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Autor Andre Zatz über sein Brettspiel Formula E

Formula E von Clever Mojo Games

Spielen, wie ein Elefant im Porzellanladen

blankAndre, Clever Mojo Games veröffentlicht zur Spielemesse 2013 in Essen dein Spiel Formula E, das du mit Sergio Halaban und Bruno Faidutti entwickelt hast. Mit Sergio arbeitest du ja bereits lange zusammen, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Bruno Faidutti?
„Sergio und ich hatten dieses Spiel über einen längeren Zeitraum entwickelt. Wir waren von seinem Potenzial ziemlich überzeugt und obwohl Spieletester sehr viel Spaß damit hatten, schien es, als ob wir es nie so perfektionieren könnten, damit es veröffentlicht wird. Einige deutsche Verlage mochten das Spiel tatsächlich, einer davon ganz besonders, aber letztendlich wurde uns mitgeteilt, dass die Spielregeln etwas zu schwierig seien für das, was es bietet.

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Nach all der Arbeit, die wir da hineingesteckt hatten, hatten wir ein Spiel, auf das wir wirklich stolz waren, aber wir hatten keinen Verlag. Dann hatten wir die Idee, Bruno Faidutti anzubieten, bei uns mitzumachen. Er ist Autor und Denker, den wir sehr respektieren. Wir haben einige seiner Spiele gespielt und viele seiner Artikel und Rezensionen haben uns in den letzten Jahren gefallen. Außerdem schien er uns trotz der Entfernung ziemlich offen zu sein für eine Mitbeteiligung als Autor, nach einigen seiner vorherigen Zusammenarbeiten zu urteilen. Wir waren also keine völlig Fremden für ihn, als er in seinem ‚ludoteque ideal‚ sehr schmeichelhafte Rezensionen über Sultan und vor allem über Hart an der Grenze postete. Wir dachten, dass er uns als sehr erfahrener Autor, der den europäischen Markt sehr viel besser kennt, sehr gut helfen kann, unserem Spiel den letzten Schliff zu geben, damit es erfolgreich veröffentlicht werden kann.“

Um was geht es beim Titel Formaula E, was ist das Thema im Spiel? Wie seid ihr darauf gekommen?
Formula E ist ein Elefantenrennen in Indien. Das ist eine Idee, an der wir schon seit langem gearbeitet haben. Nachdem uns ein Freund davon erzählt hatte, was sich bei Pferderennen so alles ‚hinter der Bühne‘ abspielt, hat es uns gereizt, ein Spiel über ein Rennen zu gestalten, das durch allmögliche fiese Tricks behindert wird. Als wir die Idee mit den Elefanten hatten, dachten wir, dass eine Elefantenrennen in Indien das perfekte Spiel sei. Überleg Dir mal, was während eines Elefantenrennens mitten in einer indischen Stadt, in der heilige Kühe teilweise die Strasse versperren, alles passieren kann …“

Wie setzt ihr das in spielerische Mechanismen um, welche Bestandteile von Formula E machen den besonderen Reiz aus?
„Einerseits liegt es an der Verwendung von speziellen Karten und andererseits liegt es an dem Bewegungssystem, das beinhaltet, die Elefanten weiterzutreiben und versucht, sie zu verdoppeln. Formula E ist ein Spiel, bei dem Du Dich entscheiden musst, welche Karten Du verwendest und vorauszusehen, welchen Effekt das haben wird, um Deinem Elefanten die beste Position zu geben; das ist nicht immer offensichtlich. Vielleicht möchtest Du einen Sprung machen, um gegenüber dem zweiten Elefanten einen Vorsprung zu haben? Aber was passiert, wenn Du zu dicht an einer mögliche Bedrohung wie z. B. einer Ratte anhältst? Du möchtest vielleicht lieber kurz an einem Bananenbaum Halt machen, um die Karten in Deiner Hand zu ergänzen? Leichter gesagt als getan, weil Dein Elefant nicht immer in der Lage ist, die Richtung zu ändern. Vielleicht solltest Du dann beten und eine wichtige Karte zurückbekommen, die schon gebraucht wurde, oder sogar einen Schlangenflüsterer anflehen oder aber einen hungrigen Tiger, damit er jemand anderen stört? Und vergiss nie: Du kannst niemals über eine heilige Kuh steigen. Das wäre Frevel!

Also schaust Du auf Deine Hand, Du schaust Dir die jeweiligen Positionen Deiner Elefanten auf dem Spielfeld an und entscheidest Dich. Ich sehe das nicht als Spiel, bei dem man viele Spielzüge voraussehen kann, vielleicht zwei oder drei. Meines Erachtens liegt der Reiz in den sehr dichten Rennen und den vielen unerwarteten Ereignissen. Oftmals weißt Du erst, wer der Gewinner ist, wenn er die Linie überschreitet.“

Noch einmal zur Kooperation: Welchen Anteil habt ihr drei jeweils am Spiel? Wer hat was bei Formaula E gemacht?
„Das ist schwer zu beantworten, Michael, und wenn ich versuchen würde, all das, was passiert ist, in einer synthetischen Formel zusammenzufassen, wäre es wahrscheinlich dem ein oder anderen gegenüber sehr unfair. Aber ich versuch’s mal, ich hoffe, meine Freunde werden mir das verzeihen.

