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Bericht zur Spiel in Essen 2011

Essen 2011 - Neuheiten

Spielemesse: Es knirscht im Gebälk

blankEigentlich ist doch alles schön. Jede Menge Rekorde, viele nette Leute und Hunderte von neuen Spielen. Die Spieleszene ist groß, schön, vielfältig und, und, und … Doch schaut man näher hin, knirscht es im Gebälk. Der Spielemarkt ist gesättigt und Innovationen kommen nicht mehr aus Deutschland. Diese Erkenntnis ist das Ergebnis aus geflüsterten Gesprächen mit vielen Kennern und Verlagen auf der Spiel 2011 in Essen.

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Die Spielemesse kann wahrlich nicht mit Rekorden geizen. Dem Merz-Verlag als Veranstalter ist es gelungen, noch einmal die Zahlen nach oben zu schrauben. Vom 20. bis 23. Oktober 2011 zeigten in den Messehallen in Essen 810 Aussteller ihre Spiele oder Angebote. So viele waren es noch nie. Diese kamen aus 34 Nationen, auch das ist ein Rekord. Der Anteil ausländischer Aussteller auf der Spielemesse ist noch einmal auf einen Rekord gestiegen und liegt nun bei 48 Prozent. Der Markt wird also zur Hälfte von Verlagen jenseits der Grenzen besetzt. Zumindest was die Zahl der Anbieter angeht. Insgesamt wurden rund 750 Neuheiten gezählt. Dass darunter jede Menge kleine Erweiterungen oder Frühjahrsneuheiten waren, ist im Grunde belanglos. Denn die Zahl ist gegenüber den Vorjahren dennoch gewachsen. Das Angebot ist also relativ größer. Und das zählt und macht sich bemerkbar. Und genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Was für den einen ein Schlaraffenland von Neuheiten ist, bei denen jedes Spiel seinen Käufer finden kann und jeder Käufer sein Spiel, ist für den anderen ein Fluch. Denn die Spielejournalisten und Jäger von Brettspiele-Perlen müssen zusehen, dass dieses auf der Spielemesse gezeigte Überangebot nicht dazu führt, dass gute Spiele einfach untergehen: Sie werden schlicht nicht mehr so gut wahrgenommen. Der Verdrängungswettbewerb läuft unterschwellig auf Hochtouren, wovon die Spieler kaum etwas mitbekommen.

Aus dieser Gemengelage entwickeln sich immer spürbare ernsthafte Probleme in der Spieleszene. Die Spielemesse in Essen 2011 hat das ganz deutlich gezeigt. Da gibt es Verlage wie Selecta Spielzeug, die mit erstklassigen Kinderspielen (Kinderspiele des Jahres, Plätze auf den Empfehlungslisten) scheinbar kein Land gewinnen und zukünftig auf Kinderspiele ganz verzichten. Da gibt es Verlage wie Winning Moves, die gar nicht erst zur Messe antreten und mehr und mehr ausschließlich Lizenzthemen bearbeiten. Von Autorenspielen ist kaum noch etwas zu sehen. Es gibt Verlage, die sich auf gut funktionierende Systeme beschränken und zum Beispiel im Party- und Quizspielsegment bleiben und dabei die bestehenden Spielemarken pflegen. Es gibt Anbieter wie Days Of Wonder, die auf Erweiterungen statt Neuheiten setzen. Es gibt Verlage, die mehr Masse machen, um am Ende etwas vom Kuchen abzubekommen. Es gibt ganz wenige Verlage, die auf echte Neuheiten verzichten, um die Frühjahrsneuheiten besser zu präsentieren. Und es gibt Gerüchte um mehrere Verlage, die kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen sollen. Solche Gerüchte gab es schon immer, aber dieses Jahr haben sie sich verdichtet und es fielen mehr Namen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Markt in diesem Punkt entwickelt oder sogar bereinigt. Welches System zu den Problemen führt, zeigt der Beitrag Die sich drehenden Spiele im Ladenregal“.

