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Martin Schlegel über das Brettspiel Luther

Luther - Das Spiel - Foto von Kosmos

Mit Glauben siegen

blankMartin, zur Essener Messe 2016 erscheint bei Kosmos Luther – Das Spiel, das du gemeinsam mit deiner Frau Erika entwickelt hast. Kannst du uns bitte etwas zur Entstehung des Spiels sagen?
„Spiele haben bei mir ja häufig eine lange Geschichte. Dieses hat aber nicht wie West of Africa neun Entwicklungsjahre auf dem Buckel. Es war 2013, die Konrad-Adenauer-Stiftung wollte ein Brettspiel auflegen. Ich entwickelte eine Idee – nannte sie Kanzler von Deutschland – und reichte sie ein. Der Plan bestand aus den 16 Landeshauptstädten und mithilfe von Karten, die man auf neuartige Art erhielt, konnte man reisen, was Punkte brachte. Wer eine Stadt erreichte, hatte bei der Frage, die dort gestellt wurde, einen Vorteil. Dieses Quizelement war der Hauptpunktelieferant. Punkte gab es auch für eingesammelte Kanzler.
Es ist nie was draus geworden; ich glaube, die Stiftung ist vor dem Aufwand zurückgeschreckt.“

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Wie bist du dann auf das Thema Luther gekommen bist? Liegt es am anstehenden Jubiläum, 500 Jahre Luthers Thesen?
„Die Kanzler-Idee stand ungenutzt im Raum und da kam meine Frau auf die Idee, die Politik durch Luther zu ersetzen. Das lag an ihrem Interesse für Religion und Geschichte, aber sie hatte natürlich im Blick, dass 2017 der 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag ist. Die Anregung setzte ich um. Die Fragen änderten sich und aus den 16 Landeshauptstädten wurden zwölf Orte, die Bedeutung für Luther hatten. Weitere Änderungen kamen hinzu.“

Wie kam dieses Spiel zu Kosmos?
„Im Herbst 2014 sprach ich mit Wolfgang Lüdtke darüber und gab ihm den Prototypen. Er gefiel ihm – und gleichzeitig nicht. Er zeigte schnell seine Skepsis gegenüber dem Quizschwerpunkt. Da stand ich vor einem riesigen Problem, neigte zum Aufgeben. Doch dann machte ich einen Schnitt. Die Karten flogen raus und an ihre Stelle trat ein zentrales Teil aus einem anderen Prototypen, aus Mona Lisa lächelt.“

Welches Element?
„Ich übertrug ein Element, mit dem man Siegpunkte erhält und das gleichzeitig für das Spielende sorgt. Ein Porträt, das aus 20 Teilen besteht. Legt man solch ein Teil, gibt es Punkte. Wartet man, bis das Porträt weiter fortgeschritten ist, bringt die Karte weit mehr Punkte. Doch man läuft Gefahr, dass dieses Teil schon auf andere Art auf den Plan gekommen ist.“

Das heißt: Ist das Luther-Bild fertig, ist die Partie beendet?
„Genau. Die Spieler haben also starken Einfluss auf das Spielende, was ein zusätzlicher, langer Spannungsbogen ist.
Als Luther bei Kosmos gelandet war, spielte Wolfgang Lüdtke eine große Rolle. Dieser Redakteur hatte einfach riesigen Spaß daran, ein Luther-Spiel zu betreuen, und durch seine vielfältige Tätigkeit gewann das Spiel weiter an Reiz.“

Ist Mona Lisa lächelt durch dieses Heraustrennen des Mechanismus gestorben?
„Das Spiel war tot, doch nach vielen Monaten habe ich es wieder zum Leben erweckt. Dieses Spiel um das weltberühmte Gemälde, das von Museum zu Museum wandert, durfte einfach nicht sterben.“

Also ist Luther – Das Spiel ist eine Kombination aus zwei verschiedenen Spielideen?
„Man könnte sagen: Mona Lisa und Konrad Adenauer sind die Eltern von Luther.“