Den ersten Teil der Entwicklung haben Sergio Halaban und ich gemacht. Wir haben immer zusammengearbeitet. So ungefähr 15 Jahre und viele, viele Spiele. In Formula E haben wir wie gewöhnlich alles zusammen gemacht. Sicherlich hat jeder von uns seine Stärken. Sergio kann meiner Meinung nach gut Spielprozesse vereinfachen und Abläufe entwickeln. Ich kümmere mich teilweise um Thematik und um Mathe. Ich mag es auch, etwas Humor in unsere Spiele zu bringen, und ich bin mir sicher, dass Sergio das auch mag.

Brunos Beitrag war, die Spielregeln brilliant zu vereinfachen und die Stimmung aufrecht zu erhalten (hoffentlich sieht er das auch so). Das Spiel hat sich sehr verändert, seit er dabei ist, es ist nun viel einfacher, aber wenn das Spiel zu ende ist, finde ich, denkst Du genauso drüber wie zuvor. Ich glaube, dass das Erlebnis, das Dir durch Formula E geboten wird, wirklich vereinbar ist mit der Zeit, die Du mit der Spielanleitung verbringst, wodurch es offensichtlich mehr zur Veröffentlichung geeignet ist. Bruno kümmert sich auch noch viel um die Thematik und mag es, die Karten chaotisch zu verwenden, so konnte er auch behiflich sein, die perfekte Mischung zwischen Kräften und Wirkungen zu finden, indem er einige seiner eigenen beifügt.“

War die Kooperation mit Bruno Faidutti hilfreich, um einen Verlag zu finden? Immerhin sitzten Sergio und du ja in Brasilien und weit von Europa entfernt.
„Ich sehe die Entfernung zwischen Brasilien und Europa tatsächlich als die Hauptschwierigkeit. Es stellt eine Hürde dar, die nur schwer zu überwinden ist. Ja, vielleicht hat die Zusammenarbeit mit Bruno Faidutti dazu beigetragen, einen Verlag zu finden. Aber ich glaube nicht, dass dies an der Geographie liegt. Es ist so: Wir hatten Kontakte und Bruno eben auch – und denen haben wir diese Idee vorgeschlagen. Die ersten, die geantwortet haben, nachdem Bruno sie angeschrieben hatte, waren Clever Mojo Games. In diesem Falle ist das ein amerikanischer Verlag.“

Ihr steht genau wie Bruno für witzige Spielthemen und einen relativ leichten Zugang zu Spielen. An wen richtet sich Formula E, welche Spielertypen werden angesprochen?
„Das stimmt, Michael. Wir haben es gerne einfach und manchmal lustig. Das trifft auf F” zu. Das ist ein einfaches Brettspiel, bei dem Du mit Deinen Freunden oder der Familie Spaß hast. Ich finde, Spieler haben bei diesem leichten Spiel einfach Spaß und Familien ebenso – warum auch nicht?

Ich möchte noch betonen, dass ich mit leicht nicht ‚leicht‘ im deutschen Spielsinn meine, ohne das jetzt zu stark vereinfachen zu wollen: Wir bewundern die Schönheit einiger deutscher Spiele, die solch elegante Regeln haben und nahezu abstrakt wirken, wobei sie einzig und allein auf logischen oder mathematischen Mechanismen basieren. Ich denke da z. B. an einige ‚Filler‘, die Reiner Knizia in den 90ern entwickelt hat und die uns so viel Spaß gemacht macht. Wenn wir es einfach halten, ist es ein wenig anders. Wenn wir denken, dass wir eine starke Thematik haben, wie es bei Formula E der Fall ist, fühlen wir uns dieser verpflichtet. Und zwar, indem wir die Regeln manchmal der Geschichte, die sich auf dem Brett abspielt, anpassen. Dann beudeutet ‚einfach‘ nicht nur einfach. Teilweise bestand die Herausforderung darin, das Spiel nicht zu komplex zu gestalten. Und Bruno Faidutti schien dafür sehr gut geeignet.

Wenn ich mir das heute ansehe, dann halte ich Sultan für die Ausnahme von dem, was ich gerade versucht habe, zu beschreiben. Es war einfach und fast abstrakt. Vielleicht verwundert es nicht, dass gerade ein französischer Verlag Sultan abgelehnt hat, weil es seiner Meinung nach ‚zu deutsch‘ sei, glaub es mir.“

Du hast mit Spielen wie Hart an der Grenze oder eben Sultan bereits einige Veröffentlichungen in Deutschland auf deinem Konto. Wie bewertest du aus Sicht eines Brasilianers die Spiele aus Frankreich und die aus Deutschland? Siehst du da Unterschiede in der Herangehensweise zwischen Autoren aus diesen beiden Ländern einerseits und von Sergio und dir andererseits?
„Sergio und ich haben so viele German Games gespielt und schätzen gelernt, dass ich sagen würde, dass unsere Spiele unsere Vision von deutschen Spielen widerspiegelt. German Games mit unserem eigenen Akzent. Manchmal ein bisschen Humor, vielleicht  eine gesuchte Balance zwischen Mechanismus und Thema.

Wenn wir über deutsche Spiele sprechen, hast Du natürlich eine riesige Bandbreite an Autoren und Stils. Wenn ich nur als Beispiel versuche, Knizias mit Teubers Spielen zu vergleichen, sind das zwei völlig verschiedene Herangehensweisen, findest Du nicht? Ich weiß sehr wenig über französische Autoren, Bruno ist derjenige, den ich am besten kenne. Ich sehe in ihm jemanden, der sich genauso stark wie wir um das Thema kümmert, vielleicht sogar noch mehr. Seine Auswahl an Themen is gewöhnlich verschieden, gehen oft ins mittelalterliche, aber das ist eine andere Geschichte. Er mag auch Chaos, was nicht immer unser Ding ist, das aber sehr gut zu Formula E gepasst hat.“

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