Piratenträume
Auf der Spiel ’04 in Essen stellt Winning Moves das Spiel Karibik von Michail Antonow und Jens-Peter Schliemann vor. Wir haben die beiden Autoren zu ihrer Neuheit befragt.
Wodurch hebt sich Karibik von anderen Spielen mit Piraten-Thema ab?
„Eine Besonderheit unseres Karibik ist, dass die sechs Piratenschiffe selbstständige Einheiten sind, die keinem der Spieler gehören. Die Spieler besitzen lediglich je drei Schlupfwinkel auf dem Karibikplan. Ihr Ziel ist es, möglichst größere Reichtümer anzuhäufen. Da sie aber selbst keine Schiffe besitzen, müssen sie die Piraten veranlassen, reiche Hafenstädte zu überfallen und die geraubten Schätze in ihre Schlupfwinkel abzuliefern. Und womit besticht man Piraten am besten? Mit Rum natürlich, gleich fässerweise!
Also müssen sich die Spieler erst einmal um die Gunst der Piratenmannschaften bemühen. Jeder Spieler will die Schiffe natürlich für sich fahren lassen, aber das möchten seine Mitspieler auch. Gleichzeitig und geheim bieten alle den Piratenmannschaften auf den Schiffen ihren Rum an. Alle haben in jeder Runde gleich viel Rum zur Verfügung und somit gleich gute Chancen, an die Schiffe zu kommen. Der Meistbietende übernimmt das Kommando über ein Schiff – aber nur in der laufenden Runde. Zu Beginn der nächsten Runde wird wieder völlig neu disponiert. So ist es in jeder Runde für jeden Spieler beim Aufdecken der Rum-Gebote eines Schiffs spannend und überraschend, ob der eigene Einsatz geglückt ist.
Bei Karibik befinden sich die Spieler in ständiger Interaktion – deshalb ist Intuition hier besonders wichtig. Jeder Spieler überlegt seine Möglichkeiten mit jedem Schiff auf dem Karibikplan. Somit befinden sich die Spieler schon bei Ihren Planungen in direkter Konkurrenz um die Schiffe, und es schneidet derjenige am besten ab, der die Gedankengänge seiner Mitspieler besser erraten kann. Einfühlungsvermögen ist hier mehr gefragt als strategische Weitsicht.
Wir haben bisher sehr viel Spaß mit dem Spiel erlebt – ob jung oder alt, ob erfahrene oder Wenigspieler. Karibik ist ein Familienspiel – leicht, gesellig und lustig.“
Gibt es Tipps, auf was Spieler – besonders in der ersten Partie – achten sollten, um das Spiel wirklich genießen zu können? Gibt es Dinge, die vermieden werden sollten?
„Um Karibik zu spielen und zu genießen, braucht man keine langen und umständlichen Anweisungen. Die Regel ist kurz und wird auch von Leuten mit wenig Spielerfahrung schnell erfasst. Man kann also auch gleich loslegen. In den ersten Spielen könnten folgende Tipps allerdings hilfreich sein:
Denke stets daran: auch deine Mitspieler bemühen sich um die Schiffe, die du haben möchtest. Karibik ist kein Spiel, wo jeder ungestört vor sich hin wurschteln kann. Deshalb ist es wichtig, immer mit zu überlegen, wo die Mitspieler ihre stärksten Rumkarten vermutlich einsetzen werden?
Du solltest in jeder Runde klare Prioritäten setzen. Jedes Schiff kannst du nicht bekommen. Bei zwei Spielern nicht und erst recht nicht im Dreier- oder Viererspiel. Also musst du abwägen, was besonders wichtig oder gar entscheidend ist, und dann – abgestuft – was wünschenswert, aber auch verzichtbar ist.
