaltung des Spielmaterials widerspiegelt, und mich schließlich überzeugt. Es hätte mich gereizt, es bis zum Schluss zu spielen, doch die Spieldauer und der Zeitplan bei Feuerland kommen da nicht überein, sodass wir nach einer guten Stunde abbrechen müssen. Danach ist es auch schon wieder der Hunger, der uns regiert, und wir lassen uns in die Galeria zu einer Audienz beim Hotdog-Stand dirigieren.

Arche Nova - Foto von Axel Bungart

Timing und nicht aufgeben

Der Gang zurück in Halle 3 führt uns zu Schmidt Spiele. Auch hier gibt es viele Tische, doch keiner der Sitzenden zeigt Anstalten aufzustehen. Wir stehen fast eine halbe Stunde und wollen gerade aufbrechen, als sich zwei Personen von einem Tisch lösen. Was lernen wir (nicht nur) im Spiel: Niemals aufgeben!

Wir würden gerne Voll verplant spielen und ich frage einen Erklärbär, ob er uns helfen könne. Der deutet mir an, dass er gerade an einem Tisch steht, was ich durchaus schon bemerkt hatte. Doch schien mir das Spiel in einer Phase, in der die beiden dortigen Spielerinnen keine Hilfe mehr benötigten. Habe mich wohl getäuscht, wenngleich der Erklärbär nur wortlos daneben steht. Manchmal hilf ja bloße Anwesenheit …

Ein anderer ist jedoch flexibler und erklärt uns das Flip & Write. Es müssen zehn U-Bahn-Linien durch Ankreuzen von Kreisen angelegt werden. Dazu wird eine Karte umgedreht, die die Anzahl der zu machenden Kreuze vorgibt. Besondere Karten erlauben besondere Züge und außerdem gilt es, die Kreuze möglichst sinnvoll einzusetzen. So banal das klingt, so sehr muss man sich darauf konzentrieren, alles richtig einzutragen, was mir leider nicht ganz gelingt. Insofern halte ich mich beim Punktezählen am Ende raus. Dennoch hat mir das Spiel gut gefallen. Auch der Hinweis unseres Mitspielers Dirk, dass das Spiel auf einer Scoutliste hoch gehandelt würde, lässt bei mir nicht die richtigen Glocken klingeln. Als ich es am Messesamstag kaufen möchte, ist es bereits ausverkauft. Schade. Was lernen wir (nicht nur) im Spiel: Auf das richtige Timing kommt es an.

Der Beinahekauf: Mille Fiori

Mille Fiori - Foto von Axel Bungart

Wir wollen danach mit einem anderen Pärchen noch Mille Fiori von Reiner Knizia spielen. Der Erklärbär, der mich beim ersten Versuch schon abblitzen ließ, ist erneut gerade sehr mit Zuschauen beschäftigt und gibt mir wieder einen Korb. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass er nicht auf der Jagd nach dem Erklärbär des Jahres ist. Doch schließlich erbarmt er sich unser.

Mille Fiori hat einen großzügigen Spielplan mit sechs Wertungsbereichen, die sich in ihrer Anlage weitestgehend gleichen: Man legt mithilfe von gedrafteten Karten schöne, farbig-transparente Plättchen hinein und macht allein dadurch schon Punkte. Außerdem erhält man Bonuspunkte für besonders viele oder speziell angeordnete Plättchen. Der Clou sind jedoch Extrazüge, die man gewinnen und zu Kettenzügen ausbauen kann.

Wir finden das Spiel gar nicht übel, aber dann auch nicht gut genug für einen Kauf, da wir davon überzeugt sind, dass es an Variabilität und damit an Reiz fehlt, der es beim zehnten Mal noch auf den Tisch bringen soll.

Danach streichen wir die Segel bei Schmidt Spiele. Doch dieser Freitag wird in unserer Top-Ten-Liste der Messetage mit den meisten gespielten Spielen einen der vorderen Plätze einnehmen. Nur wenige Schritte weiter lassen wir uns bei The Game Master nieder. Die sympathischen Niederländer haben mir ihr King oft the Valley auf der Neuheitenshow sozusagen als das Spiel der Spiele angepriesen. Auch wenn das nicht wirklich ernst zu nehmen war, fühle ich mich dazu aufgefordert, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wir kriegen sofort einen Tisch und spielen zu zweit.

