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Interview mit Michael Knopf

Michael Knopf von Michael Knopf

Sondersiegpunkt

Michael Knopf war Mitglied der Jury „Spiel des Jahres“, hat lange Zeit für die Süddeutsche Zeitung und anschließend für die Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeine Zeitung Rezensionen geschrieben. Seit Januar 2004 wagt er auf seiner Webseite Siegpunkt einen kostenpflichtigen Abo-Service für seine aktuellen Rezensionen. Vier Monate nach Start seines „Sondersiegpunktes“ stand er Reich der Spiele Rede und Antwort zu seinem Angebot und zum Thema Spiel als solchem.

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Michael, seit vier Monaten (Januar 2004) stellst du die Rezensionen auf deiner Webseite siegpunkt.de den Leserinnen und Lesern nur noch gegen ein geringes Entgelt zur Verfügung. Wie kam es zu diesem Schritt und haben die Leserinnen und Leser diesen Wechsel mitgetragen?
„Nach vielen Jahren als Redakteur fand ich mich unversehens als freier Journalist wieder und hatte eine Erleuchtung: Mensch, das Geld kommt ja gar nicht mehr automatisch am Monatsende, du musst es dir Tag für Tag verdienen! Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger sah ich ein, warum ich meine Arbeit verschenken sollte – früher war sie ja eine Art Zweitverwertung, nun hatte ich aber speziell fürs Netz zu schreiben. Andere mögen das machen, vielleicht als Hobby oder weil sie ihre Meinungen für unverzichtbar halten, ich muss aber als ‚Profi‘ auch irgendwie leben. Das heißt jetzt nicht, dass der ‚Sondersiegpunkt‘ dazu spürbar beitragen würde, doch es ist ein weitaus besseres Gefühl, für einige Kunden zu schreiben als für viele, die gerne alles umsonst haben möchten und selbst vermutlich von Luft und Würfeln existieren.
Natürlich habe ich damit Leser oder besser gesagt: ‚Page-Viewer‘ verloren und bin zum Beispiel bei luding.org mit meinen aktuellen Kritiken nicht mehr vertreten. Das kann ich ertragen; wichtiger ist, dass es doch nicht ganz so wenige gab und gibt, die offenbar tatsächlich meine individuelle Arbeit schätzen und bereit sind, dafür ein bisschen was auszugeben.
In allen anderen Bereichen ist es normal, dass jemand mit seinem Beruf Geld verdienen möchte, nur im Internet muss man es begründen – komisch eigentlich, oder?“

Magst du uns sagen, wie viele Leserinnen und Leser deiner Seite prozentual das Angebot nutzen?
„Hm, tut mir leid, aber das soll ein Betriebsgeheimnis bleiben; ich habe ja keine Werbung auf meinen Seiten und muss deshalb auch keine Auflagenzahlen herausrücken.
Prozentual lässt sich das ebenfalls nicht ausdrücken, weil ich in diesem Sinne vorher keine Leser hatte, bloß Besucher, und Besucher gibt es nach wie vor weitaus mehr als Abonnenten. Nur dies jetzt: Von den drei Werten, die ich mir vorher gesetzt hatte – ‚muss mindestens sein‘, ‚wäre schon ein Erfolg‘ und ‚wäre eine Traum‘ -, habe ich in etwa den mittleren erreicht. Und seit ich gelesen habe, wie viele beziehungsweise wenige Online-Abonnenten zum Beispiel mittlere Tageszeitungen gewinnen, wenn sie auf Bezahlung umstellen, bin ich erst recht ein wenig stolz, zumal da allgemein die Auffassung ’so was geht nicht‘ herrscht(e). Trotzdem können es natürlich gerne noch etwas mehr werden.“

Was kostet der Sondersiegpunkt, welche Gegenleistung bietest du?
„Er kostet 6,50 Euro im Jahr, und es gibt dafür mindestens 26 Rezensionen, also alle zwei Wochen eine. Die Kritiken sind, anders als früher, recht aufwendig gestaltet, mit Fotos und einer Spalte für etliche Zusatz-Informationen von ‚Kurzkritik‘ bis ‚Weitere Werke‘, und sie sind als pdf-Dateien angelegt, also problemlos zu sammeln und auszudrucken. Ich denke und hoffe, dass das sein Geld wert ist.“

Ist ein Ausbau deines Angebotes in Form von weiteren oder häufigeren Inhalten geplant?
„Diverse Ideen habe ich, doch was davon Plan oder gar Wirklichkeit wird, weiß ich noch nicht. Da ich gerade in einer größeren beruflichen Revolutionsphase bin und etwas ganz Neues beginne, das nur sehr am Rande mit Journalismus zu tun hat, kann ich den künftigen Arbeitsanfall kaum absehen; und selbstverständlich muss der Aufwand in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen. Insofern hängt nicht nur die Abonnentenzahl vom Inhalt ab, sondern es gilt vor allem auch die umgekehrte Reihenfolge: Je mehr zahlen, desto mehr kann ich machen.“