Denke an die Möglichkeit, Kettenaktionen zu planen und auszuführen. Die Regel erlaubt, innerhalb einer Runde eine Schatzkiste von Schiff zu Schiff so zu rauben beziehungsweise weiterzureichen, dass sie letztlich in einen eigenen Schlupfwinkel landet. Dabei solltest du stets bedenken, das die Schiffe in alphabethischer Reihenfolge aktiv werden. So kann es durchaus gelingen, zum Beispiel eine wertvolle Schatzkiste zuerst mit der Caribic zu rauben und sie in die Nähe von Diabolo zu bringen, sie dann mit der Diabolo weiter weg zu transportieren, und schließlich mit der Elvira in einen eigenen Schlupfwinkel in Sicherheit zu bringen. Denkt man an Kettentransporte von Schiff zu Schiff, eröffnen sich vielfältige neue und überraschende Kombinationsmöglichkeiten. Allerdings nützt es zum Beispiel nichts, die Kontrolle über das Schiff Bravo zu gewinnen, wenn vorher ein anderer mit der Arriba die fette Beute von der Bravo weggeschnappt hat.
Sei flexibel. Es wird zum Beispiel gelegentlich vorkommen, dass ein Schiff von zwei oder noch mehr Spielern gleich stark begehrt wird, dass es also zum Patt kommt und dann keiner das Schiff bewegen darf. Für jeden am Patt Beteiligten ist dies zunächst ärgerlich. Kleiner Trost: Immerhin hat der andere das Schiff auch nicht gekriegt! Vor allem aber: Das Spiel geht gleich weiter. Es sind immer noch andere Schiffe auf dem Brett, mit denen du manches anstellen kannst!
Setze die Dieb-Karte gezielt ein, denn damit kannst du einem Schiff einen Schritt wegnehmen. Setze den Dieb dort ein, wo du keine Chance siehst, das Schiff selbst zu bekommen, wo du aber einen Mitspieler wirksam daran hindern kannst, seinen Schlupfwinkel zu erreichen. Um dann vielleicht noch mit einem folgenden Schiff die Beute zu rauben und selbst nach Hause zu bringen.
Das wichtigste: Nimm’s leicht! Spiel locker nach Gefühl! Langes Grübeln führt nicht unbedingt zum besseren Abschneiden. Einfühlungsvermögen und Risikobereitschaft bringen mehr – vor allem: Spaß!“
Ihr habt das Spiel zusammen entwickelt. Wie habt ihr euch kennen gelernt?
„Bei einem Treffen der regionalen Spieleautorenzunft-Gruppe Köln-Bonn im Jahr 1996. Wir kamen ins Gespräch über unsere gemeinsame Leidenschaft für abstrakte Denkspiele. Jeder von uns war freudig überrascht, endlich einen ebenbürtigen Partner für ein Spiel wie Reversi gefunden zu haben. Wir trafen uns gelegentlich, um Reversi und andere abstrakte Spiele zu spielen, was unseren gegenseitigen Respekt begründete und festigte. Sehr schnell kam dann heraus, dass wir beide schon Spiele gemacht hatten und weiter entwickeln wollten. Zunächst tauschten wir Meinungen und Ratschläge über einzelne eigene Projekte aus. Dann begannen wir spaßeshalber die eine oder die andere Idee gemeinsam weiter auszubauen. Um eines Tages zum logischen nächsten Schritt zu kommen: Das Ding funktioniert ja gut, bieten wir es doch einem Verlag an! Seitdem haben wir einige Spiele und Spielkonzepte gemeinsam entwickelt.“
Euch verbindet die Leidenschaft für abstrakte Spiele? Karibik scheint nicht ganz in diese Richtung zu gehen. Stand hier dennoch ein abstrakter Mechanismus Pate?
„Die Zeitschrift ‚Abstract Games Magazine‘ und das Internet-Portal about.com hatten 2002 einen Wettbewerb ausgeschrieben für einfache, selbst zu bastelnde Spiele mit simultaner Aktion. Michail reichte sein Spiel Elasta ein, das in die Finalisten-Runde kam. Elasta ist ein kleines abstraktes Zwei-Personen-Spiel, bei dem uns auffiel, dass es auch Kindern und Wenigspielern Spaß machte. Da hat es uns gereizt, auf dieser Grundlage ein unterhaltsames Familienspiel mit Thema zu schaffen.
