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Spielgefühl: Among Cultists

Among Cultists - die Kultisten - Foto von Godot Boardgames

Gong zum Ersteindruck eines wahnsinnigen Spiels

Mit Human Punishment: Social Deduction 2.0 haben die Godot-Jungs um Stefan Godot einen erfolgreichen Erstling mit ein paar Kinderkrankheiten hingelegt, nur um das eigene Denkmal mit dem folgenden Human Punishment: The Beginning mit einer Arschbacke im Vorbeigehen (beinahe) zum Einsturz zu bringen.blank

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Mit Among Cultists soll der Karriereknick aufgefangen und zurück in die Erfolgsspur gefunden werden. Dabei schaltet man einfach ein paar Gänge zurück, orientiert sich an einem Pandemiehit aus der digitalen Welt („Among Us“) und klotzt übel beim Marketing rein. Wenn es ihn gebe, müsste man den Jungs dafür den „MB präsentiert“-Preis überreichen. Denn wie einst zur Weihnachtszeit mit MB-Werbung (GONG!!!) wird man aktuell überall mit Among Cultists konfrontiert.

Allerdings polarisiert die Kiste wie die beiden Erdpole. Schon vor der Auslieferung der Kickstarter trafen die feindlichen Horden in Internetforen, bei Boardgamegeek und unter den Inhalten der Content Creator aufeinander. Spekulieren und fabulieren as its best, bevor irgendwer das Ding wirklich regelkonform (!) auf dem Tisch hatte – insbesondere die Kritiker (sowohl die Lobhudeler als auch die Nörgler) selbst. Daher an dieser Stelle ein erster Erfahrungsbericht, der aber nicht als abschließendes Urteil zu verstehen ist. Dafür braucht es mehrere Partien mit unterschiedlichen Gruppen in verschiedenen Größen.

Among Cultists: viel Nebel in den Regeln

Die Erfahrung beginnt beim Auspacken und anschließendem Regelstudium. Among Cultists kommt hierbei in opulenter Verpackung, in welcher das Spielmaterial großzügig Platz findet. Man könnte auch sagen, dass die Spielverpackung etwas überdimensioniert ist. Vermutlich hat man vorausschauend Platz für zukünftige Erweiterungen gelassen. Ansonsten weiß die Materialqualität zu überzeugen. Lediglich die Karten müssen gesleevt werden, da Abnutzungen, Knicke und Schrammen wichtige Informationen über die Karten und somit über die wahre Identität eines Spielers verraten können.

Das Regelstudium ist für ein Social-Deduction-Spiel überraschend herausfordernd. Die Fülle an Aktionen, die Spieler während der Partie machen können, ist unerwartet. Und an einigen Stellen bleiben Fragen beim Regelstudium offen, die inzwischen von Godot Games in einem FAQ aufgegriffen wurden. Dass das Spiel dennoch beim Regelstudium etwas nebulös bleibt, liegt meiner Meinung nach vor allem an thematischen Defiziten.

Among Cultists - Spielbrett - Foto von Godot Boardgames

08/15 Lovecraft-Setting

Die Hintergrundgeschichte ist hierbei wenig originell. Among Cultists spielt im typischen Lovecraft-Setting: Kultisten versuchen in einer Universität ein Ritual durchzuführen, um wieder einmal irgendetwas schrecklich Tentakliges zu beschwören. Die Spieler versuchen als Ermittler des Miscatonic Geheimbundes dies zu verhindern. Aber unter ihnen befinden sich ebenfalls Kultisten, die diese Bemühungen sabotieren.

Die Ermittler gewinnen das Spiel, wenn sie alle Kultisten identifizieren und eliminieren. Oder wenn sie bis zum Ende des Spiels eine bestimmte Anzahl von Siegpunkten durch das Wiederherstellen von Räumen erlangen.

Die Kultisten gewinnen das Spiel, wenn sie eine bestimmte Anzahl von Ermittlern eliminieren. Oder verhindern, dass die Ermittler ausreichend Räume wiederherstellen.

Durch die Hinzunahme von weiteren Optionen und Rollen kann das Ganze skaliert werden. In diesem Artikel soll es aber nur um das einfache Grundspiel gehen.

