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Reinhard Staupe über KENDi Games

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Was ist Kendi Games? Diese Frage stellen wir Reinhard Staupe, Redakteur, Autor und Tausendsassa der Gesellschaftsspielszene. Er ist bei dem neu gegründeten Verlag für Redaktion und Programm verantwortlich. Interessant: Das Team besteht aus Menschen, die vor Kurzem NSV verlassen haben bzw. dort zuletzt für die Neuheiten verantwortlich waren. Ein Grund mehr, um der Sache auf den Grund zu gehen.

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„Zunächst bestenfalls ein vages Gedankenspiel“

Reinhard, du bist beim neuen Spieleverlag Kendi Games für das Programm verantwortlich. Schaut man auf die Namen, sind das bekannte Gesichter. Franz Jurthe als Inhaber war zuletzt Geschäftsführer von NSV, Steffen Benndorf hat dort Spiele veröffentlicht. Oliver Freudenreich und Christian Opperer sind als Illustratoren ebenfalls keine Unbekannten. Dazu kommst noch du. Das klingt fast so, als wenn ein ganzes Team zu neuen Ufern aufgebrochen wäre. Wie ist Kendi Games entstanden? Was war Auslöser?

„Zunächst mal muss ich deutlich vorwegschicken, dass es ganz und gar nicht so war, dass wir als Team einen neuen Verlag gründen wollten und deshalb gemeinschaftlich von der NSV weggegangen sind.

In 2022 war es so, dass einige langjährige NSV-Mitarbeiter ihre dortige Tätigkeit beendet haben. Zu den konkreten Gründen hierzu weiß ich nichts. Franz Jurthe ging dann im Dezember. Ich musste für mich feststellen, dass keiner der ursprünglichen NSV-Mitarbeiter, mit denen ich 2012 begonnen hatte, mehr da war. Und so stellte sich für mich die Frage, ob ich bleibe oder ob ich neue Wege beschreite. Da alles im Leben irgendwann endet und man ja bekanntlich aufhören soll, wenn es am Schönsten ist, entschied ich mich dazu, etwas Neues zu wagen. Wobei auch meine private Situation eine Rolle gespielt hat – es war irgendwie an der Zeit für mich, etwas Neuem eine Chance zu geben, auf verschiedenen Ebenen. Es gab mehrere denkbare Optionen, auch Anfragen. Ich habe den Januar genutzt, mir diesbezüglich klar zu werden.

Dass ein gänzlich neuer Verlag ein denkbares Projekt sein könnte, war zunächst bestenfalls ein vages Gedankenspiel, ein unbestimmtes ‚wie wäre es, wenn …‘. Denn ein völlig neuer Verlag, das weiß ich nur allzu genau, ist eine gigantische Aufgabe. Alles muss neu aufgebaut werden. Das ist wahnsinnig viel Arbeit! Aber natürlich auch toll, wenn Dinge neu entstehen. Letztlich war es genau dieser Reiz, der mich dazu bewog, die Überlegungen konkreter werden zu lassen.

Es gab einige Gespräche mit Franz Jurthe, die vielversprechend waren. Mit Oliver arbeite ich ohnehin seit über 20 Jahren sehr eng und freundschaftlich zusammen, wir telefonieren fast täglich. Dass er mitmachen würde, soweit es seine Ressourcen zulassen, war schnell klar. Wobei er als Illustrator ja sowieso nicht fest für einen bestimmten Verlag arbeitet, sondern stets für ganz viele. Was Steffen Benndorf angeht, hat er bei Franz Jurthe ja fast um die Ecke gewohnt und so gab es dort direkte Verbindungen und Gespräche. Schließlich führte eins zum anderen und im Februar stand es dann fest – KENDi Games wird starten. Mittlerweile kann ich es kaum erwarten, dass alsbald die ersten Spiele das Licht der Welt erblicken! Es fühlt sich genau richtig an!“

Es bleibt alles in positiver Erinnerung

Wie verlief die Trennung von euch als Team von NSV?

„Ich kann da nur für mich sprechen, denn es war, wie gesagt, eine völlig individuelle Trennung. Alles lief harmonisch und freundlich. Mit dem neuen Geschäftsführer der NSV, Tobias Husch, gab es zu keiner Zeit Probleme, im Gegenteil, es war angenehm und sympathisch. Ich behalte die NSV in jeder Hinsicht, von Anfang bis Ende, in positiver Erinnerung. Es war ein Traum, konnte nicht besser sein. Ich drücke fest die Daumen, dass es dort erfolgreich weitergeht. Jedes Spiel ist wie ein Baby für mich und mit dem Herzen werde ich immer mit der NSV verbunden sein. Die drei großen Titel, also Qwixx, The Game und The Mind sind dermaßen erfolgreiche Millionenseller und haben ein solch großes Potential, dass sie gewiss auch weiterhin auf ganz hohem Niveau am Markt vertreten sein werden.“

Ein Name – ein bisschen wie ein Candy

Hat der Verlagsname Kendi Games eine Bedeutung?