Selbst die Fachgruppe Spiel konnte dieses Jahr auf der Spielemesse erstmals seit langer Zeit keine glänzenden Zahlen präsentieren. So konnten sich im ersten Halbjahr 2011 lediglich die Kinderspiele auf einem guten Niveau halten. Einen Einbruch gab es dagegen bei den Trading Card Games, die seit jeher starken Schwankungen durch TV-Werbung und –Serien unterliegen. Ein Rückgang um 30 Prozent ist allerdings ein echter Schlag ins Kontor. Die Umsatzzahlen für Gesellschaftsspiele und Puzzles insgesamt gingen entsprechend um sieben Prozent zurück. Die Fachgruppe weist darauf hin, dass Ostern spät lag und es bereits warm und sonnig war. Ein Grund, keine Brettspiele mehr zu verschenken? Zumindest sei die Aussicht auf das Weihnachtsgeschäft vielversprechend. Berücksichtigt man aber, dass beim Export ein Wachstum zu verzeichnen ist und viele Verlage in den USA (mit großen Auflagen), Fernost und Europa einiges an Stückzahlen verkaufen und lizenzieren, erscheinen die sieben Prozent Rückgang in einem anderen Licht. Denn wenn der Export zulegt, muss der Rückgang in Deutschland noch stärker sein. Die Fachgruppe Spiel zeigt sich trotz allem zuversichtlich und verweist darauf, dass Gesellschaftsspiele „ein krisen- und konjunktursicheres Produkt“ seien.

Sicher scheint zumindest, dass die Spieler eine riesige Auswahl haben. Die Spielemesse in Essen hat das eindrucksvoll bewiesen. Der Trend aus den Vorjahren setzt sich dabei fort: Die Zersplitterung des Angebots führt dazu, dass es für jede Nische tolle Spiele gibt. Neben den Klassikern, Standards und Erweiterungen, gibt es einen kleinen Trend, der in den kommenden Jahren die Spielemesse und die Spieleszene stark verändern könnte: Das Angebot von Elektronik und Umsetzungen für Online-Plattformen steigt. Es gibt vor allem immer mehr Spiele für das iPad oder andere Tablet-PCs sowie Smartphones. Hier schlummern ein riesiges Potenzial und irgendwann einmal die Möglichkeit, ein Teil der Gesellschaftsspiele zukünftig vielleicht sogar nur noch zu programmieren, statt zu produzieren.

Wer wachsam durch die Hallen der Spielemesse in Essen schlenderte konnte den einen oder anderen wahrscheinlichen Hit zwischen der Masse an „Durchschnitt auf hohem Niveau“ finden. Ein paar Spieletipps stellen wir in dem Artikel vor: Die Perlen aus dem Essener Messemeer. Schlendern ist übrigens ein gutes Stichwort. Die Organisation der Messe war an einigen Punkten spürbar verbessert. Keine großen Würfe, aber nervige Kleinigkeiten wurden ausge“merzt“. So war insbesondere der Einlass selbst am vollen Samstag sehr gut organisiert und das Rauchverbot wurde tatsächlich eingehalten. Auch kamen zumindest am Donnerstag und Freitag die Besucher auch mit Rollkoffern, Rollstühlen und Kinderwagen relativ gut durch die Hallen. Die Preise für gastronomische Angebote bleiben aber messetypisch jenseits von Gut und Böse. Die Spiele auf der Spielemesse hingehen, wurden zum Teil zu Ramschpreisen verschleudert – allerdings nur die aus den Vorjahren. Die Neuheiten waren preislich – zumindest gefühlt – noch einmal um wenige Euro teurer. Angesichts der Gesamtsituation bei Materialpreisen und der aktuellen Abwärtsspirale scheint sich das auch für die kommenden Monate nicht zu ändern. So ist auch auf der Spielemesse 2012 wieder mit vielen neuen Brettspielen, Kartenspielen und Kinderspielen zu rechnen, die preislich an der Oberkante liegen, aber qualitativ im Großen und Ganzen allesamt so gut sind, dass sie viel Spaß und Freude bringen. Wer sich davon überzeugen möchte, notiert schon einmal den Zeitraum 18. – 21. Oktober 2012. Denn dann findet die Spielmesse „Spiel ´12“ in Essen statt – die 30.!

Hinweis: Von der Spielemesse haben wir auch ausgiebig per Twitter und Facebook berichtet. Wer uns da „followed“ oder „liked“, ist immer aktuell auf dem Laufenden.

Unsere Berichte zur Spielemesse Spiel ’11 in Essen

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