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Spielgefühl: Woodcraft

Woodcraft - Ausschnitt - Foto von Delicous Games

Die Solo-Variante bietet kein Suhlen in Selbstzufriedenheit …

Ein Spiel für Möchtegern-Handwerker mit zwei linken Händen, denn im Fall von Woodcraft klöppeln wir unsere Möbel, Musikinstrumente und Alltagsgegenstände verletzungsfrei am Spielbrett zusammen – wenn man einmal vom Durchbrennen der Synapsen beim Überhitzen der Fontanelle absieht. Denn das Oberstübchen kommt bei Woodcraft schon ganz ordentlich ins Qualmen, hat man doch nur 14 Runden, um das Optimum aus der Kiste rauszuholen – dank Bot auch im Solomodus.blank

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Eine Lanze brechen für das Solospiel

Gesellschaftsspiele alleine spielen?! Ja, ein Widerspruch. Aber spätestens seit der Pandemie, in welcher die geliebten Spielrunden nicht zusammen kamen, man aber dennoch nicht auf seine Bretter, Würfel, Karten und Meeple verzichten wollte, ist der Solomodus etabliert. Doch auch schon vorher haben findige Spieler in Eigenregie Automagegner oder Solitärvarianten für zahlreiche Spiele entwickelt und über Plattformen wie Boardgamegeek publiziert. Denn nicht immer, wenn es einem in den Finger und unter der Haube juckt, stehen willige Mitspieler bereit. Denn auch nicht selten gilt in Spielerkreisen das Prinzip: Gegensätze ziehen sich an. Und so hat manch einer sich durch Ring und Versprechen an einen Spielmuffel auf ewig gebunden, dessen Leidenschaft zwar für das Bett, aber nicht für das Brett gilt. Und spätestens hier kommt dann der Solomodus „ins Spiel“.

Woodcraft - gesamtes Spielmaterial- Foto von Dirk Janßen

Woodcraft Solomodus: Hör mal wer da hämmert!

Bevor es zum Feeling kommt, müssen zumindest Story, Mechanismen und Hintergrund des Spiels kurz erklären werden. Erschienen ist Woodcraft bei Delicous Games, dem Verlag, der eigentlich nur gegründet wurde, um Spiele des Erfolgsautors Vladimir Suchy (Underwater Cities, Pulsar 2849, Praga Caput Regni) zu veröffentlichen. Für den, der Suchy nicht kennt: Suchys Spiele zählen zu den Experten- oder zumindest gehobenen Kennerspielen.

Woodcraft ist die erste Veröffentlichung bei Delicious Games, die nicht von Suchy selbst, sondern von einem anderen Autor, nämlich von Ross Arnold stammt. Suchy hat nur noch etwas Feinschliff betrieben. Würde Arnolds Name nicht auf der Schachtel stehen, man könnte es auch für ein Suchy Spiel halten.

Wie eingangs beschrieben ist unser Ziel in Woodcraft, aus Holz Gegenstände herzustellen und damit Aufträge zu erfüllen. Hierbei können wir Bäumen anpflanzen, um Holz zu gewinnen, oder auch einfach Holz fertig kaufen. Dieses können wir wiederum weiterverarbeiten, vor allem indem wir es sägen oder verleimen. Zur Unterstützung können wir dabei diverse Helfer von schmaler Gestalt und mit grünen Haaren anheuern. Diese werden wie auch andere Dienstleistungen und Produkte mit Blaubeeren bezahlt, der Erfolg unseres Handelns hingegen wird durch Haselnüsse abgebildet.

Woodcraft - Aktionsrad - Foto von Dirk Janßen

… and the mechanics

Woodcraft ist ein Spiel mit reichhaltig Würfeln und einem ständigen Mangel an diesen und anderen Dingen. Vor allen herrscht ein Mangel an Runden. Bevor wir unsere Werkstatt auf Vordermann gebracht haben, neigt sich das Spiel auch schon dem Ende zu. Zu gerne hätte ich das Optimum aus der Werkstatt geholt, um mit Leichtigkeit möglichst viele Aufträge bei bestem Ruf durchzuballern. Und zum Ballern steht mir jede Runde eine von sieben Hauptaktionen und einige freie Aktionen zur Verfügung. Kern ist es dabei, möglichst passende grüne, gelbe und braune Würfel zu erhalten, die neben Leim, Restholzklötzen und Sägeblattscheiben immer zum Erfüllen von Aufträgen benötigt werden.

Eine Suppenschüssel mit Teller und Löffel benötigt bspw. Leim, einen gelben 4er- und einen grünen 2er Würfel. Um an die Ressourcen zu kommen, kann ich Töpfe zum Anpflanzen kaufen, Bäume (= Würfel) pflanzen, Bäume abholzen (=Würfel aus den Töpfen nehmen) sowie Holz und Materialien kaufen. Holz kann ich zusammenleimen, sägen oder aufwerten, also Würfelwerte manipulieren. Hierbei kann ich Würfel zu einem Wert zusammenfassen oder Würfel in zwei oder mehr Würfel aufteilen. Oder ich senke oder erhöhe die Werte von einzelnen Würfeln. Woodcraft bietet hier zahlreiche Methoden, um an die passenden Werte und Farben zu kommen.

Die Aktionen liegen auf einem Aktionsrad mit einem Sägeblatt in der Mitte, welches gedreht wird, wenn Aktionsplättchen über eine Pfeilspitze gehen. Hierdurch werden neben den Bonusaktionen am Rand des Rades zusätzliche Bonusaktionen in der Mitte freigeschaltet. Ich muss also nicht nur darauf achten, welche Aktion gerade nützlich ist, sondern auch, welche Aktion einen ordentlichen Bonus abwirft.

