Weiblich! Steampunk! Wheel-Building-Mechanismus!
Sophia, zur Spielemesse in Essen 2017 erscheint bei der Edition Spielwiese dein Erstlingswerk Noria. Erklär unseren Lesern bitte zunächst, was sich hinter diesem Titel thematisch versteckt? Worum geht es?
„Noria ist eine steampunkartige Welt aus fliegenden Inseln. Diese sind teils dicht besiedelt, teils noch unentdeckt im Nebel verborgen. In Noria lebt eine Vielzahl an unterschiedlichsten Völkern friedlich zusammen. Mehrere Handelshäuser bilden die wirtschaftliche Kraft Norias.
Wir Spieler wollen die Zukunft Norias gestalten indem wir unser Handelsimperium ausbauen, neue Rohstoffvorkommen auf noch unentdeckten Inseln erschließen, auf vier Pfaden in die Zukunft Norias investieren und die politischen Ziele des Rates beeinflussen.“
Mit welchen wesentlichen Mechanismen setzt du dieses Thema um? Was prägt deiner Meinung nach den Spielspaß bei Noria ganz besonders?
„Das wichtigste ist das Rad, das eigentlich aus drei ineinander liegenden Ringen besteht, die sich am Ende eines Spielerzuges verschieden weit weiterdrehen und so jede Runde anders zueinander stehen. In jedem dieser Ringe liegen Aktionsscheiben, zu Beginn noch wenige, im Laufe des Spiels hat man die Möglichkeit leer Plätze zu belegen. Eine Hälfte des Rads ist die aktive Hälfte, aus der man in seinem Zug Aktionen auswählen darf. während im äußeren Ring sechs Aktionsscheiben Platz haben, sind es im mittleren nur vier, im inneren zwei. Legt man eine Aktionsscheibe in den inneren Ring, steht sie einem jede 2. Runde in der aktiven Hälfte zur Verfügung. Eine Scheibe im äußeren Ring bleibt länger in der aktiven Hälfte, ist danach aber auch länger nicht benutzbar. Natürlich lässt sich das Rad auch manipulieren, aber das ist nicht umsonst. Dieser Mechanismus lässt viel Raum zum knobeln und vorausplanen.
Ich finde der Wheel-Building-Mechanismus passt super in eine steampunk Welt. Er repräsentiert eine rudimentäre Maschine, die wir versuchen, unter Kontrolle zu bekommen. Einmal in Gang, dreht sie sich beständig weiter, alle Räder greifen ineinander, in den Lauf dieser Maschine einzugreifen ist nur unter größter Anstrengung möglich. Kolben bewegen sich, es pfeift und raucht (genau wie der Kopf der Spieler).
Ein zweiter wichtiger Mechanismus, der den Spielspaß von Noria ausmacht, ist die Politik. Denn zu Beginn des Spiels weiß man noch nicht, was eigentlich am Ende Siegpunkte bringt. Das beeinflussen die Spieler selbst während des Spiels. Man steht vor dem Dilemma, abzuwägen, in ein bestimmtes Ziel zu Investieren ohne genau zu wissen, wie viel einem diese Investition bringt oder erst einmal die Politik dementsprechend zu beeinflussen. Hier findet ein Großteil der Interaktion der Spieler statt.“
Noch einmal zum „Wheel-Building-Mechanismus“: Wie funktioniert dieser genau? Ist das vergleichbar mit dem Aktionsmechanismus der Spiele wie Antike, Hamburgum, Navegador und Co.?
„Vergleichbar vielleicht insofern, dass diese Aktionsmechanismen die Aktionen, die man im Zug zur Verfügung hat, einschränken und dass man sieht, was man im nächsten Zug an Aktionen wählen könnte. Ansonsten ist das aus drei Ringen bestehende Rad in Noria, das man mit Aktionsplättchen belegt, weiterdreht und manipulieren kann, doch recht anders.“
An welche Zielgruppe richtest du dich mit Noria?
„Es ist von der Schwierigkeit her an der Schwelle vom Kennerspiel zum Expertenspiel.“
Hast du einen Tipp für Spieler oder besonders Messebesucher, die Noria zum ersten Mal spielen? Gilt es, etwas besonders zu beachten oder zu vermeiden?
„Ja, den Einstieg in das erste Spiel kann man sich erleichtern, indem man einige Dinge beachtet. In der Spielregel werden dazu Tipps gegeben. Vor allem ist es gut, die vorgeschlagene Startaufstellung des Rads zu nutzen. Diese führt die Spieler langsam an das Spiel heran. Für erfahrene Noria-Spieler gibt es die Möglichkeit, sich die Startaufstellung des eigenen Aktionsrads selbst zusammenzustellen.“
Die Grafik wurde von Michael Menzel und teilweise Klemens Franz erstellt. Wie wichtig ist dir gerade bei diesem Spiel die Illustration? Was zeichnet diese besonders aus?
„Sehr wichtig! Die Illustration erschafft einen Großteil der Atmosphäre und zusammen mit der Grafik unterstützt sie das Verständnis der Spielregel. Ich finde beides, Illustration und Grafik, sind wirklich sehr gut gelungen und obwohl sie nicht aus einer Hand kommen, passen sie perfekt zusammen.“
Noria ist dein Erstlingswerk: Wie kam es zur Veröffentlichung? Über welche Kanäle hast du Noria angeboten?