Es ist sicher etwas Besonderes, ein Spiel mit der eigenen Partnerin zu entwickeln?
„Aber sicher ist so etwas wirklich besonders. Und die Freude über das fertige Spiel ist bei beiden riesig groß. Vor allem in dem schönsten Moment; nämlich dann, wenn wir das Endprodukt in den Händen halten.“

Welchen Einfluss hat Erika auf das Spiel gehabt und wie habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt?
„Grob gesagt hat Erika sich um Thema und Text gekümmert, ich um die Mechanik. So stammt das Glossar aus ihrer Feder. Sie hat beispielsweise die Leute bestimmt, die zu dem Spiel gehören, weil sie sich zu dem Thema geäußert haben. Sie hat natürlich bei der Auswahl der zwölf Orte mitgemacht und fand Augsburg bestens geeignet. Ich habe die Stadt nicht genommen, weil es im Plan einen Zipfel bedeutete. Später dann ist sie wieder reingekommen, weil andere Fachkundige Augsburg als ganz wichtig ansahen. Ich habe gedacht: Nun kriegt der Zeichner ein Problem. Hat er aber toll gelöst.
Bei fast allen Tests war sie mit von der Partie, um eine Rückmeldung aus ihrer Sicht zu geben. Und ihre Sichtweise ist schon eine andere als meine, auch wenn wir über 40 Jahre verheiratet sind. Bei einem Spiel, bei dem das Thema mehr als eine Randerscheinung ist, ist der fortwährende Blick aufs Spiel aus dem Winkel ‚Thema‘ wichtig.“

Erika und Martin Schlegel - Forto: Annette Salomo

Bei fast jeder Gemeinschaftsentwicklung gibt es Situationen, in denen die Partner verschiedene Meinungen haben. War das bei euch ähnlich? Wie seid ihr als Paar damit umgegangen?
„Erika und ich kennen uns gut und respektieren die jeweiligen Stärken. Meine liegt in der Mechanik, ihre im Thema. Ich habe mich mit Luthers Leben befasst, komme aber an ihre Kenntnis von Luther und der Zeit nicht ran. Schließlich hat sie Religionspädagogik und Geschichte studiert, ich nicht. Dafür habe ich meine Stärke im Spielmechanismus, in neuen Ideen oder in neuer Kombination einzelner Abläufe. Bei dieser Arbeitsteilung musste kein Konflikt auftauchen. Vielleicht war mal ein Konfliktchen da, das ich nicht bemerkt habe.“

Zum Spiel selbst: Wie habt ihr Thema und Mechanismen bei Luther – Das Spiel so kombiniert, dass es eine Einheit wurde? Dem Spiel liegt ein Glossar bei. Wie wichtig ist dieses für das Brettspiel als Ganzes?
„Luther musste viel reisen. Das sollten die Spieler nun auch. Damals war die mitgenommene Verpflegung wichtig, jetzt auch wieder. In einer Stadt angekommen, kann man eine punktebringende Figur erhalten. Diese Figuren sind welche, die einen engen Bezug zu Luthers Disput hatten.
Man kann Luther – Das Spiel ohne Ahnung von Luther spielen – und sogar gewinnen. Man kann also das Glossar zur Seite legen. Doch es sagt den Neugierigen – und das Spiel macht neugierig –, wer Lucas Cranach, Karl V., Katharina von Bora und all die anderen waren und welche Rolle sie in dem Disput zwischen Martin Luther und der Katholischen Kirche spielten. Außerdem erfährt man dort einiges über die Bedeutung der im Plan befindlichen Städte. Man muss nicht rätseln, welche Rolle Worms, Wittenberg usw. hatten, man kann einfach nachsehen. Wer also wissen will, was die handelnden Personen und Städte zu bedeuten hatten, …“

… geht einfach ins Internet?
„Das geht auch, da steht auf jeden Fall mehr als im Glossar. Macht man aber besser nach der Partie, denn das Internet ist recht zeitraubend.“