Natürlich muss ich auch schauen, dass ich durch meine Aktionen nicht nur mein regelmäßiges Einkommen an Blaubeeren und Haselnüssen steigere, um all das bezahlen zu können, sondern auch Einkommen und Haselnüsse bspw. durch erfüllte Aufträge direkt generiere. Und nicht zu vergessen, dass ich auch an meinem guten Ruf arbeiten muss, der bei der finalen Wertung eine gewichtige Rolle spielt. Schließlich winken neben den Boni auf dem Aktionsrad u. a. auch noch Boni beim Platzieren von Helfern und dem Ablegen von Werkzeugen auf dem Dachboden unserer Werkstatt.

Woodcraft - Rollen - Foto von Dirk Janßen

Kinders, Ihr merkt, dass es bei dem Spiel einiges zu beachten, aber auch an zahlreichen Ecken zu holen gibt. Egal, ob Ihr Eure eigene Werkstatt ausbaut, in dem Ihr Materialien und Werkzeuge anschafft sowie Helfer einstellt. Oder indem Ihr Würfel als Bäume anbaut, die jede Runde wachsen (=an Wert gewinnen) oder direkt Holz (=immer noch Würfel) im Bauholzlager oder auf dem Tauschmarkt erwerbt. Nicht zu vergessen, den Benefit den Ihr über erfüllt Aufträge erhaltet.

Und wie fühlt sich das nun an?

Nacht acht Partien Woodcraft Solo habe ich immer noch nicht Schnauze voll. Die letzte Partie gestern trotz müder Augen vor der Nachtruhe und die nächste Partie schnell nach dem Frühstück.

Hat man erst einmal alle Aktionen und Mechanismen verinnerlicht, braucht man trotz Grübelei für einen schnellen Zock maximal eine Stunde. Der Automa ist dabei sowohl freundlicher Helfer als auch schäbiger Gegenspieler. Er verschiebt Aktionen in bonuslose Regionen, legt aber auch Bonusfelder im richtigen Moment frei. Ärgerlich nur, wenn er einem Aufträge, Helfer und Würfel direkt vor der Nase wegschnappt oder Boni auf der Rufleiste wegnimmt.

Klar ist das Ding vollkommen seelen- und geistlos.

Und der Automa achtet nicht wirklich darauf, wie es einem durch die eigenen Aktionen schaden kann. Aber bei einem Schwergewicht wie Woodcraft werden dies auch menschliche Spieler am Tisch selten machen und eher solitär das eigene Tableau bespielen.

Spielt man mit andere Spielern, dann spielen man um den Sieg. Das bietet Woodcraft solo nicht. Hier motiviert man sich durch besonders geschickte Aktionen, die möglichst viel für das eigene Spiel bringen und am Ende den eigenen Highscore verbessern und/oder einen über eine der zwei magischen Grenzen von 110 (gutes Ergebnis) oder 140 (ausgezeichnetes Ergebnis) tragen. Leider fehlt dann auch hier jemand, der den vorher in stundenlanger Kleinstarbeit choreographierten Jubel miterleben muss. Aber zumindest kann man sich aufmunternd auf die eigen Schulter klopfen. Ja, Du bist ein ganzer Kerl! Herzog der Haselnüsse!

Weniger Immersion als Monopoly

Frontcover Woodcraft von Ross Arnold - Foto von Delicous Games

Was der Herzog der Haselnüsse, der Würfelwandler, Blaubeerjongleuer und Holzverzauberer aber auch sagen muss und die Euphorie ein wenig dämpft: Das Thema kommt nicht wirklich durch. Klar, ich leime, säge und modifiziere meine Würfel wie Holz, aber ob ich jetzt eine Holzeisenbahn, einen Toilettenstuhl oder Brotkasten erstelle, ist mir ziemlich hupe. Ich sehe eine Kombination aus Würfeln und anderen Ressourcen, die ich auf höchst effiziente Weise erlangen muss. Und ob meine Helfer männlich, weiblich, groß, klein, dick, dünn oder unsichtbar sind, ist mir auch vollkommen schnuppe. Ich sehe nur Geld, Punkte oder weitere Aktionen, um meine Würfel zu manipulieren. Das Spiel hätte dabei auf dem Mond, in der Antarktis oder in früheren oder zukünftigen Zeiten spielen können. Im Vordergrund steht die Mechanik und das Verlangen, sich diese so zu eigen zu machen, so dass man am Ende doch zumindest an oder über die verdammten 110 Punkte kommt, um nicht wie der totale Vollhorst dazustehen. Wer Immersion sucht, sollte lieber zu Monopoly greifen.

Wer aber (gern auch alleine) sich durch ein Rätsel von einem Spiel beißen will, was eklig verzahnt ist und bei dem man sich eine Kristallkugel wünscht, um sowohl die kommenden Züge des Automa als auch die später ins Spiel kommenden Helfer und Aufträge vorhersehen zu können, der liegt hier richtig. Hier liegen „Sch“- und „Juhu“-Aufschreie nah beieinander. Und Strategien, um sich die eigene Krone vom Kopf zu reißen, scheint es auch verschiedene zu geben, wovon aber keine ein Selbstläufer, sondern durch die Individualität jeder einzelnen Partie bestimmt ist.

Und somit suhle ich mich trotz starker 114 Punkten bei Woodcraft im Solomodus immer noch nicht in Selbstzufriedenheit, sondern schmeiße mir schon wieder mein rotkariertes Hemd über meine Hühnerbrust und stürme mit der Axt und Holzleimtube ins Spielzimmer, um mittels Puppenstube, Vogelhaus und Doppelbett kräftig am Haselnussbaum zu schütteln.

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