King Of The Valley - Foto von Axel Bungart

In einer quadratischen Auslage liegen 25 Personenkärtchen. Man sammelt diese nach und nach ein, legt sie auf ein Spielertableau und füllt die Auslage wieder auf. Eine auffällige Rutsche neben dem Spielplan dient dabei dem Nachschub. So erzielt man Sets von fünf Kärtchen oder sammelt Geld. Beides zählt am Ende für den Sieg. Nach 45 Minuten ist eine Partie vorbei. Das war dann zwar kein Überflieger, aber es spielt sich flüssig und ist geradlinig. Ein schöner Absacker für zwei oder mehr Spieler.

Wo wir gerade in den Niederlanden sind: Tulpenfieber

Unsere letzte Station an diesem Abend ist Amigo, wo mittlerweile keine Schlange mehr steht. Am Eingang kommt man sich fast vor, wie in einem schicken Restaurant. Man wird empfangen und zum Tisch geleitet, wo bereits eine Erklärbärin wartet. Wir entscheiden uns für Tulpenfieber, was eine gepimpte Kniffel-Variante ist. Zu uns gesellt sich Angelika, so spielen wir zu dritt.

Man würfelt anfangs mit vier Würfeln, versucht bestimmte Ergebnisse zu erzielen, die man auf einem Tableau mit so genannten Tulpenplättchen abdeckt. Durch geschicktes Würfeln kann man weitere Würfel dazu gewinnen. Unsere Mitspielerin ist so geschickt, dass sie sehr bald zwei weitere Würfel hat. Und nicht nur das. Sie braucht eine 2? Zack – gewürfelt. Sie möchte eine 6? Here we are! Wir empfehlen ihr eine Dauerkarte für ein Spielkasino und sind nach guten 20 Minuten ergebnismäßig bloßgestellt. Kniffel war noch nie mein Favorit. Zum Glück lernen wir nur im Spiel: Würfeln ist Glückssache. Mit einem gut gefüllten Repertoire an neuen Spieleindrücken setzen wir uns ins Auto und freuen uns auf den nächsten Tag.

Tulpenfieber - Foto von Axel Bungart

Der Messesamstag – Tag drei auf der SPIEL ‘21

Wie immer weht ein Hauch von Wehmut mit, wenn man am letzten Tag die Messe betritt. Wir verdrängen das schnell und sichern uns einen Tisch bei Portal Games und Dreadful Circus. Mit unserem dritten Mann und zwei weiteren Freunden spielen wir das Spiel mit den auffälligen Sichtschirmen, die eher an ein Gruselkabinett erinnern als an einen Zirkus. Das Spiel ist auf Englisch, die Erklärung zum Glück auf Deutsch. Unser Erklärer ist ob seiner lauten Stimme gut zu verstehen, wenngleich das Sprechtempo zeitweise erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Aber er erklärt vollständig, simpel, eindeutig. Well done!

Wir wollen eine Zirkusvorstellung aufführen und dazu Attraktionen in den Zirkus holen. Unsere Karten und die verdeckten Gebote dafür preisen wir daher an wie sauer Bier, was den Reiz des Spiels ausmacht. In der richtigen Runde bestimmt ein Burner. Wer nach wenigen Runden das meiste Geld gepaart mit den meisten Auftragskärtchen hat, gewinnt. Das ist erfrischend, wieder mal was anderes und daher habe ich meinen Spontankauf für diese Messe in der Tasche.

Mal eben im Vorbeigehen

Accrocher la Lune - Foto von Axel Bungart

Danach ziehen wir erst mal wieder durch die Hallen, damit auch unser Neuankömmling sich ein paar Eindrücke verschaffen kann. Wir spielen quasi en passant ein kleines Spiel an einem Stehtisch, Décrocher la Lune, bei dem man Leitern nach Würfelvorgabe stapeln muss, ohne dass das Gebilde zusammenbricht. Sowas spielen wir nur genau zu diesem Anlass, genau an dieser Stelle. Sonst nicht. Beim Schlendern durch die Hallen streifen wir noch zwei weitere Stand-up-Spiele: Pickit Dragons (Ludopolis), bei dem man Karten sammelt und Drachen auslegt, begeistert uns….. nicht. Anders ein Tennisspiel für den Tisch (womit daraus noch kein Tischtennis wird): Set & Match von Prétexte. Man schnippt eine Holzscheibe auf einem Tennisplatz über ein virtuelles Netz. Je nachdem, wo die Scheibe landet, erhält ein Spieler einen Vorteil oder sogar einen Punkt. Eine richtig gute Umsetzung mit einfachen Mitteln für die es Fingerspitzengefühl braucht.

