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Die Kunstfertigkeit als Kulturgut

Frank Riemenschneider

Sind Spieleautoren nicht eigentlich Künstler?

blankSpiele sind Kinderkram und Spieler sind nicht ernsthafte Zeitgenossen. Zuweilen wird Autoren von Gesellschaftsspielen sogar die Schöpfungstiefe abgesprochen. Aber mal ehrlich. Darum geht es doch: Man sitzt doof auf einem Stuhl, wirft mit Kommentaren um sich und genießt ein Spielchen. Oder man sitzt, schweigt und grübelt vor sich hin. Schwitzt, schwelgt und vergisst? Steht, spielt, palavert, freut sich oder auch nicht. Ärgert sich, wird stinkig und wirft! Spielen erzeugt Emotionen! Und damit ist es doch Kunst!?!

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Kunst? Das Wieso und Warum

Wenn jemand im letzten Absatz mit dem Kopf geschüttelt und die Stirn kraus gezogen hat, dann habe ich alles richtig gemacht. Spiele und Spieler müssen anecken, um wahrgenommen zu werden. Und wieso jetzt Kunst? Weil Gesellschaftsspiele immer wieder in die nutzlose Ecke gestellt wird. Sie sind Gebrauchsgut statt Kulturgut geworden. Und so, hat man das Gefühl, gehen Richter auch mit dem Urheberrecht von Spieleautoren um. Natürlich ist Justitia blind. Vielleicht ist der Rechtsprechung deswegen gar nicht bewusst, wie kulturell wertvoll unsere Gesellschaftsspiele sind oder sein könnten, wenn, ja wenn?

Die Idee kam mir beim Autofahren. Gesellschaftsspiele und Spieler sind in der Einheit Kunst. Denn Kunst bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung und Intuition gegründet ist. Und weiter: Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber seit der Moderne auch der Prozess selbst sein. Ausübende der Kunst im engeren Sinne werden Künstler genannt.

Die Freiheit des Spielens und die Freiheit der Kunst

Na bitte! Der Autor von Spielen entwickelt kein Spiel sondern ein Kunstwerk. Kleiner Nebeneffekt: Die Kunstfreiheit ist geschützt in Art. 5, Absatz 3 des Grundgesetztes. Am Ende einer Schöpfung steht ein fertiges Spiel. Das Originalspiel. Die anderen ~ 4.999 Spiele sind dann die Duplikate. Manche auch Plagiate, gegen die man vorgehen sollte

Auch wir Spieler werden in diese Kunst miteinbezogen. Die Kunst besteht darin, mit einem Kunstobjekt – dem Gesellschaftsspiel – eine Symbiose einzugehen. Die Umwelt und den Alltag zu vergessen und sich ganz dem Spiel hinzugeben. Und diesen Spaß zu kennzeichnen, unverbissen nach außen zu tragen, in krude Zusammenhänge zu bringen, zu pushen und proklamieren, zu entstauben, vorzuleben und vor allem auszuleben … Und da sind wir wieder bei der vom Reich der Spiele geforderten Popkultur in der Spielezene, zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Spaß und intensiven Erlebnissen.

So einfach ist die Welt.

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2 Kommentare

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Nils Kruse 9. September 2014 at 17:35

Danke!

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Günter Cornett 10. September 2014 at 13:51

Ich stehe im Stau, sitze und grübele vor mich hin. Schwitze, stehe, spiele, palavere, freue mich oder auch nicht. Ärgere mich, werde stinkig … ! Im Stau stehen erzeugt Emotionen! Und damit ist es doch Kunst!?!  (Franks Zitat von mir künstlerisch verfälscht)Ich denke, zur Kunst gehört doch etwas mehr, als nur Emotionen zu erzeugen. Insbesondere wenn man auf Schöpfungshöhe (oder Tiefe) besteht. Natürlich sind Spiele Kunst, natürlich hat nicht jedes Spiel eine ausreichende Schöpfungshöhe. Natürlich kann man jede Handlung oder jede, die Emotionen erzeugt, zur Kunst erklären. Aber ich möchte nicht, dass sich jeder, der im Fahrstuhl furzt, auf die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit berufen kann, weil er damit Emotionen und Reaktionen hervorruft.Die verlinkte Definition geht da glücklicherweise etwas weiter:„Heute bezeichnet Kunst den schöpferischen Prozess der ästhetischen Widerspiegelung der Welt (auch der Innenwelt), der sich im Kunstwerk materialisiert. Das künstlerische Produkt ist vorrangig auf emotionale Wahrnehmung und sinnliche Erkenntnis orientiert.“ Frank: „Der Autor von Spielen entwickelt kein Spiel sondern ein Kunstwerk.“Ein Spiel ist also kein Kunstwerk?Ich sehe das eher so: Der Autor entwickelt ein Spiel als Kunstwerk. Mit dem Regelwerk entwickelt er quasi das Drehbuch, während die Spieler gleichzeitig Akteure und Konsumenten sind. Sie spielen eben nicht für externe Zuschauer sondern für sich selbst. Das Kunstwerk wird von den Spieler aufgeführt gespielt wie ein Theaterstück. Dennoch wird es nicht erst dadurch zum Kunstwerk sondern – wie das Drehbuch – schon durch Niederschrift.Das Regelwerk enthält Orte, Personen und Elemente des SchauSein-Spiels, sowie Regeln für deren Interaktion, gibt den Handlungsrahmen vor und bestimmt damit den Verlauf mit Spannungselementen und Schluss. Das ist i.A. etwas mehr als ein Furz im Fahrstuhl.Wer den Kunstbegriff niederschwellig ansetzt und alles zur Kunst erklärt, was Emotionen hervorruft, mag sich zwar bei der Ausübung auf Kunstfreiheit berufen, aber nicht über das Urheberrecht vor Nachahmern schützen (was sicherlich lustig wäre, wenn Fahrstuhlfurzer wegen Plagiierens zur Unterlassung gezwungen würden oder Lizenzgebühren zahlen müssten).Insofern setzt auch die Begründung der SAZ für ihren nicht nur orthografisch verunglückten Vorschlag zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes zu niedrig an:Dabei besteht die Kunst des Schöpfers darin, alle denkbaren Handlungsstränge so vorauszuplanen, dass das Spiel bei jeder denkbaren Entscheidung während des Spielablaufs funktioniert, d.h., zum definierten Spielziel führt und gleichzeitig einen Unterhaltungswert bietet.Dass etwas funktioniert und einen Unterhaltungswert bietet, macht es noch nicht zum Kunstwerk. Außerdem muss urheberrechtsfähige Kunst weder funktionieren noch unterhalten. Etwas zum Funktionieren zu bringen, ist lediglich Handwerk.Eine Auseinandersetzung darüber, worin die Kunst des Entwickelns von Brettspielen besteht, ist meiner Meinung nach notwendig, bevor man das – hierzulande bereits bestehende – Urheberrecht für Spiele einfordert. Ansonsten kommt der Einsatz für die Anerkennung des Urheberrechts von Spielen zu einem zwecksfreien Kunstwerk, das selbst sicherlich urheberrechtsfähig ist, weil es einerseits so facettenreich, so bizarr und in sich widersprüchlich ist, gesellschaftliche Zustände widerspiegelt, Emotionen hervorruft, … andererseits aber völlig zweckfrei und ziellos durchgeführt wird (auch Spiele brauchen ein Ziel nur zum Funktionieren, nicht aber um urheberrechtsfähig zu sein).

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