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Einrichtung einer ‚Schiedsstelle‘ zur einvernehmlichen Klärung

Günter Cornett, Spieleautor und Autor dieses Artikels

Außergerichtliche Möglichkeiten zum Schutz des Urheberrechts von Spielregelwerken (Teil 3)

Inhalt dieser Serie

Teil 0: Einleitung
Teil 1: Warum außergerichtlich?
Teil 2: 12 Sätze zum Urheberrecht von Spielen
Teil 3: Einrichtung einer ‚Schiedsstelle‘ zur einvernehmlichen Klärung
Teil 4: Außergerichtliche Maßnahmen gegen Plagiate:

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  • Das Original im betroffenen Land verfügbar machen.
  • Den Sachverhalt öffentlich machen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen.  (Verlage, Handel, Autoren, Journalisten, Blogger, Spieler, …)

Warum eine Schiedsstelle?

Obwohl es schon seit mehr als 50 Jahren ein BGH-Urteil gibt, das klar formuliert:

Nun genießen zwar Spielerfindungen als solche keinen urheberrechtlichen Schutz. Doch können schriftlich niedergelegte Spielregeln den Anforderungen genügen, die .. an ein Schriftwerk zu stellen sind. … Voraussetzung … ist aber, daß die schriftliche Niederlegung der Spielregeln eine … ausreichende eigenpersönliche Gestaltung erkennen läßt. Die erforderliche schöpferische Eigenart braucht dabei nicht auf einer eigenpersönlichen Prägung der rein sprachlichen Ausdrucksform zu beruhen, sie kann sich vielmehr auch aus einem auf individuelle Geistestätigkeit zurückzuführenden Gedankeninhalt ergeben ….
(BGH v. 17.Okt.61 I ZR 24/60 – GRUR 1962, 51 (Kammergericht) LUG §1 Abs 1 Nr.1 – „Zahlenlotto“)

gibt es in der Praxis große Probleme hinsichtlich des urheberrechtlichen Schutzes von Spielen. So scheinen sich Gerichte oftmals nicht oder nicht ausreichend mit dem auf individuelle Geistestätigkeit zurückzuführenden Gedankeninhalt schriftlich niedergelegter Spielregeln auseinanderzusetzen. Manche Gerichte bestreiten grundsätzlich die Urheberrechtsfähigkeit von Spielregelwerken, während ansonsten große Unklarheit darüber herrscht, ob Spiel B eine Variante von Spiel A ist oder nur von diesem inspiriert wurde.

Eine brancheninterne Schiedsstelle könnte hier Abhilfe schaffen, nicht nur um Streitigkeiten intern zu klären, sondern auch Justiz und Öffentlichkeit etwas Orientierung darüber zu geben, was Urheber und Verwerter von Spielen für schützenswert halten – wenn diese denn überhaupt fundierte Stellungnahmen zum Urheberrecht von Spielen formulieren können.

Eine solche Schiedsstelle hätte also mehrere Funktionen für die Branche.

  • Einvernehmliche Klärung von Streitfällen ohne teure Gerichtsverfahren.
  • Orientierung für die Branche selbst: Unterstützung bei der Herausbildung einer ethischen Norm, ohne dass jemand einen formalen Codex unterschreiben müsste.
  • Aufbau einer Fallsammlung, die auch Gerichten bei der Beantwortung der Frage was ein Spiel von einem anderen unterscheidet, als Orientierung dienen kann.
  • Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit für das Urheberrecht von Spielen.

Soweit es nur um den ersten Punkt geht, brauchte es eine solche Institution nicht wirklich. Streitfälle werden auch jetzt schon dadurch geklärt, dass Beteiligte sich einen oder mehrere Moderatoren aus der Spieleszene suchen und diese um Rat und Vermittlung fragen. Durch eine institutionalisierte Schieds­stelle kann eine solche Suche erleichtert werden. Der Hauptzweck liegt aber in den drei anderen Punkten.

Wie aber soll die Branche anderen Orientierung geben und dann noch in allgemein verständlicher Form, wenn sie selbst erst dabei ist, sich die Voraussetzungen dafür anzueignen? Zudem ist ein Mindestmaß an juristischer Kompetenz wünschenswert, damit das Ganze nicht zu einer vom geltenden Recht unabhängigen Paralleljustiz verkommt, sondern das bestehende Urheberrecht nutzt und stärkt.

Ein falscher Weg wäre da sicherlich, sich einfach nur ein paar mehr oder weniger kompetente und hilfsbereite Menschen auszugucken und zu versuchen, ihnen die Last aufzudrücken, über Urheberrechtsfälle zu richten. Diese wären nicht nur damit überfordert, sondern auch mit einer Macht ausgestattet, die – auch unabsichtlich – missbraucht werden kann, um dem Ganzen eine Interessen geleitete Richtung zu geben.

Eine institutionalisierte Schiedsstelle kann daher nur den Rahmen anbieten, der Betroffenen die Möglichkeit gibt, sich auf Personen zu einigen, welche grundsätzlich bereit sind, sich mit einem Streitfall inhaltlich auseinanderzusetzen und ihnen Vorschläge zu machen (statt zu entscheiden), mitunter auch nur Hinweise zu geben, auf die es bei der Lösung ankommt.

Praktisch heißt das: Auf einer Plattform werden die Profile von Menschen veröffentlicht, die anbieten, Urheberrechtsstreitfälle in Bezug auf Spiele zu untersuchen und zu beurteilen.

