Knallharte Interaktion auf der Teestraße
Aaron, zur Spielemesse in Essen 2013 erscheint bei Argentum dein Brettspiel Yunnan. Soweit ich weiß, ist es dein erstes Spiel. Wie groß ist die Freude und wie kam das Spiel zu Argentum?
„Yunnan ist tatsächlich mein erstes Spiel und ich freue mich riesig, dass es dieses Jahr bei Argentum zu den Internationalen Spielertage in Essen erscheinen wird.
Den Weg zum Verlag fand ich eher ungewöhnlich: Letztes Jahres hatte ich das Spiel zu einem Spieleerfinder-Seminar mitgenommen, um es dort vorzustellen. Es gefiel den anderen Teilnehmer sehr gut und mir wurde geraten, Yunnan unbedingt beim Hippodice Autorenwettbewerb einzureichen (wo es letztendlich in die Endrunde kam). Gleichzeitig wurde der Seminarleiter auf das Spiel aufmerksam. Als ich mich für sein Folgeseminar anmeldete, bat er mich, Yunnan noch einmal mitzubringen. Er war ebenfalls recht angetan und nahm den Prototyp mit, um ihn Argentum vorzustellen. Auf der Spielwarenmesse im Februar dieses Jahres habe ich dann den Vertrag unterschrieben.“
Yunnan klingt nach Fernost. Um was geht es im Spiel und wie kam es zu diesem Titel?
„Richtig, Yunnan ist eine Provinz im Südwesten Chinas, in der Tee angebaut wird. Schon vor 1000 Jahren wurde von dort Tee bis in das entfernte Tibet entlang der sogenannten Tee-Pferde-Straße geliefert.
Im Spiel sind die Spieler Plantagenbesitzer, die mit ihren Händlern entlang der Tee-Pferde-Straße Tee in immer weiter entfernte Provinzen liefern und mit den erzielten Erlösen ihre Fähigkeiten weiter verbessern und Siegpunkte erwerben.
Das Spiel war ursprünglich als taktisches Eisenbahnspiel konzipiert, in Anlehnung an die 18xx-Reihe nur mit deutlich kürzerer Spielzeit, weniger Wartezeiten und geringerer Komplexität. Aber es stellte sich schnell heraus, dass die Mechanismen besser zu einem Workerplacement/Aufbauspiel mit einem Handelsthema passen. Zuerst spielte es in Indien bis ich den Tipp mit der Tee-Pferde-Straße bekam. Und siehe da, die Spielelemente passten hervorragend und die Mechanismen ließen sich wunderbar auf das Thema abbilden. Und da die Tee-Pferde-Straße in Yunnan beginnt, lag der Titel auf der Hand.“
Worin siehst du das Besondere bei deinem Spiel? Welches sind die wichtigsten Mechanismen, die den besonderen Reiz an Yunnan ausmachen?
„Yunnan hat eine ganz eigene Dynamik. Am besten lässt sich das am Siegpunktzuwachs pro Runde festmachen, der zu Beginn eher gemächlich ist, um dann gegen Ende stark anzuwachsen. Dies liegt daran, dass die Spieler in den frühen Runden zuerst einmal ihre Erlöse in Fortschritte investieren. Irgendwann im Mittelspiel kommt dann der Punkt, an dem die Spieler, je nach gewählter Strategie, vom Fortschrittsausbau auf Siegpunktzuwachs umschwenken. Jetzt zählt, wer das beste Handelsnetz aufgebaut hat und damit die höchsten Erlöse und Siegpunkte einfährt.
Yunnan ist ein bisschen wie das Fahren im Windschatten: bricht man aus, muss die Puste reichen, um bis ins Ziel zu kommen. Und dabei kommt Yunnan völlig ohne Glückselemente aus.“
Yunnan soll sehr interaktiv sein. Wie bekommst du es hin, dass alle Spieler ständig am Spielgeschehen beteiligt sind?
„Yunnan spielt man pro Runde in zwei Phasen, einer Bietphase zum Erwerb von Fortschritten und einer Reisephase, in der Tee-Erlöse erwirtschaftet werden. Das Bieten um Fortschritte ist natürlich immer interaktiv. Allerdings gibt es bewusst keine langen Bietrunden, um die Geschwindigkeit hoch zu halten.
In der anschließenden Reisephase gibt es Konkurrenzsituationen in den Provinzen, die dazu führen, dass sich Spieler gegenseitig verdrängen. Außerdem bestimmen die Spieler mit ihren Zügen, in welcher Provinz der Provinzkommissar zuschlägt. So sorgen die Vielzahl der Spielinteraktionen und deren Abhängigkeiten untereinander dafür, dass alle Spieler laufend am Spielgeschehen beteiligt sind.“
Hast du einen Tipp, wie Spieler an die erste Partie herangehen sollten, um nicht enttäuscht zu werden? Gibt es Tipps oder Fettnäpfchen?