Thematische Defizite und Regelschwächen

Among Cultists - Plättchen - Foto von Godot Boardgames

Das erste thematische Defizit tut sich bei den Aktionen auf, welche die Ermittler durchführen. Das Wiederherstellen von Räumen wird durch das Ablegen von verdeckten Raumkarten und das Prüfen von Räumen, sobald genügen Raumkarten in einem Raum liegen, durchgeführt. Hat man beim Prüfen Erfolg, erhält man ein Buch für den entsprechenden Raum. Bei einer bestimmten Anzahl von Büchern gilt der Raum als wiederhergestellt und man erhält die wichtigen Siegpunkte. Und hier schwächelt das Spiel thematisch. Im Prolog zum Spiel ist die Rede von mysteriösen Runen an den Wänden eines Raums. Nun stelle ich diesen Raum wieder her, wenn ich Bücher in ein Regal räume?! Warum entferne ich nicht Runen? Das wäre thematischer und auch verständlicher gewesen.

Das Sixth-Sense-Phänomen

Das größte Problem ergibt sich aber aus den Begegnungen. Begegnen sich zwei Spieler im Spiel, tauschen sie verdeckt Lebend- oder Totkarten aus. Hierbei besitzen nur Kultisten Totkarten und haben so die Möglichkeit, andere Spieler zu eliminieren. Allerdings werden bei einer Begegnung die ausgetauschten Karten nicht aufgedeckt, sondern landen auf den sogenannten Puls-Decks der jeweiligen Spieler. Spieler können als Aktion die Puls-Decks anderer Spieler prüfen, wenn sie mit ihnen im gleichen Raum sind. Stellen sie dann fest, dass im Deck Totkarten sind, werden Spieler als tot erklärt und haben im Spiel weniger Aktionsmöglichkeiten.

Dass Spieler tot sind, sich aber noch wie lebende Personen verhalten, solange sie nicht offiziell als tot erklärt wurden, wird mit dem „Sixth-Sense-Phänomen“ erklärt. Auch hier wissen tote Personen nicht, dass sie tot sind und verhalten sich wie die Lebenden. Allerdings können sie dabei nur mit besonders begabten Menschen in Kontakt treten. Bei Among Cultists agieren eliminierte Personen aber weiterhin wie normale Menschen und treten auch in Interaktion mit allen anderen. Bis ihnen jemand sagt: „Ach übrigens, Du bist tot!“ Danach können sie mit den Lebenden nicht mehr interagieren.

Man muss diese thematischen Schwächen hinnehmen, um das Spiel ohne unnötigen Ballast frisch, fröhlich, frei spielen zu können.

Was dennoch bleibt, sind einige Feinheiten, die auch bei einigen der zahlreichen Erklärungen im Internet zu Regelfehlern und Verwirrung führen. Beispiel: Wenn man die Anleitung genau liest, so findet eine Begegnung auch dann statt, wenn man sich mit einer anderen Person auf dem Weg zu einem Zielraum trifft. In einigen Erklärungen im Internet wird es aber so dargestellt, dass Begegnungen nur am Zielort stattfinden.

Among Cultists - Karten - Foto von Godot Boardgames

Solche Unklarheiten hätten mit einigen gut gewählten Beispielen und der Darstellung einer Beispielpartie vermieden werden können. Allerdings muss man dem Godot-Team zu gute halten, dass sie auf Regelfragen umgehend reagieren und ihr FAQ bei Bedarf kurzfristig erweitern. Außerdem hat die vor kurzem veröffentlichte Kurzübersicht der Spielregeln dazu beigetragen, dass die Regeln für alle verständlicher werden.

Ersteindruck von Among Cultists: Ein Spiel wie ein Rausch

Trotz der Kritik an Regeln und Thema war die Erstpartie ein kleines Fest! Acht Personen, die einfach auf den thematischen Nebel gesch***en und sich auf das Spiel eingelassen haben, hatten eine gute, intensive Zeit. Das Spiel lebt vom Schauspiel der Spielenden, vom Beobachten und Deduzieren, vom Verdächtigen und Rausreden. Dass zum Schluss hin keiner mehr durchblickt und alle durcheinanderplappern, als wäre jeder eine Stunde in Guarana eingelegt gewesen, gehört irgendwie dazu. Allerdings sind für Among Cultists Personen wichtig, die sich in einer großen Gruppe behaupten können und Lust auf den Austausch haben. Grübler und Schweiger sind fehl am Platz, es sei denn, es gehört zu ihrer Taktik.