„Wie das manchmal so ist mit Ideen, plötzlich sind sie da. Der neue Verlagsname sollte irgendwie positiv klingen, kurz und prägnant sein, und irgendwann sprang es mich plötzlich an: ‚KENDi Games – die kenn ich doch!‘ Gleichzeitig ratterte im Hinterkopf so etwas mit wie: klein, bunt, lecker (wie Candys halt). Eine versteckte Bedeutung hat KENDi nicht.“

„Wir müssen die Spiele zu den Leuten bringen“

Ein schwieriger Punkt für einen neuen Verlag ist der Vertrieb. Wie werden eure Titel in den Handel gelangen? Wie wichtig ist für euch die flächendeckende Verfügbarkeit?

„Für mich gibt es immer nur eine einzige Prämisse, und das ist Qualität. Die Spiele müssen in jeder Hinsicht gut oder besser noch sehr gut sein. Tolle Ideen, auf den Punkt ausgearbeitet, möglichst perfekt umgesetzt, nicht zu teuer. Wenn das da ist, dann kommt alles andere von ganz alleine, sofern man dann die richtigen Schritte macht. Ohne dies, ohne gute Spiele, ist alles andere vergeblich. Und so ist für mich, statt einer flächendeckenden Verfügbarkeit im Handel viel vordringlicher, dass wir zunächst mal flächendeckend bei den diversen Spieleveranstaltungen vertreten sein werden, im April auf der Spiel doch, im Herbst auf den Essener Spieletagen, in Bielefeld, Hamburg, München, Stuttgart, Berlin usw., also möglichst überall dort, wo Leute zusammenkommen, um zu spielen – sofern die Veranstaltungen wieder stattfinden. Wir müssen die Spiele ZU den Leuten bringen.

Was den rein vertrieblichen Teil angeht, also den Weg in den Handel, ist Franz Jurthe der Profi. Er wird garantiert die richtige Herangehensweise haben, so dass die Spiele, wenn sie denn Anklang finden, problemlos überall zu bekommen sein werden.“

Ihr werbt mit zwei Dingen: Zum einen wollt ihr erstklassigen Service bieten. Wie wollt ihr euch dabei von anderen Verlagen absetzen? Zum anderen wird das Verlagsprogramm auch Promotionspiele, also so etwas wie „Firmenveröffentlichungen“ und Puzzles enthalten. Ist so einer Mischung für euch wirtschaftlich wichtig?

„Zu den wirtschaftlichen Überlegungen und notwendigen Standbeinen kann Franz Jurthe besser etwas sagen. Mein Metier sind ja doch primär die Spiele und die Zusammenstellung des Programms. Dabei geht es gar nicht so sehr ums Absetzen von anderen Verlagen, sondern einfach um eine gute Arbeit, um gute Spiele. Die sprechen dann hoffentlich deutlich für KENDi.“

„Ich mag es generell, einfache Spiele zu entwickeln“

Ein weiterer Aspekt wird die von dir mitverantworteten aus dem NSV-Programm bekannte Mischung aus leichten Regeln und schnellem Zugang sein. Liegt das an euch als Personen oder seht ihr dafür eine größere Zielgruppe? Warum keine komplexen Spiele?

„Das liegt vor allem an meiner eigenen Vision: Ich mag es generell, einfache Spiele zu entwickeln, sowohl als Redakteur wie auch als Autor. Eben Spiele, die mit einfachen Mitteln möglichst viele Leute gemeinsam an den Tisch bringen, die eine Brücke bauen. Spielmechanisch suche immer nach Reduzierung auf das Wesentliche. Das perfekte Beispiel hierfür ist The Mind. Fast keine Regeln, genial und kühn. Ein spektakuläres gemeinsames Erlebnis, das für jeden leicht zugänglich ist. Wobei es natürlich auch gerne mal etwas mehr sein darf, wie etwa bei Silver & Gold, aber letztlich immer so, dass es die normale Familie (übers Regellesen!) noch verstehen kann. An der Stelle muss man sich immer wieder bewusst machen, dass viele Leute nicht gerne Regeln lesen, schon gar keine ausufernd langen. Genau hier wird die Grenze dessen definiert, was ich suche. Die Familie muss stets im Boot sein.

Sei hier noch erwähnt, dass es mittlerweile wirklich ein Vielzahl toller Verlage gibt, die komplexe Spiele auf enorm hohen Niveau anbieten, sowohl im Kenner- als auch im Expertengenre. Die Verlagsentwicklung in diesem Bereich ist wirklich beeindruckend. Da muss ich nicht auch noch mitmischen.“

Drei Neuheiten zum Start von KENDi Games

The Choice - Roll & Write - Foto von KENDi Games

Ihr habt für das Frühjahr bereits angekündigt, drei Neuheiten veröffentlichen zu wollen. Bitte nenne uns diese Spiele, worum es geht und was diese Titel ausmacht.

Get it von Steffen Benndorf ist ein rasantes Team-Party-Kommunikationsspiel, bei dem man die Karten verkehrt herum hält (a la Hanabi) und sich nonverbale Zeichen gibt, um die jeweils niedrigste Zahl zu ermitteln – ein sehr schöner, neuer Mechanismus! Wenn man es innerhalb einer Minute schafft, alle Karten aufsteigend abzulegen, steigt man ins nächste, schwerere Level auf. Sehr witzig und fordernd!