„Wir haben in die Spielregel ein paar sehr gute Einsteigertipps aufgenommen, die sollte man auf jeden Fall beherzigen. In den vielen Testspielen hat sich gezeigt, dass die Fortschritte im Spiel ausgewogen und gleich wichtig sind. Hier sind viele unterschiedliche Strategien anwendbar, um erfolgreich zu spielen.
Ganz wichtig ist, finanziell nicht zu klamm zu sein, um in entscheidenden Situationen mitbieten zu können. Man sollte immer die Vermögenslage und Händlerzahl der Mitspieler im Auge haben, um zu verhindern, dass ein Mitspieler billig einen Fortschritt abstauben kann (und man sollte sich selber diese Chance nicht entgehen lassen).
Und ganz wichtig: nicht zu früh Erlöse in Siegpunkte eintauschen.“
Argentum steht für anspruchsvolle Spiele, die dennoch von erfahrenen „Familienspielern“ zu meistern sind. An welche Zielgruppe richtet sich Yunnan?
„Yunnan wurde als ‚Kennerspiel‚ angelegt, das aber nicht zu komplex ist, um auch erfahrenen Familienspielern Spaß zu machen.
In der Spielregel haben wir versucht, durch viele Beispiele den Spielablauf klar zu beschreiben, um auch einer weniger erfahrene Gruppe einen schnellen Einstieg ins Spiel zu ermöglichen. Ab dem zweiten Spiel bietet eine Randleiste mit einer Kurzbeschreibung die Möglichkeit, die wesentlichen Spielregeln noch einmal schnell durchzugehen.“
Wie lange hast du bei der Entwicklung für Yunnan gesessen? Gab es Knackpunkte, die von der Redaktion noch verbessert wurden?
„Der erste Entwurf stammt aus dem Frühjahr 2010 und ‚fertig‘ war Yunnan für mich im Herbst 2012.
Bei der sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit der Redaktion wurden noch ein paar kleinere Dinge geändert. So gibt es jetzt zum Beispiel mit den Teehäusern eine zweite Möglichkeit, sich gegen den Provinzkommissar zu schützen.
Direkte Knackpunkte gab es aber nicht. Von der Redaktion kamen die Vorschläge für die Profiregel und die Regel für das 2-Personenspiel. Die thematische Abbildung wurde ebenfalls deutlich verbessert (so wurden z. B. aus abstrakten Bewegungspunkten die heutigen Passierscheine und die Provinzen wurden geographisch richtig angeordnet und benannt). Gleichzeitig wurde viel Aufwand investiert, um den Spielablauf möglichst eingängig auf dem Spielplan darzustellen.“
Wie ist deine Herangehensweise an die Spieleentwicklung? Gehst du von Mechanismen oder Themen aus? Wie baust du dann darauf auf?
„Ich bevorzuge es, zuerst einen interessanten Mechanismus oder ein interessantes Zusammenspiel verschiedener Mechanismen zu entwickeln. Dabei habe ich aber ein Thema bereits vage im Hinterkopf. Meistens entsteht so etwas aus einer spontanen Idee und mit ganz wenigen Elementen. Wenn dann der Grundmechanismus steht und funktioniert, kommen das Regelschreiben und die ersten Testspiele. Dabei stellt sich dann gerne heraus, dass noch weitere taktische oder strategische Optionen notwendig sind, um das Spiel wirklich interessant zu machen. Sobald die gefunden und positiv getestet sind, hat sich meistens auch bereits das Thema herauskristallisiert und der kreative Teil der Spielentwicklung ist weitestgehend abgeschlossen. Der arbeits- und zeitintensive Teil ist dann das Balancing und das Testen der Skalierung über die Spieleranzahl.“
Liegen bereits weitere ausgereifte Entwicklungen in deiner Schublade oder wird Yunnan zunächst das einzige Spiel bleiben?
„Aktuell gibt es noch zwei weitere Spiele, die bei Verlagen zur Evaluierung liegen: Trawler, ein Brettspiel, das es beim diesjährigen Hippodice-Wettbewerb auf die Empfehlungsliste schaffte sowie Diggers, ein Kartenspiel mit einem innovativen Zeitmechanismus.
Noch nicht ganz fertig sind zwei weitere Brettspiele, an denen ich gerade arbeite und hoffe, wenigstens eines von beiden beim nächsten Hippodice Wettbewerb einreichen zu können.“
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