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Thomas Sing über das Kartenspiel Die Crew

Spieleautor Thomas Sing

Erfolgreich unterwegs im Orbit

Thomas, du bist Diplom-Volkswirt, liebst die Mathematik und ihre Anwendungsformen im Alltag, hast den Weltrekord im Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spielen geschafft und kauftest vor ein paar Jahren zusammen mit Freunden einen Kiosk. Wie kommt so jemand dazu, Brett- und Kartenspiele zu entwickeln?
Vielleicht gerade so jemand. Logik, ein bisschen verrückt sein und Lust auf Neues sind glaube ich keine schlechten Begleiter bei der Spieleentwicklung.
Ganz konkret hat es bei mir vor ca. sieben Jahren angefangen. Damals habe ich mit Freunden ein sudokuähnliches Zahlenrätsel namens Miss Lupun entwickelt. Das lief damals alles ziemlich gut. Es gab eine Million Bierdeckel mit unserem Rätsel darauf, was uns dann auch ins Fernsehen brachte. Irgendwann kamen wir auf die Idee, aus dem Rätsel ein Brettspiel zu machen. Winning Moves hat das Spiel verlegt und wir waren damit auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres. Ich fand das alles ziemlich auf- und anregend und hatte so viel Spaß dabei, dass ich mit dem Spieleerfinden einfach weiter machen musste.“

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Du hast (teilweise mit Ralf-Peter Gebhardt) neben Miss Lupun schon weitere Werke geschaffen, die sich alle stark voneinander unterscheiden. Wie entstehen Deine Spielideen und wie gehst Du bei ihrer Weiterentwicklung und Umsetzung vor?
„Das ist unterschiedlich aber ich komme überwiegend von der logischen Seite. Ich seziere die Dinge gerne, vergesse sie wieder und lasse dann mein Unterbewusstsein arbeiten. Dann gibt es oft irgendwann eine Rückkoppelung. Das funktioniert hin und wieder überraschend gut. Bei Kribbeln z. B. habe ich über den Unterschied zwischen einem Würfel und einer Spielkarte nachgedacht. Diese Gedanken haben dazu geführt, dass das Spiel, bei dem jede Würfelseite eine andere Farbe hat, dann einfach plötzlich da war. Natürlich bedurfte das dann noch ein bisschen der Nachbesserung.
Bzgl. der Weiterentwicklung und Umsetzung hilft immer: Spielen, spielen, spielen …“

Dein neuester Wurf ist Die Crew, ein kooperatives Stichspiel, was für sich schon speziell und ziemlich einzigartig ist. Es handelt von einer wissenschaftlichen Entdeckungsreise an den Rand unseres Sonnensystems. Wie kam es zu dem allem und wie verlief sein Entwicklungsprozess?
Porträt Thomas Sing„Auch hier hat das Unterbewusstsein zugeschlagen. Die Crew entstand in einer Phase, in der ich an einem völlig anderen Karten-Stichspiel arbeitete. Nachts bin ich dann irgendwann aufgewacht mit der Frage, wie spielt es sich wohl, wenn vor dem Spiel bestimmt wird, wer welche Karte in einem Stich gewinnen muss?
Das ist ja genau das Crew-Prinzip. Am nächsten Tag war meine wöchentliche Spielerunde mit meinen Freunden und zum Abschluss des Spieleabends haben wir meine neue Spielidee ausprobiert. Das Spiel hat von Anfang an gezündet. Der Abend ging ewig und wir konnten es einfach nicht mehr lassen, auch wenn die Kommunikation an diesem Abend noch nicht ausgefeilt war. Die Woche darauf konnte ich die Kommunikation (wie wir sie heute kennen) präsentieren. Für mich ist sie die Seele des Spiels. Die nächsten Monate haben wir nichts anderes mehr gespielt. Das war so spannend. Wir haben uns dann zusätzlich noch Samstag morgens getroffen. Die Crew war unser Spiel. Auch heute noch hat es uns im Griff. Ich komme gar nicht mehr dazu, andere Spiele zu testen. Meine Freunde winken immer nur ab.
Zum Entwicklungsprozess gehörte auch, dass ich Wochen später die Eingebung hatte, die Abstraktheit aufzulösen. Das war damals die Zeit, als jeden Tag etwas über Alexander Gerst in der Zeitung stand. Das Weltraumthema war somit bei mir präsent und es passte einfach wunderbar zu der Kommunikation. Habe dann die Texte geschrieben und der Abwechslung wegen ein paar andersartige Missionen erstellt und ab ging es zu Kosmos.“

Wie kam dieser Kontakt mit Kosmos zustande – Deine Spiele waren zuvor ja alle bei unterschiedlichen Verlagen erschienen? Und wie verlief der Entwicklungsprozess von Die Crew. Entspricht das Spiel noch Deiner Ursprungsidee oder wurde sie stark verändert?
„Kosmos hatte von mir ein anderes Spiel zum Testen. Dafür habe ich leider eine Absage bekommen. Ich fand die Absage aber nett formuliert, so dass ich dachte, hake ich doch gleich mit Die Crew nach. Danach ging alles relativ schnell. Kosmos war sofort begeistert von dem Spiel.
Natürlich hat Kosmos (durch Kilian Vosse, den zuständigen Spieleredakteur) das Layout verändert, die Story optimiert und noch andere kleine Änderungen vorgenommen. Das Spiel entspricht aber auch heute noch voll und ganz meiner Ursprungsidee.
Besonders interessant war für mich das Kartenlayout zu verfolgen. Kilian und der Illustrator Marco Armbruster haben auf den Karten und in den Texten viele Easter Eggs untergebracht, die sich nicht nur, aber überwiegend auf den Science-Fiction-Bereich beziehen. Für mich als Science-Fiction-Greenhorn habe ich so, quasi noch nebenher, die Geschichte der Science-Fiction mitbekommen. Das war aufregend. Ich habe mir dann die Filme zu den meisten easter eggs angeschaut und konnte so in eine für mich ganz neue Welt eintauchen.“