Deren Selbstdarstellungen sollten aus Transparenzgründen u.a. besondere Qualifikationen, aber auch Funktionen in der Spielebranche enthalten, ggf. auf fachlich relevante Texte verlinken (Rezensionen, Artikel). Natürlich sollten auch – soweit erfolgt – Bewertungen zu bisherigen Streitfällen einsehbar sein. Diese sollten sowohl als Text als auch in standardisierter Form vorliegen, damit Konfliktpartner Anhaltspunkte dafür haben, auf welche Person(en) sie sich einigen wollen.

Über eine standardisierte Fassung der Bewertung können u. U. mehrere Bewertungen zu einem Trend oder gar Durchschnittswert zusammen gefasst werden. Die Einzelbewertung könnte z. B. so aussehen:

numerischer Wert

Inhaltliche Aussage

Ergebnis

0

Spiel B ist identisch mit Spiel A.

Bewertung:

 

Die Rechte liegen allein beim Autor von Spiel A.*)

1

Spiel B ist eine Variante von Spiel A.

2

Spiel B ist eine Bearbeitung von Spiel A.

3

Beginn der Grauzone

4

Moralisch zweifelhaft, formaljuristisch bedenklich, aber unklare Situation. Empfehlung:

 

Über gemeinsame Autorenschaft von Spiel B nachdenken. **)

5

Die Situation bleibt völlig unklar.

6

Möglicherweise moralisch zweifelhaft, aber formaljuristisch vermutlich in Ordnung.

7

Ende der Grauzone

8

Spiel B enthält einzelne Elemente aus Spiel A.

Bewertung:

 

Der Autor von Spiel B verletzt keine Rechte des Autors von Spiel A.

9

Spiel B ist möglicherweise von Spiel A inspiriert.

10

Spiel B ist ein völlig anders Spiel als Spiel A.

*) An einer unautorisierten Bearbeitung hat der Autor von Spiel B keine Rechte.

Ist die Bearbeitung vom Urheber des Originals autorisiert und weist sie eine ausreichende Schöpfungshöhe auf, dann hat der Bearbeiter hieran Urheberrechte. Als Variante bezeichne ich eine nur geringfügige Bearbeitung, die keinerlei Urheberrechte des Bearbeiters begründet.

**) vielleicht mit Minderbeteiligung von Autor A (bei Wert 6) bzw. B (bei Wert 4)

Bewertungen 3 und 7 (und nach Möglichkeit auch der Bereich dazwischen) sollten vermieden werden. Aber manchmal weiß man eben nicht einmal, ob man ein Spiel der Grauzone zuordnen sollte. Entsprechend gibt es dann auch kein Ergebnis.

Schließlich gibt es auch die Möglichkeit der einseitigen Konsultation: Wenn man sich nicht sicher ist, ob ein Plagiat vorliegt, befragt man Personen der Schiedsstelle, um entscheiden zu können, wie man weiter vorgeht (egal ob als Autor von ‚Spiel A‘ oder ‚Spiel B‘). Insbesondere vor Einleitung von Schritten wie unter ‚4. Außergerichtliche Maßnahmen gegen Plagiate‘ beschrieben, ist es sinnvoll, weitere Meinungen einzuholen. Verantwortlich bleibt man aber stets selbst.

Transparenz versus Diskretion

Eine solche Schiedsstelle ist nur sinnvoll, wenn alle Beteiligten sich um größtmögliche Transparenz bemühen. Es sollten zumindest einige Streitfälle möglichst umfassend dargestellt werden. Auf der anderen Seite möchte nicht jeder Konfliktpartner und auch nicht jeder Schlichter aufgrund seiner Äußerungen zu einem Konfliktfall im Nachhinein in Diskussionen verwickelt werden.

Daher sollte es für die Konfliktparteien die Möglichkeit geben, ihre ausführlich dargelegten Positionen nur den Schlichtern bekannt zu geben. Das veröffentlichte Ergebnis sollte aber schon die betroffenen Spiele und Parteien klar benennen und auch eine ausführliche schriftliche Begründung durch die ausgewählten Schlichter enthalten. Darüber hinaus sollte es weiteren Schlichtern möglich sein, eine bloße numerische Bewertung abzugeben, um das Ergebnis auf eine breitere Basis zu stellen oder einen Kontrapunkt zu setzen.

Wie groß sollte der Kreis der Bewerter sein?

Hier kann es verschiedene Konzepte geben, die auch nebeneinander existieren können, sei es in Konkurrenz oder in ergänzender Funktion. Man kann gezielt bestimmte Bewerter ansprechen, ob sie sich für die Schiedsstelle zur Verfügung stellen wollen, oder aber prinzipiell jeden zulassen, der sich anbietet. Letztlich erfolgt die Auswahl der für die Konfliktpartner relevanten Schlichter durch diese selbst.

Wer kommt als Träger in Frage?

Bei einer einzelnen Organisation, wie der FG Spiel oder der SAZ, bestünde die Gefahr von Interessenskonflikten. Daher sollte es ein Gremium sein, in dem diese Organisationen zusammen mit anderen Personen der Branche vertreten sind, ohne dass eine Interessengruppe überrepräsentiert ist. Zugleich sollte juristischer Sachverstand vertreten sein. Und auch die Frage der Honorierung ist zu klären.

Im Fall eines Konzepts, das prinzipiell jeden als möglichen Schlichter akzeptiert, könnte es eine Plattform wie BGG sein, wobei es hinsichtlich der Bildung von Durchschnittswerten vom einfachen User relativ frei gewählte Sortierkriterien geben sollte. Zu berücksichtigen wäre hierbei insbesondere, dass es international unterschiedliche Rechtsräume gibt. Auch darf es nicht zu unübersichtlich sein. Insofern sollte eine mögliche BGG-Version organisatorisch unabhängig von einer mehr oder weniger ‚offiziellen‘ Schiedsstelle sein. Hier besteht auch für mich selbst noch großer Klärungsbedarf.

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