Etwas später spielen meine beiden Freunde noch mal bei Amigo, dieses Mal Stich Rallye, ein Stichspiel, bei dem man mithilfe von gemachten und nicht gemachten Stichen ein Rennen gewinnen möchte. Und Milestones, das ein kooperatives Würfelspiel ist, bei dem der eigene Würfelwurf auch den Mitspielern nutzen kann. Die Spiele hätten mich auch interessiert, aber ich habe einen Termin bei Queen Games. Ein Mitarbeiter stellt mir die beiden Neuheiten Kokopelli und Scrap Racer vor, die man leider aber nicht spielen kann, da keine Spieltische zur Verfügung stehen (s. o.).

Während Scrap Racer (Anika & Sebastian Richter) ein einfacheres Push-your-luck-Rennspiel mit Karteneinfluss ist, ist Kokopelli von Stefan Feld ein Spiel um Einfluss auf und Abhängigkeiten von Aktionen der Mitspieler, indem man Zeremonien eröffnet oder beendet. Besonderheit: Jede Partie kann mit verschiedenen Karten gespielt werden.

Kokopelli - Foto von Axel Bungart

Die Wikinger würfeln

Etwas später ist unser Trio wieder vereint. Es dauert aber bis zum Nachmittag, bis wir das nächste Spiel gemeinsam spielen. Bei dem norwegischen Verlag Chilifox ist es Riverside, für das wir kurzerhand einen Tisch finden. Autor Eilif Svensson ist wohl am ehesten durch Trails of Tucana bekannt. Auch Riverside ist ein Roll & Write, bei dem Würfel dazu eingesetzt werden, Kästchen abzustreichen. Dafür gibt es Tickets, für die Tickets Punkte und wenn man alle Kästchen in einem Bereich abstreicht, Bonuszüge. Leider versteh ich die Erklärbärin akustisch äußerst schlecht, so dass bei mir zwischendurch immer nur „….dice………dice…..“ ankommt. Dass es um Würfel geht, wusste ich ja. Aber das ist effektiv zu wenig, um es spielen zu können und so müssen meine beiden Freunde hinterher noch mal ran, damit wir spielen können. Vielleicht brauche ich auch ein Hörgerät.

Nach nur wenigen Würfelrunden ist eine Partie vorbei und es gewinnt, wer aus vielen Kreuzen noch mehr Punkte gemacht hat. X-&-Write-Spiele sind zurzeit „in“. Auch das kann man spielen. Aber auf Dauer fehlen mir Spielsteine, was zum Anpacken.

Marketing ohne Erfolg

Zwischendurch machen wir wieder Pause. Diese Mal am Ostende der Galeria, wo wir uns eine Currywurst mit Pommes gönnen. Manchmal gibt es nichts Besseres. Von da aus geht es in Halle 6, wo ich mir Mind Bug (Nerdlab Games) erklären lasse. Autor Marvin kann schon mal eines: Marketing. Nicht nur, dass er mich im Vorfeld erfolgreich zum Stand gelockt hat, preist er sein Kartenduell in einer Weise an, die kaum einen Widerstand zulässt. Da das aber so gar nicht mein Genre ist, kann ich mich in einer Sprechpause dem Sog entziehen und wir ziehen weiter.

Lamas aus den Bergen

P’achakuna

Auch in Halle 5 hatte ich mir einige Spiele notiert. Leider sind an den meisten Ständen nur ein bis zwei Tische, die auch nicht frei sind, sodass wir hier leider nichts spielen können. Am Stand von Treeceratops gibt es P’achakuna, einem Spiel für zwei mit Lamas, die Waren einsammeln und abliefern müssen. Eine wirklich schöne Aufmachung und ich glaube, auch ein gutes Spiel. Aber der schweizer Verlag hat gar keine Tische aufgestellt, sodass man sich das Spiel nur erklären lassen kann. Für 36 EUR ist mir das als Blindkauf aber ein Ticken zu viel. Ich lasse es stehen, bin aber hin- und hergerissen.