Das Piraten-Thema war relativ schnell gefunden. Piraten, wie man sie eben so kennt: gesetzlos, treulos, immer bereit, für ein paar Fässer Rum eine Stadt zu plündern oder andere Schiffe zu überfallen. Genau das waren die Gestalten, die wir für unsere beweglichen Einheiten auf dem Spielbrett brauchten.
Was folgte, war eine rund zwei Jahre dauernde intensive Entwicklung, die wir unmöglich in wenigen Sätzen wiedergeben könnten. Besonders zu erwähnen ist allerdings die originelle Idee von Jens-Peter, die Schiffe und die Kartenhalter aus Pappstanzteilen zusammenzustecken, die unserem Spiel sein unverwechselbares Flair verleiht.“
Sind aktuell weitere Spiele von euch gemeinsam geplant?
„Ja, wir arbeiten weiter gemeinsam an dem einen oder anderen Prototypen. In letzter Zeit haben wir uns immer weiter von den abstrakten Spielen entfernt. Wir möchten gemeinsam Spiele entwickeln, die einem möglichst breiten Publikum Spaß, Freude und gesellige Unterhaltung bringen. Wir sehen Karibik als Bestätigung dafür, dass wir uns gut ergänzen können und dass unsere Zusammenarbeit fruchtbar sein kann.
Dies schließt aber andere Projekte und Partnerschaften nicht aus. Jens-Peter kooperiert weiter mit anderen Spieleautoren wie im Team Annaberg mit Marcel-André Casasola Merkle, Christwart Conrad und Bernhard Weber sowie Kirsten Becker und Reiner Stockhausen. Michail arbeitet auch alleine an anderen eigenen Ideen.“
Habt ihr noch weitere Infos über Karibik für uns?
„Es ist gleich interessant als Zweier-, als Dreier- oder als Viererspiel. Allerdings verändert sich mit der Spielerzahl auch der Charakter des Spiels.
Das Zweierspiel ist eher mit einem Wettkampf zu vergleichen, bei dem neben dem taktischen Geschick auch ein gutes Einfühlungsvermögen von Vorteil sein kann. Deshalb ist Karibik sehr gut geeignet zum Beispiel für Paare, die in rein strategischen Denkspielen selten ebenbürtig sind.
Beim Dreierspiel kommt der psychologische Faktor vielleicht noch stärker zum Tragen. Auf zwei Gegenspieler kann man sich noch recht gut einstellen und die taktischen Lücken finden, bei denen die Mitspieler einem nicht in die Quere kommen. Wenn ich richtig errate, was meine beiden Gegner vorhaben, kann ich an anderer Stelle kassieren. Gelegentlich kommt man auch per glücklichen Zufall in den Genuss günstiger Situationen.
Zu viert ist alles viel turbulenter und weniger planbar. Schließlich hat hier jeder Spieler gleich drei Gegner, die ihm bei jedem Schiff in die Quere kommen. Dafür ist es zu viert aber auch am lustigsten. Da wird geflachst und gelacht, da werden Sprüche gekloppt, wird laut geklagt und gejubelt. Der Zufall macht sich hier natürlich auch bemerkbar.
Karibik ist ein Spiel, in dem jeder Spieler in jeder Runde gleich gute Voraussetzungen hat. Das erbeutete Geld hat keinen Einfluss auf die Möglichkeiten der Spieler in einer Situation. Ob am Anfang oder in der letzten Runde – die Spieler verfügen in jeder Runde über die gleichen Rumkarten. Es liegt dann allein an den Spielern, wie sie ihre Karten einteilen und was sie damit erreichen.“
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