Among Cultists - Material - Foto von Godot Boardgames

In einigen Erfahrungsberichten war zu lesen, dass die Aktionen langweilig und beliebig sind. Das kann ich nicht bestätigen. Sowohl Kultisten als auch Ermittler mussten sich immer genau überlegen, in welchen Raum sie gehen und welche Aktion sie dort vornehmen. Wichtig war hierbei auch, möglichen Begegnungen aus dem Weg zu gehen oder aber Begegnungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Das Prüfen der Puls-Decks anderer Mitspieler kann zum richtigen Zeitpunkt auch wichtige Hinweise liefern, welcher Spieler ggf. andere Spieler eliminiert hat und somit ein Kultist ist. Allerdings hatten wir im gesamten Spiel kein einziges Mal die Situation, dass ein Ermittler während des Spiels als tot deklariert wurde. Was vor allem daran lag, dass häufig die Kultisten die Puls-Decks von Ermittlern geprüft und deren wahren Zustand verschwiegen haben. Die Annahme, dass Kultisten dies tun könnten, führte wiederum zu sehr verwinkelten Theorien darüber, wer Kultist sein könnte und wann er welche Karten gelegt und über welchen Zustand er gelogen haben könnte. Solche verkettete Annahmen führten schließlich dazu, dass die Fontanelle bei einigen Personen wie ein Teekännchen zur besten Kochzeit pfiff.

„Wenn er ein Kultist ist, dann hat er gerade über ihren wahren Zustand gelogen, weil er vor drei Runden eine Tot-Karte in Ihr Puls-Deck gespielt und sie somit eliminiert hat. Aber auch nur, wenn sie keine Kultisten ist. Wenn sie aber Kultisten ist, dann hat sie in der dritten Runde eine Sabotagekarte in den grünen Raum gelegt und bei ihrer Route gelogen. Was wiederum bedeuten würde, dass er kein Kultist ist, die Wahrheit gesagt hat, aber vermutlich selbst tot ist.“

Memospieler im Vorteil

Wer als Kind viele Memos gespielt hat, ggf. immer noch Memospiele auf den Tisch bringt und um zahlreiche Ecken denken kann, ohne sich dabei zu verirren oder im Kreis zu laufen, könnte bei Among Cultists einen Vorteil haben. Denn solche Personen können sich merken, wer wann was gelegt haben könnte und hierbei auch Zusammenhänge herstellen. Allerdings wird dies dadurch erschwert, dass schon zu Spielbeginn einige Tot-, Misserfolg- und Sabotagekarten in die zutreffenden Decks verteilt worden sind.

Knapper Sieg für die Ermittler

Die Kultisten wurden beim Spiel übrigens nicht entlarvt, allerdings haben sie die Partie auch nicht gewonnen, weil sie einen Ermittler zu wenig eliminiert haben und die Ermittler ausreichend Räume wiederherstellen konnten. Hierbei hat sich auch gezeigt, dass zwei Kultisten bei acht Ermittlern zwar nach einem Home Run für die Kultisten klingt, es für diese aber gar nicht so einfach ist, genügend Ermittler zu ermorden, ohne sich abzustimmen und aufzufallen.

Among Cultists - Schachtel - Foto von Godot Boardgames

Die Regeln, die sich beim Studieren der Anleitung schwer einprägen wollten, waren hingegen beim Erklären schnell auf den Tisch gebracht und stellten auch während des Spiels bis auf obligatorische Detailfragen kein Problem dar. Die Kurzübersicht ist hier Gold wert und hätte von Beginn an zum Spielmaterial gehört.

Insgesamt kann man sagen, dass der Ersteindruck richtig gut ist und Lust auf weitere Partien macht. Ob das Spielprinzip lange trägt, wird sich dann zeigen müssen. Finales Urteil erfolgt daher gegen Ende des Jahres.

Links zum Spiel Among Cultists

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