Welche Bestandteile sind für den Spielablauf von Luther – Das Spiel besonders wichtig und interessant?
„Die Frage ist schwer zu beantworten. Harte Spieler, die nur den Sieg im Auge haben, lassen das Thema beiseite. Die einen von ihnen stürzen sich auf das fertig zu stellende Luther-Bild und gehen in Pokermanier auf viele Punkte. Andere streben die Karten an, die weite Reisen ermöglichen, was viele Punkte bringt. Wieder andere besuchen viele Städte, denn dort bekommt man Bilder von Martin Luther und anderen Leuten aus der Zeit, die sich bei Spielende in Punkte auszahlen usw. Die an Kirche und Geschichte Interessierten besuchen gerne Städte wie Wittenberg, Eisleben oder Worms usw. Sie begeben sich nach Eisenach, wo der ‚entführte‘ Luther die Bibel übersetzt hat. Natürlich kann Rom auf ihrer Agenda stehen. Ein Besuch dort geht nicht. Rom ist bei dem Disput wichtig, ist nicht auf dem Plan, weil es den Plan gesprengt hätte.
Mir persönlich gefällt das Luther-Porträt besonders, nicht, weil der auch Martin heißt. Man legt ein Stück, vervollständigt so das Bild und wird mit Punkten belohnt. Oder man wartet ab, strebt mehr Punkte an und verschiebt damit möglicherweise das Ende der Partie.“

Luther spricht als Thema sicher eine große Zielgruppe an. Für welche Spielertypen ist dieses Brettspiel deiner Meinung nach am besten geeignet?
„Es ist nichts für Leute, die ein hochkomplexes Spiel suchen. Es ist ein Familienspiel, besitzt einen leichten Einstieg mit relativ kurzen Regeln. Mein Grundsatz ist ja: Man braucht das Hirn zum Nachdenken, soll es nicht mit Regeln vollstopfen. Durch das Glossar wird der Spielerkreis erweitert. So ist es bestens auf Jugendgruppen und andere am Thema ‚Luther‘ interessierte Personen zugeschnitten.“

Hast du einen Tipp, wie Spieler an ihre erste Partie gehen sollten, um möglichst viel vom spielerischen Reiz zu erleben?
„Erst einmal: Das Glossar zur Seite legen. Die Neugier darauf entsteht im Laufe der Partie. Die recht kurze Regel lesen, dann loslegen und dabei die unterschiedlichen Wege zu Punkten beschreiten. Dann hat man’s drin. Für eine ausgefeilte Taktik braucht man etwas mehr.“

Ihr habt euch dazu entschlossen, 80 Prozent eurer Einnahmen durch das Spiel an die Kindernothilfe zu spenden. Aus welchen Gründen möchtet ihr spenden und warum die Kindernothilfe?
„Wir leben in einem reichen Kontinent, in anderen Kontinenten herrscht viel Armut. Bei uns ist beispielsweise der Besuch einer Schule selbstverständlich, für die 3. Welt die Ausnahme. Die Kinder mit Bildung zu versorgen, das ist einer der wesentlichen Aspekte, um diese Länder nach vorne zu bringen. Und hier ist die Kindernothilfe höchst aktiv. Sie sorgt fürs Schulgeld oder ermöglicht ihnen die Betreuung in Tageseinrichtungen. Sie sorgt sich auch darum, die Eltern in die Erziehung besser einzubeziehen. Und immer gibt sie den Paten, also den Spendern, die Möglichkeit, Kontakt zu ihrem Patenkind herzustellen, was meistens auf Briefe hinausläuft.
Erika hat bei einer Bolivien-Reise 1984 auch ein Kindernothilfe-Projekt und unser Patenkind besucht. Jonny Orellana Silvestre war damals ein schüchternes Kind. Er hat später studiert und ist heute Lehrer, gut für Bolivien und ein Erfolg für ihn und die Kindernothilfe. Gemeinsam waren wir in Valdivia, Chile, und haben dort eine Tageseinrichtung und ein Patenkind besucht. Es war beispielhaft, mitzuerleben, wie die Kinder nach dem Mittagessen ins Bad drängten und sich die Zähne putzten. Viele weitere Beispiele gibt es. Die Kinder, die dort betreut werden, haben einen guten Start ins Leben.
Helfen wir doch mit, dass mehr von ihnen diese Chance bekommen.“

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1 Kommentar

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Leser 26. Oktober 2020 at 23:15

Das Interview ist ja schon ein paar Jahre alt. Ich habe es gerne noch mal gelesen.

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