Durchmarsch ist ein aufs Minimum reduziertes Zockerspiel. Ständig muss man sich entscheiden, ob man aufhört oder weitermacht. Also Can‘t Stop pur, eine witzige und schadenfreudige Lektion in Punkto Wahrscheinlichkeit – denn, Himmel, wie unerhört launisch die Würfel doch immer wieder sein können! Mit acht Würfeln eine läppische 1 zu würfeln, das kann doch nicht so schwer sein. Oh Mann, was haben wir schon gefeixt …

The Choice ist ein ausgesprochen flexibles Roll & Write. Bei jedem einzelnen Würfel kann man sich stets entscheiden, ob man die Farbe oder die Zahl nutzt, was enorm viele Möglichkeiten und Vorgehensweisen eröffnet. Sehr flott, ständig Emotionen und Erfolgserlebnisse, null Wartezeiten, perfekt für die Familie.“

„Viel lieber perfektioniere und veröffentliche ich tolle Ideen von anderen Autoren“

Du selbst hast eine Reihe von Titeln als Autor veröffentlicht. Zuletzt haben wir dich eher als Redakteur und Co-Autor – vermutlich im Zuge der Redaktionsentwicklung entstanden – wahrgenommen. Wird es weiter Veröffentlichungen vorn dir geben oder konzentrierst du dich voll auf die Redaktion?

„Als Redakteur ist es mir eigentlich am liebsten, wenn ich gar nicht oder nur ganz vereinzelt  auf meine eigenen Spiele zurückgreifen muss. Viel lieber perfektioniere und veröffentliche ich tolle Ideen von anderen Autoren. Jetzt, wo wir einen neuen Verlag starten, ist die Situation natürlich eine besondere: Neue Ideen von außen müssen ja erst mal den Weg zu uns finden, dann getestet und bearbeitet werden, das dauert. Womit also soll man starten? Da ist es natürlich überaus hilfreich, dass KENDi mit Steffen und mir zwei Autoren an Bord hat. Wir starten nicht bei Null und können aus vorhandenen Prototypen schöpfen.

An der Stelle muss man übrigens auch realistisch sein. Es ist für einen neuen Verlag oder generell für kleine Verlage, unglaublich schwer, an gute Ideen heranzukommen. Wenn ein Autor eine tolle Idee im Familienbereich hat, dann geht er damit zumeist erstmal zu Ravensburger, Kosmos, Schmidt, Pegasus, Amigo, usw., also zu den Großen, und irgendwann danach kommt man als Kleinverlag oder als Neuling vielleicht mal dran. Wir haben natürlich den Vorteil, dass ich viele Autoren schon sehr lange persönlich kenne, und die zeigen mir auch so mal was, aber schwierig ist die Suche nach den Perlen trotzdem, denn sie sind ausgesprochen selten.

Was meine eigenen Spiele angeht, habe ich ja auch zu NSV-Zeiten immer wieder mal was woanders veröffentlicht, bei moses.Verlag, bei Haba, bei Kosmos, einige Sachen bei Amigo. Es ist mir wichtig, mich immer wieder mal in den Wettbewerb mit anderen zu begeben. Wobei ich einige meiner Spiele, die komplett fertig sind, gerne auch in der Schublade belasse, für schlechte Zeiten oder den Fall der Fälle (wie jetzt).“

Ein Keller mit reifenden Prototypen

Gibt es für dich einen Unterschied, ob du eigene Titel entwickelst oder Prototypen von anderen Spieleerfindern für die Veröffentlichung vorbereitest? Was ist einfacher, was schwieriger?

„Der größte Unterschied liegt darin, dass ich bei Prototypen anderer Autoren viel mehr Abstand dazu habe und somit viel frischer ans Werk gehen kann. Oft ist es so, dass mir sofort klar ist, mitunter schon bei der Regellektüre, wo und wie ich ansetzen muss, um ein fremdes Spiel zu verbessern oder auf den richtigen Kurs zu bringen.

Bei meinen eigenen Prototypen besteht immer die Gefahr, dass ich irgendwann zu dicht dran bin, zu viele Tests gemacht und alles tausendmal in Gedanken gewälzt habe, letztlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe. Deshalb mache ich es häufig so, dass ich eigene Prototypen gerne mal ins Regal lege und sie dort belasse, manchmal für ein paar Wochen, manchmal für ein paar Monate, mitunter sogar mal für mehrere Jahre. Dann ist die Distanz dazu wieder da und ich erkenne sofort die Probleme und Lösungen, die ich vorher nicht gesehen habe. Manche Leute haben einen Weinkeller. Ich habe einen, in dem Prototypen lagern, bis sie endlich reif sind.“

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1 Kommentar

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Pöppelmeister 11. März 2023 at 13:55

Dickes Danke, dass ihr mich erhört habt. Endlich wieder mehr Interviews!

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