Du hast deine Tätigkeit als Rezensent bei Tageszeitungen angesprochen. Glaubst du, dass es ein Fehler von den Verlagen ist, auf Spielebesprechungen zu verzichten? Als Mann an der Quelle kennst du – zumindest die offiziellen – Begründungen für das Einstellen der Rezensionen: Sind das nur Kostengründe oder interessieren Spiele trotz der durchaus nicht geringen Verkaufsahlen im Vergleich zum Beispiel zu Musik-CDs zu wenig Zeitungsleserinnen und -leser?
„Selbstverständlich und ganz eindeutig ist es ein Fehler, nicht nur aus irgendwie kulturellen oder anderweitig höheren Gründen, sondern auch im Hinblick auf die Wünsche der Leser und damit rein wirtschaftlich, gerade in diesem Land, das ja ein Spiele-Land ist.
Es gibt dafür nach meiner Erfahrung und Meinung zwei wesentliche Ursachen: Zum einen haben die wichtigen Herren – und es sind ja meist Herren, die entscheiden – von Spielen keine Ahnung. Sie kennen gerade mal Skat und vielleicht Schach, weshalb die Schach-Ecke ewig lebt, wohingegen die ‚kindische‘ Spielekritik beim kleinsten Gegenwindchen weichen muss. Zum anderen ist das Spiel, anders als Musik oder Literatur, trotz aller einschlägigen Bemühungen keineswegs als ‚Kulturgut‘ oder auch nur als zeitgeistige Notwendigkeit wie das PC-Spiel anerkannt – Kultur ist Pflicht auch in schlechten Zeiten, Brettspiel aber ist Kür und damit schnell gestrichen. Also hängt die Existenz der Spielekritik immer vom Engagement Einzelner ab, besser gesagt: von der innerredaktionellen Macht, die diese Einzelnen haben. Und meist haben sie leider keine. Andererseits: Wenn sich die Leser nicht massiv beschweren, wie sie es beispielsweise bei jedem Angriff aufs heilige Kreuzworträtsel tun, haben sie es vielleicht auch nicht anders verdient.“

Zum so genannten „Kulturgut Spiel“: Dieses zu fördern, ist die Jury „Spiel des Jahres“ angetreten. Du bist dort bis vor einiger Zeit Mitglied gewesen und hast damit viele der Auszeichnungen mitgetragen. Glaubst du, dass die Jury das „Kulturgut Spiel“ in den letzten Jahren ausreichend gefördert hat – sowohl mit ihrer jeweiligen Entscheidung als auch mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit?
„Oje, das ist ein schwieriges Gebiet – nicht nur, weil ich ja als ‚Betroffener‘ gelte und jede Aussage zwangsläufig mit dem Hintergedanken ‚der hatte die Nase voll, also tritt er nach‘ gelesen wird. Die Frage ist ja schon, ob die Jury tatsächlich das ‚Kulturgut‘ fördern kann und will oder doch eher das ‚Wirtschaftsgut‘. Die nächste Frage wäre, was ‚Kultur‘ hier eigentlich bedeutet und was gegebenenfalls daraus zu folgen hätte … Kann man zum Beispiel Kultur fördern wollen und gleichzeitig darauf achten, dass möglichst viele Menschen mit dem Preisträger zurecht kommen? Sollen spielerische Hochleistungen belohnt oder soll das Volk zum Spielen erzogen werden? Und wie funktioniert das alles angesichts dessen, dass die Jury auf kontinuierliche Einnahmen zwingend angewiesen ist und sich widerborstige Entscheidungen deshalb gar nicht leisten kann?
Aber konkret: Eine Öffentlichkeitsarbeit, die sich halbwegs professionell nennen dürfte, findet nach wie vor nicht statt – dafür genügt es nicht, einmal im Jahr ein wenig Tamtam zu machen und ansonsten dort ein paar Tische aufzustellen, wo sowieso Spieler sind. Der so genannte Durchschnittsdeutsche weiß, dass es das ‚Spiel des Jahres‘ gibt, und er kauft es; mehr weiß er nicht, und mehr spielt er auch nicht. Das ist besser als nichts und durchaus ein Erfolg, aber Öffentlichkeitsarbeit wäre etwas anderes. Das hat alles nichts mit dem ehrenwerten individuellen Engagement mancher Jury-Mitglieder zu tun, sondern liegt an der Struktur des Vereins.“

Gibt es Spiele, die du unter Berücksichtigung der gesetzten Jury-Maßstäbe in der Liste der Preisträger vermisst hast, beziehungsweise gibt es welche, die du alleine selbst nicht unbedingt zum Spiel des Jahres gemacht hättest?
„Einzelne Titel möchte ich hier nicht nennen, ich bin ja nicht der Oberzensor und die letzte Instanz. Grundsätzlich habe nicht nur ich manche Spiele vor allem auf der Auswahlliste Kopf schüttelnd vermisst und die Anwesenheit von anderen sehr bestaunt; auch bei den ‚Nominierten‘, die ja nach dem bisherigen Modus alle hauptpreis-tauglich sein sollten, gab es so manche Überraschung, etwa ‚Puerto Rico‚, ein Spitzenspiel, das aber nach den aktuellen Maßstäben der Jury wohl niemals hätte gewinnen können. Umgekehrt gab es Nominierte, bei denen ein Sieg eher peinlich gewesen wäre – aber über solche Details kann man lange streiten, das ist eher müßig. Die ‚Spiele des Jahres‘ selbst fand ich in Ordnung, wobei vielleicht ‚Villa Paletti‚, das ich persönlich mag, doch ein wenig zu sehr in Richtung Kinderspiel ging.
Ich halte es aber gar nicht für so sehr wichtig, ob in jedem Jahr jeder Titel jedem gefällt, das kann es gar nicht geben. Entscheidend ist oder wäre, welche Grundhaltung und welche Motive hinter der Vergabe stecken und wie die Jury mit der Macht umgeht, die sie in der Branche zweifellos hat; und wie die Branche auf gewisse Menschen und Mechanismen reagiert, freundlich lächelnd und heimlich schimpfend oder womöglich auch mal mit einem vernehmbaren Widerspruch.“

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