Hast Du Beispiele für solche Easter Eggs?
„Auf den Farbkarten mit der Zahl 2 sieht man das Handtuch, den Rucksack und die Zahl 42 aus ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘. Karte 3 zeigt Schere, Stein, Papier, Karte 4 ist eine Anspielung auf den Film ‚Gravity‘ und die Karte 6 ist an das Gemälde von Michelangelo ‚Die Erschaffung Adams‘ angelehnt. Ebenso findet man in den Texten Begriffe wie Nautilus, Nostromo oder Flux-Kompensator. Nautilus ist das Unterseeboot aus dem Roman ‚Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer‘ von Jules Vernes. Nostromo ist das Schiff aus dem ersten Alien-Film und Fluxkompensator ist ein Gerät aus dem Film ‚Zurück in die Zukunft‘ u. v. m.
Sicherlich bemerken oder kennen diese Anspielungen nicht alle. Aber das ist egal. Mir hat es gezeigt, dass an dem Projekt Die Crew Leute mit Begeisterung und Leidenschaft gearbeitet haben. Was will man mehr?“

Das Spiel hat ja voll eingeschlagen und war beispielsweise vor Weihnachten vielerorts kaum oder  gar nicht mehr erhältlich. Wann hast Du gemerkt, dass Die Crew etwas Grosses werden könnte?
„Bereits beim ersten Ausprobieren hat das Spiel voll funktioniert. Da gab es nichts zum Austarieren. Das Spiel war einfach da. Das habe ich so bisher noch nicht erlebt. Ich habe es mehr gefunden als erfunden. Ich fühlte mich, wie wenn ich eine vergrabene Truhe gefunden hätte, die ich nun langsam öffnete. Das war großartig. Für mich war das Spiel von Anfang an etwas Besonderes. Dass es aber einen solchen Hype entfachen würde, hat mich natürlich überrascht.“

Die Crew - Schachtel - Foto von Kosmos

 

Was empfiehlst Du Interessierten vor der ersten Partie von Die Crew? Und wie gehst Du um mit Leuten, die noch keine grosse Erfahrung mit Stichspielen haben?
„Wie so oft im Leben läuft die wichtige Grenze meines Erachtens nicht zwischen Erfahrung und Nichterfahrung, sondern zwischen Sich darauf einlassen wollen und Sich nicht darauf einlassen wollen.
Wer sich darauf einlassen will und Stichspielerfahrung hat, dem empfehle ich: Spielt darauf los und lasst euch in das Spiel hineinziehen. Diskutiert nach der Partie, warum etwas geklappt hat oder warum nicht.
Wer sich darauf einlassen will und keine Stichspielerfahrung hat, dem empfehle ich: Spielt in einem Team, in dem ihr euch wohl fühlt. Die Crew ist nicht nur ein Kartenspiel, Die Crew ist auch ein soziales Abenteuer. Teamspirit und Teambuilding sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Ich weiß nicht, wann ich mich zuletzt so oft mit anderen abgeklatscht habe. Sprecht bei den ersten Missionen ruhig auch während des Spiels miteinander. Erklärt, warum ihr etwas macht und diskutiert nach dem Spiel das Spielgeschehen.“

Hand aufs Herz – bis zu welcher Mission hast Du es selber schon geschafft? Gibt es Tipps, wenn man irgendwo nicht mehr weiterkommt?
„Natürlich habe ich das Spiel in allen verschiedenen Spielanzahlen durchgespielt. Das war für mich als Autor ein Muss. Übrigens auch zu fünft. Natürlich ist das Spiel in Vollbesetzung am schwersten, aber es braucht zur Bewältigung keine Oma-Blätter.
Zwei Tipps dazu kann ich geben. Tipp 1: Begreift, dass die Kooperation bereits bei der Auftragswahl beginnt. Tipp 2: Rakete 4 und/oder Rakete 3 sollten möglichst einen Auftrag gewinnen, nicht nur einen Stich. Das bedeutet, dass es oft Sinn macht, einen Auftrag einer Farbe zu wählen, die man nicht auf der Hand hat.
Im Allgemeinen gilt: Nicht weiterkommen gibt’s nicht. Man muss es nur immer wieder neu versuchen.“blank

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1 Kommentar

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KalleWirsch 18. September 2020 at 04:04

Ich spiele seit über 30 Jahren und weiß gar nicht mehr, ob spielen die gleiche Bedeutung für mich hat wie „leben“. Denn letztendlich sind wir alle das Ergebnis des großen Spiels der Evolution hier auf der Erde. Entscheidend wichtig beim Spielen ist für mich, dass es mich fördert, fordert und auch in meiner Intellektualität belebt. „Die Crew“ finde ich gähnend langweilig. Vielleicht ist es ein gutes Geschäft für den kalt kalkulierenden Volkswirt. Es fehlt jedoch der Geist in diesem Spiel – ich kann es nicht empfehlen! Da lese ich lieber ein Buch!

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