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Spielemesse Essen 2011 zeigt Verlage in Abwärtsspirale

Spielemesse 2011 in Essen - Spielepreise von Reich der Spiele

Die sich drehenden Spiele im Ladenregal

Die Spielemesse 2011 in Essen hat eins gezeigt. Der Markt ist gesättigt, vielleicht sogar übersättigt. Das zeigt sich nicht nur an einer Zahl von Neuheiten, die auf dem Weg ist, die vierstellige Marke zu knacken, sondern vor allem an der Reaktion der Verlage. Die Spielebranche ächzt und stöhnt und ist doch selbst Teil des Problems. Sinkenden Absatzzahlen wird mit Masse begegnet. Masse führt jedoch zu geringeren verkauften Stückzahlen – der Kuchen wird nicht größer, aber es wollen mehr ein Stück abhaben – dann zu geringeren Auflagen, dann zu höheren Preisen, dann zu geringeren Absatzzahlen. Theoretisch zumindest. Wie sich das in der Praxis auswirkt, soll dieser Beitrag etwas beleuchten.

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Dreh- und Angelpunkt des Spielemarktes ist der Handel. Nur kleinere Verlage verkaufen direkt an Endkunden, die Masse läuft aber auch längst nicht mehr über Fachhandel (nach Schätzungen 25 Prozent), sondern über Ketten wie Kaufhof, Karstadt, Müller und Co. Zusätzlich macht auch der Online-Handel einen großen Anteil für die Verlage aus. Während Fachhandel und Online-Versender sich auch ein Spiel in das Regal legen, das für Spielefreaks geeignet ist, sind die Ketten, über die beachtliche Stückzahlen an den Kunden gebracht werden können, vorsichtig. Hier zählen „Klassiker“ wie Monopoly, Die Siedler von Catan, Zug um Zug und Carcassonne. Dazu kommen das Spiel des Jahres in allen Ausprägungen und Trendartikel sowie Spielesammlungen. Die großen und mittleren Verlage „drücken“ noch ihr aktuelles „Beiprogramm“ mit hinein. Im Fachhandel und bei Online-Shops ist das Prinzip ähnlich, aber beide Handelsformen stellen sich breiter auf, um eine Vielfalt zu bieten.

Wenn der Umsatz in Deutschland zurückgeht, gehen dabei meistens auch die verkauften Stückzahlen zurück. So ganz eindeutig ist das nicht zu klären, da kleinere Schachtelgrößen und mehr Kartenspiele Schwankungen in das Preisgefüge der Neuheiten und damit in den Handel bringen. Da Umsatz gleich Stückzahl mal Preis ist, kommt es hier manchmal auch zu natürlichen Schwankungen. Das aktuelle Problem der Spielebranche ist aber tiefergehend. Das hat die Spielemesse 2011 in Essen gezeigt. Was heißt das nun für die Verlage?

Das Prinzip im Handel ist vereinfacht ausgedrückt, dass eingekaufte Ware möglichst schnell wieder verkauft wird, um Platz zu machen für neue Ware, die wiederum wieder schnell verkauft werden soll. Die Spiele müssen sich im Regal „drehen“. Begrenzte Lagerkapazitäten und noch begrenztere Regalplätze machen dies erforderlich, um den Umsatz zu maximieren oder/und das Überleben des Händlers zu sichern. Die Folge: Wird ein Spiel nicht häufig genug verkauft, fliegt es aus dem Programm. Mit fatalen Wirkungen. Denn hat der Verlag kein alternatives Spiel oder keine zukünftigen Neuheiten, die interessant genug erscheinen, wird der einzelne Händler den so frei gewordenen Platz mit einem anderen Spiel aus einem anderen Verlag belegen. Um das zu verhindern, versuchen die Verlage, ein breites Programm anzubieten. Dazu gehört auch, regelmäßig neue Gesellschaftsspiele auf der Order-Liste zu haben. Je größer die Zahl ist, desto eher gelingt es, den „eigenen Regalplatz“ zu sichern oder zu erweitern.

Die steigende Zahl von Neuheiten führt aber zumindest aktuell nicht mehr zu steigenden Umsatzzahlen. Da die verkauften Stückzahlen zurückgehen, wird der Verlag von den nächsten Spiele-Neuheiten eine geringe Anzahl produzieren lassen. Das führt aber tendenziell zu steigenden Herstellungskosten pro Exemplar und damit zu geringeren Margen oder höheren Preisen. Da der Handel günstig einkaufen möchte, sind die Verlage gezwungen, die Preise möglichst stabil zu halten. Folge: Der Verlag verdient bei steigenden Kosten weniger. Aber auch höhere Preise haben eine fatale Wirkung. Die Preissensibilität nimmt zu und die Kunden kaufen tendenziell weniger oder später und dann zu günstigen Preisen. Denn nicht verkaufte Ware wird immer früher zu Tiefstpreisen vom Handel geradezu verramscht. Die Spirale ist losgetreten.

Was passiert aber, wenn ein Verlag dem Regalkampf einfach nicht durch mehr Neuheiten oder günstige Preise begegnet? Dann reagiert der Handel ganz einfach: Er nutzt den Regalplatz für Spiele anderer Verlage. So müssen die Hersteller vorsichtig austesten, mit wie vielen zusätzlichen Neuheiten sie ihren Absatzplatz im Handel sichern oder gar erweitern können und mit wie wenig Neuheiten sie ihre bisherigen Umsatzzahlen halten können, um die Gewinne weiter zu maximieren, ohne aber Regalplätze zu verlieren. Denn die Regalplätze sind ganz wesentlich, um Spiele an den Kunden zu bringen. Ohne Regalplätze keine Präsenz in Ketten und im Fachhandel und ohne Lagerplatz bei Online-Versendern keine Vorstellung im Warenkorbsystem. Folge: Kein oder weniger Verkauf. So einfach, aber so schwierig ist es auch.

Fest steht, dass mehr Spiele dazu führen, dass sich alle Spiele bezogen auf den Regalplatz weniger schnell und oft verkaufen. So sind die 750 Neuheiten bei der Spielemesse in Essen 2011 bei aller Freude für die Spieler ein ernsthaftes Problem für alle Verlage, die über den Handel ihre Käufer finden müssen. Es ist einfach nicht genug Nachfrage und Geld da, dass sich alle diese Neuheiten weiterhin „drehen“. Es bleiben erst einzelne Spiele und dann einzelne Verlage auf der Strecke. Die Gerüchte auf der Essener Spielemesse 2011 haben sich diesbezüglich bereits deutlich verdichtet.

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