Bernd Eisenstein über die Zeit vor der Spiel aus Kleinverlagssicht
Reich der Spiele hat nachgefragt, wie Spieleverlage sich auf die Spielemesse in Essen vorbereiten. Der folgende Artikel stammt von Bernd Eisenstein. Er betreibt seinen Kleinverlag Irongames als Einzelkämpfer und veröffentlicht in Essen jeweils ein Spiel.
Zuerst steht die Entscheidung: Welches Spiel halte ich für stark genug, im „Wettbewerb“ um die Käufergunst eine Chance zu haben. Das Spiel muss an der Stelle schon funktionieren, aber für ausgiebige Tests, vor allem im Bezug auf das Austarieren ist noch viel Zeit. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, macht man sich auf die Suche nach einem Grafiker, der zum einen für einen Neu-/Kleinverlag bezahlbar ist und dessen Stil einem persönlich zusagt bzw. der vermutlich gut zum Charakter des Spiels passt. Das sollte noch vor der Spielemesse ein Jahr zuvor geschehen. Also wenn die Veröffentlichung für Oktober 2011 geplant ist, bereits im Oktober 2010 die grobe Planung im Kasten haben. Günstigstenfalls trifft man den Grafiker persönlich auf der Messe 2010, um ihm den Prototyp zu präsentieren.
Zeitnah holt man sich möglichst verschiedene Angebote für die Produktion ein und optimiert dabei gleich das Material, sprich: Wo ist noch Sparpotenzial? Jetzt ist Zeit, eine intensivere Testphase einzuläuten, auf jeden Fall auch mit externen Testrunden, um die Qualität der Spielregeln zu testen und Mängel aufzudecken.
Es reicht (je nach Aufwand), wenn der Grafiker im Frühjahr mit den ersten Entwürfen anfängt. Ich denke, es tut dem Projekt gut, wenn der Grafiker nicht nur das eine Projekt am Stück „durchprügelt“, sondern wenn zwischen einzelnen Phasen immer kleine Pausen entstehen. Als Deadline würde ich je nach Produktionsort Mitte Juli ausgeben. Während dieser Zeit (März – Juni/Juli) kann ich selbst wenig tun, außer testen, testen, testen …
Im Mai ist Anmeldeschluss für den Stand in Essen. Im ersten Jahr kann ich empfehlen, sich den Stand aus Kostengründen zu teilen. Wenn das Spiel dann (wider Erwarten) gut läuft, dann nimmt man sich im Folgejahr einen ganzen Stand. Die heißeste Phase beginnt, wenn die Grafiken eintrudeln. Dann sollte die Regel soweit stehen, dass diese mit den fertigen Grafiken gesetzt werden kann. Zeit für eventuell geplante Übersetzungen nicht vergessen!
Ende Juli habe ich für mich beschlossen, alles zur Produktion zu geben. Vier bis sechs Wochen kann man da schon rechnen und wer weiß, ob wirklich alles glatt läuft. Die Spiele kommen dann optimalerweise Ende August oder in der ersten Septemberhälfte.
Ab Mitte August schalte ich den Onlineshop für Vorbesteller frei. Nach Möglichkeit schaffe ich Anreize, dass die Leute auch wirklich bereit sind, das Spiel (blind) vorzubestellen, sei es durch einen Rabatt oder eine kleine Zugabe. Vorher habe ich versucht, auf das Spiel aufmerksam zu machen. Entweder auf spielbox.de oder durch Vorberichte auf diversen anderen Seiten (auch englischsprachigen). Der Eintrag bei Boardgamegeek sollte erfolgt sein und ein paar der Grafiken dort zu sehen sein, um Interesse zu wecken.
Möglicherweise ist es von Vorteil, seine Regeln früh online zu stellen, damit noch offensichtliche Fehler entdeckt werden, bevor es zum Druck geht. Vielleicht ist es auch besser, nicht alle Informationen früh zu veröffentlichen, denn sonst wird der Reiz des Neuen, Unbekannten genommen. Ich tendiere eher dazu, nicht alle Infos gleich rauszuhauen. Während ich auf die Spiele warte, sammle ich Vorbestellungen, drucke bereits die Anschriftenzettel aus und bereite alles auf den Versand vor.
Ich buche den Mietwagen für die Spielemesse (bevor alle ausgebucht sind) und schreibe Freunde und Bekannte an, ob sie Lust und Zeit haben, mir auf der Messe beim Erklären zu helfen. Optimalerweise ist ein halber Tag pro Nase okay – länger nicht, sonst lässt die Konzentration nach. Einen halben Tag zu „opfern“ ist auch eher jemand bereit, als einen ganzen oder gar noch länger. Neben Deutsch ist eine Erklärung in Englisch mittlerweile von ungeheurer Wichtigkeit.
Wenn die Spiele eintreffen, werden sofort alle Vorbesteller und die potenziellen Erklärer bedient. Günstig ist es, auch ein paar wichtige Rezensenten anzuschreiben und vorab Spiele zuzuschicken. Nichts ist schlimmer, als wenn niemand über dein Spiel berichtet (so geschehen 2010, als Porto Carthago viel zu spät angeliefert wurde).
Bevor es zur Messe geht, werden alle Utensilien gerichtet wie Standdeko, Regale, Tische, Stühle, Wechselgeld (!), gut sind Plakate oder irgendein Banner. Man sollte sich bewusst sein, dass auf der Messe nicht nur reguläre Käufer, sondern erstens viele Händler auftauchen (Händlerpreise kalkulieren und Blankorechnungen vorbereiten) und viele Journalisten, die Freiexemplare für eine Rezension verlangen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Je nachdem, ob ich ein „großes Brettspiel“ habe oder wie 2011 „nur“ Kartenspiele muss ich dafür oft wenigstens den halben Endpreis nehmen. Wichtig: immer die Visitenkarte geben lassen, wenn man jemanden noch nicht kennt, und auch wichtig: Ab und zu auch mal „nein“ sagen können, wenn einem etwas suspekt vorkommt oder wenn die x-te unbekannte Internetseite nach einem Freiexemplar fragt.
Dann geht’s mit dem Lkw voller Spiele zur Messe. Mittwoch ist gediegenes Aufbauen und schon ein paar Leute treffen und ab Donnerstag zeigt sich dann, wie gut die Vorbereitungen waren. Üblicherweise ist man selbst ab 9 Uhr (also eine Stunde vor Toröffnung) am Stand.
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