Klar, Brett- und Kartenspiele verschaffen einen Zugang zu vielen Aufgaben und Erlebnissen, die sonst unmöglich wären. Oder wo sonst könnten wir wilde Autorennen fahren und gleich im nächsten Augenblick fremde Galaxien entdecken oder uns mit Drachen oder aber Piraten herumschlagen? Eben.
Andererseits verhalten wir uns dennoch in Spielen ähnlich wie im wirklichen Leben. Die Fröhlichen sind auch in Spielen fröhlich, die Wagemutigen mutiger als die Zurückhaltenderen und außerdem reagieren wir empört auf Unrecht, gleich wie auch andere Emotionen beim Spielen sich im Alltag wiederfinden und umgekehrt.
Worum geht es im Brettspiel Florenz?
Ein wahres Lehrstück für all das ist Florenz, das Nachfolgewerk von Pacific Rails Inc. von Dean Morris. Es entführt uns ins Florenz zur Zeit der Renaissance, als die Medici ihre Dynastie begründeten und mit Reichtum und Macht die ganze Stadt prägten. Sie stehen auch im Spiel im Zentrum aller Geschehnisse, selbst wenn sie für einmal durch niemanden von uns geführt werden.
Stattdessen verkörpern wir wichtige Clans, die um die Gunst der Medici buhlen und dabei eigene Familienangehörige einsetzen, um mit List und Tücke Gunst und Ansehen und letztlich auch Siegpunkte zu ergattern. Der grosse Spielplan zeigt dabei verschiedene Gebäude der Stadt und die dazwischen verlaufenden Straßen. Unsere Leute sollen sich strategisch geschickt aufstellen, um die Aufmerksamkeit von drei Medici auf sich zu lenken, von denen jede Runde jemand anderes in einer prächtigen Kutsche an den Bittstellern in den Warteschlangen vorbei zu einem vorgegebenen Zielort fährt.
Fünf Debütanten, drei Damen und ein Maestro in der Warteschlange
Uns stehen dazu insgesamt fünf Debütanten, drei Damen sowie ein Maestro zur Verfügung. Sie zeichnen sich durch ein ausgeprägtes Standesdenken aus, sodass höherrangige Figuren in den Warteschlangen rücksichtslos nach vorne drängeln, was dann entsprechende Emotionen in der Spielrunde auslösen kann. Einzig gleiche Figuren stellen sich hintereinander an, können dort aber durch stärkere bzw. höhere ersetzt werden, die dann ihrerseits wieder die Ellenbogen einsetzen.
Florenz: Medici beschenken kann sich lohnen
Sämtliche Spielzüge und Aktionsmöglichkeiten kosten mehr oder weniger viel Zeit im Spiel. Neben dem Gerangel und dem Weiterziehen der Spielfiguren können wir dabei auch einen der Medici beschenken, wenn er mit seiner Kutsche gerade vor Ort ist. Oder wir erhalten Punkte für besondere Errungenschaften (im Spiel prahlen genannt). Oder aber wir setzen eine Skandalkarte mit vielfältigen Auswirkungen für uns oder die anderen ein.
Ausschlaggebend für all das sind einerseits die Positionen unserer Leute in den jeweiligen Warteschlangen und die sich daraus ergebenen Machtverhältnisse vor Ort. Andererseits ist immer zu berücksichtigen, wo die drei Medici in ihren Kutschen turnusgemäß
auf einer allen bekannten Route über den Spielplan kurven werden. Denn nur entlang der Fahrstrecke und am Zielort kann es Begegnungen und Kontakte mit ihnen geben. Da gilt es, sich rechtzeitig hinzustellen. Allerdings wollen dies auch die Gegner, was zwangsläufig zu entsprechenden Rangeleien und Scharmützeln aller Art führen muss.
Positionierung und Rolle zählen bei Florenz
Der Rest des Spiels ist relativ rasch erzählt. An jeder Station ihrer Fahrten belohnen die Medici die dort Wartenden in individueller Weise. Cosimo vergibt seine Siegpunkte strikt anhand der Position der Bittsteller in der Warteschlange. Contessina macht dasselbe, würdigt jedoch nur Damen und Maestros und übergeht simple Debütanten. Giovanni dagegen belohnt ausschliesslich die jeweils mächtigste Familie vor Ort und nur dann, wenn sie noch genügend Zeit für ihn übrig und diese nicht für vorangehende Aktionen aufgebraucht hat.
Es gibt beim Brettspiel Florenz viel zu bedenken
Die Anforderungen an unsere Familien sind also vielfältig und der Mitteleinsatz muss gut geplant werden. Wo wird die ausgewählte Kutsche als nächstes durch- und hinfahren? Wie schaut es in der dortigen Warteschlange aus? Wen muss ich dahinschicken, um dort einen optimalen Platz einnehmen und möglichst viele Siegpunkte erhalten zu können? Kann ich dabei allenfalls auch ein Geschenk dem dort gerade präsenten Medici überreichen? Erfülle ich eventuell auch gleich die Voraussetzungen für die Prahltafel vor Ort? Oder hilft mir einer der Gunstbeweise weiter, die ein Dankeschön der Medici darstellen und sich ebenfalls unterscheiden, je nachdem, wen von ihnen ich zuvor beschenkt hatte?
Nichts für schwache Nerven
Florenz ist damit durchaus ein interessantes, aber leider nicht sehr leichtfüssiges Einsetz- und Optimierspiel. Die einzelnen Aktionen sind grundsätzlich rasch verstanden. Schwieriger ist ihr Einsatz zur richtigen Zeit am richtigen Ort, mit permanentem Blick auf die Konsequenzen, die sie haben werden. Zudem ist das ständige Gerangel nichts für Leute mit schwachen Nerven. Überall wird gedrängelt und blockiert und alle haben das Gefühl, stets das erste oder größte Opfer aller Machenschaften der anderen zu sein.
Belohnung oder Ungerechtigkeit sind die Pendelausschläge
Klar, wenn die Großen und Mächtigen daherkommen, ihre Macht und/oder Ellenbogen ausfahren und uns den Lohn unserer vorangehenden Bemühungen abspenstig machen, ist das nie eine positive Erfahrung. Unweigerlich fühlen wir uns ungerecht behandelt und es kommen wenig elegante Gedanken hoch. Ganz gleich wie allzu oft im wirklichen Leben.
Infos zu Florenz
- Titel: Florenz
- Verlag: Giant Roc
- Autor: Dean Morris
- Spieleranzahl (von bis): 1-5
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
- Dauer in Minuten: 20-100
- Jahrgang: 2023
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