„Ich kenne Michael Schmitt, den Inhaber der Edition Spielwiese schon lange. Er führt die Ludothek Spielwiese in Berlin, dort gibt es unter anderem einen Spieleautorenstammtisch, zu dem ich oft gehe. Auch einen der Redakteure von Noria, Rolf Raupach, habe ich dort kennen gelernt. Über ihn bin ich als Erklärbärin zu Lookout Spiele gekommen, wo ich Uwe Rosenberg kennen gelernt habe, der wiederum mit Michael und Rolf befreundet ist. Auf der SPIEL in Essen 2015 wollten sich Uwe, Michael und Rolf zusammensetzen um über die Gründung eines Verlags zu reden. Das war schon lange Michaels Traum. Uwe hat mich kurzentschlossen zu diesem Treffen dazu geholt. Ich hatte ihm kurz zuvor einen meiner Prototypen gezeigt, der ihm sehr gut gefallen hat, sodass er es mir zutraute, das Erstlingswerk für den Verlag zu machen. Ich war sofort begeistert von der Idee. Noch vor Ort haben wir besprochen, was wir uns so vorstellen und dann auf vielen weiteren Treffen.“
Obwohl sich in den vergangenen Jahren viel getan hat, sind Frauen als Spieleautoren noch immer keine Selbstverständlichkeit. Wie siehst du das? Warum haben die Damen weniger Interesse am Spieleerfinden oder gibt es gar Strukturen, die es Frauen schwerer machen?
„Das ist eine gute Frage. Es gibt tatsächlich außerhalb der Kinderspiele nur sehr wenige Spieleautorinnen. Warum das so ist, weiß ich nicht genau. Ich glaube nicht, dass es (noch immer) Strukturen gibt, die bewusst dafür sorgen, dass es Frauen schwerer haben. Aber wenn man als Frau, die Kontakt zu anderen Spieleautoren sucht, zu einem Treffen wie beispielweise dem Spieleautorenstammtisch in der Spielwiese geht, dann ist man dort meist unter Männern. Ich kann mir vorstellen, dass es da für viele Frauen eine Hürde ist, sich selbst und die eigenen Ideen zu offenbaren. Ich denke, wenn sich das ändert, werden sich neue Spieleautorinnen gleich viel wohler fühlen. Dass man sich wohlfühlt ist eine wichtige Voraussetzung um kreativ zu arbeiten. Ich denke auch, je mehr Namen von Spieleautorinnen auf den Spieleschachteln im Wohnzimmer stehen, desto mehr weibliche Spieler werden motiviert oder auf die Idee kommen vielleicht selbst mal ein Spiel zu erfinden.“
Hast du bereits weitere Titel in Vorbereitung? Worauf können sich Spieler freuen, denen Noria gefällt?
„Ich habe weitere Spiele an denen ich noch arbeite oder die schon soweit fertig sind, dass Verlage gerade darüber entscheiden, ob sie sie herausbringen wollen. Ich hoffe sehr, dass es klappt, denn da warten noch Spiele, von denen ich sehr überzeugt bin!“
Wir haben jetzt sehr viel über Noria erfahren. Was ist mir dir? Wie bist du zum Spielen und dann zum Spieleerfinden gekommen?
„Als Kind habe ich sehr gerne gespielt, als Jugendliche habe ich das Spielen aus den Augen verloren. Erst im Studium bin ich wieder dazu gekommen und war begeistert von der Vielzahl an unterschiedlichsten Spielen und auch an der thematischen Dichte, die man insbesondere in Rollenspielen erfährt. Ich habe sofort angefangen mir selbst Spiele auszudenken, am Anfang sehr vom Thema geleitet und so voller Regeln, dass die ersten Prototypen unspielbar waren. Von diesen Rückschlägen habe ich mich aber nicht abbringen lassen, habe mich mehr mit der Theorie des Spieleerfindens beschäftigt, Kontakt zu anderen Spieleautoren aufgenommen und angefangen, zu Veranstaltungen wie dem Spieleautorentreffen in Göttingen oder den Spieleautorenstammtisch in der Spielwiese zu gehen.“
Welche Gesellschaftsspiele sprechend ich besonders an? Welches sind deine Lieblingsthemen, -mechanismen oder -autoren? Gibt es wichtige Einflüsse auf deine Arbeit als Spielerfinderin?
„Ich mag grundsätzlich fast alle Arten von Spielen, von Partyspielen über Würfel-, Karten-, Geschicklichkeitsspielen zu Familienspielen bis Expertenspielen. Auch wenn ich knallharte Strategiespiele gerne meistere, mag ich auch thematische und etwas glückslastigere Spiele. Es kommt für mich also nicht auf die Kategorie von Spiel drauf an, sondern ob es mich irgendwie packt und begeistert. Und das merkt man auch bei meinen Prototypen, es ist fast von allem was dabei, außer Kinderspiele, damit habe ich mich noch nicht beschäftigt. Was Autoren angeht, finde ich zum Beispiel Vlaada Chvátil sehr interessant, weil er auch sehr unterschiedliche Spiele macht, die zum Teil Eurogames und sehr thematische Spiele verbinden. Was Themen angeht, mag ich Fantasy und Steampunk, aber auch vieles andere. Was mich nicht sehr begeistert, ist Städtebau, das ist mir irgendwie als Thema zu kalt. Ich mag es, in eine Welt einzutauchen und mich mit einem Charakter zu identifizieren, aber die Spielmechanik muss eben auch interessant sein. Das wichtigste ist, es macht Spaß!“
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