Literatur-Patience

Nach systematischem und ausgiebigem Durchkämmen der Halle 5 landen wir schließlich wieder in Halle 3. Es ist schon nach 17 Uhr, d. h., wir sollten noch was spielen, denn bald ist Schicht. Erneut bei Kosmos bekommen wir sowohl einen Tisch als auch ein Spiel: Kingsbridge. Unsere Assoziationen gehen in Richtung der Trilogie der Spiele zu den Romanen von Ken Follet. Unser Erklärbär bremst aber die Erwartung, und das mit Recht. Kingsbridge ist nichts anderes als ein optisch aufgewertetes Mehrspieler-Patience-Spiel. Wir spielen das, weil wir nun mal hier sind und haken das für uns ab. Aber auch unser zweites Spiel hier, Redcliff Bay Mysteries, kann uns nicht begeistern. Es ist ein Deduktionsspiel, bei dem man Hinweise von Karten erhält und aus diesen Schlüsse auf einen Übertäter ziehen muss. Wir bemerken, dass es für solche Art Spiel und die dafür erforderlichen logischen Schlüsse für heute zu spät ist. Unser Tipp auf den Täter geht in die Hose, was uns weder wundert noch stört.

Die junge Bärin legt sich ins Zeug

Tiny Turbo Cars

Aus purer Verzweiflung suchen wir unser Glück nochmal in Halle 1. Und siehe da – wir spielen eine Partie Tiny Turbo Cars bei den HeidelBÄREN. Unsere junge Erklärbärin (bei diesem Verlag ist die Bezeichnung ja richtiger denn je) zeigt auch eine halbe Stunde vor Messeschluss keinerlei Verschleißerscheinungen und erklärt uns schnell, treffsicher und überaus sympathisch die Regeln. Kompliment! Wir steuern mittels Schieberätseln unser Auto durch einen Parcours und müssen dabei Hindernissen ausweichen. Das sind gleich drei Schwierigkeiten auf einmal, was aber zu witzigen Situationen führt. Wir haben 20 Minuten Spaß, unsere Erklärbärin auch und somit war das doch noch ein versöhnlicher Abschluss für unseren letzten Messetag 2021.

Fazit der SPIEL ‘21

Spukschloss - Foto von Axel Bungart

Wir haben eine Messe erlebt, wie wir sie voraussichtlich kaum wieder erleben werden und auch, mit Blick auf die Umstände des Zustandekommens, gar nicht wieder erleben möchten. Das Absurde daran: Man möchte es kaum aussprechen, aber die Reduktion an Ausstellern um knapp die Hälfte und der sehr viel geringere Zuspruch von insgesamt „nur“ 93.600 Besuchern (2019: 205.000) haben die Messe für die, die da waren, attraktiver gemacht. Die Staus, die Wartezeiten und Schlangen, das Gedränge in den Gängen: Dinge, die einem in den letzten Jahren die Messe ein bisschen verleidet haben, waren dieses Jahr kaum vorhanden. Und wenn uns nicht diese oder eine andere Pandemie einen Strich durch die Rechnung macht, wird das im nächsten Jahr wieder alles eintreten. Darauf freue ich mich nicht wirklich. Dass man viele Spiele nicht kaufen konnte, weil die Lieferketten unterbrochen sind, ist sehr ärgerlich. Doch niemand der Beteiligten hier hat darauf Einfluss und es wird uns noch eine Zeit lang begleiten.

Wenn das Hygienekonzept des Veranstalters gegriffen hat, woran ich glaube wegen der Menschen, die es sehr diszipliniert, teils vorbildlich umgesetzt haben – Veranstalter + Aussteller + Besucher – dann war die Messe ein Erfolg. Wir sehen uns wieder auf der SPIEL ’22, vom 06.-09.10.22.

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3 Kommentare

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Dirk Janßen 19. Oktober 2021 at 11:12

Wieder schöner Bericht von Dir, Axel. An welchem Tag warst Du denn am Feuerlandstand? Denn Freitag saß ich um 9:30 Uhr ca. eine Stunde am frei verfügbaren Spieltisch, also direkt an der Schlange. Da hätten wir uns sehen können/müssen…

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Axel Bungart 19. Oktober 2021 at 16:57

Ich war freitags um 11:45 h da. Bis 13:15 h.
Um 9:45 h stand ich (vorne) in der Schlange für die Platzreservierung.
Haben die tatsächlich um halb zehn schon spielen lassen?

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Dirk Janßen 19. Oktober 2021 at 19:47

Nein. Wir haben zu dem Zeitpunkt nur Platz am Tisch genommen.Das war der Tisch, an dem man ohne Termin spielen konnte, wenn man denn das Glück hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Keine Ahnung, wann wir dann genau angefangen haben. Aber um 9:45 Uhr war ich da und die Schlange ist an uns vorbeigezogen. Aber mit Maske erkennt man ja niemanden.

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