Was von der Neuheitenflut kommt in den Einkaufskorb?
Zweite Spiel in Essen nach der digitalen Version in 2020, erste Spiel nach Verkauf der Messe an die Spielwarenmesse eG und erste Spielemesse in Zeiten von Inflation, Energiekrise und weltweiten Turbulenzen. Und doch soll alles wie gehabt laufen, wenn auch weiterhin Maskenpflicht gilt. Aber dafür wieder mit zahlreichen Verlagen, die 2021 gefehlt haben. Inwiefern die aktuelle Krisenstimmung dann auch die Messe und Verlage trifft, wird sich noch zeigen. Allerdings darf bezweifelt werden, dass die positive Entwicklung bei Verkaufszahlen von Gesellschaftsspielen weitergeht. Steigende Kosten und damit auch steigende Preise bei den Spielen sowie sinkende Reallöhne dürften auch die Kaufkraft der konsumaffinen Gesellschaftsspieler treffen. Dennoch dürfte auch die diesjährige Spiel in Essen willkommenen Eskapismus bieten.
Digital hat sich nach dem doch eher durchwachsenen Portal 2021 etwas bei der Spiel getan. Erstmals gibt es eine begleitende App, in der alle teilnehmenden Verlage, ihre Neuerscheinungen und ihre Lage auf der Messe enthalten sind. Auf der Messe sicherlich ein nützlicher Helfer, im Vorfeld sollte man aber besser auf die aktuelle Previewliste auf Boardgamegeek zurückgreifen.
Wer allerdings keine Lust hat, sich durch die 1000 Titel zu wühlen, für den gibt es im folgenden eine Kurzversion mit einigen interessanten, auffälligen oder aktuell diskutierten Titeln. Möge diese Liste inspirieren … oder auch abschrecken. Persönlich konnte ich bislang nichts ausmachen, was mich veranlassen würde, Donnerstagmorgen die Ellbogen auszufahren, um wie ein angriffslustiges Nashorn alles niedertrampelnd in die Hallen zu stürmen. Irgendwann setzt dann doch eine gewisse Ermüdung bei der Masse an Spielen ein. Und das ist auch gut so.
Die Gehypten
Sortiert man die Reviewliste auf BGG nach den „hotesten“ Spielen, stolpert man über einige der folgenden Kandidaten. Hierbei sollte man keinen instant buy wagen, weil der heiße Scheiß von heute, ist der dünne Pfiff von morgen. Haben wir alles in den letzten Jahren schon gehabt. Wobei mir tatsächlich der Hot-Flop vom letzten Jahr entfallen ist.
Immer wieder ganz oben auf der Liste ist auf jeden Fall Revive von Aporta Games. Hier gibt es mal wieder eine Apokalypse und – na klar – die Spieler dürfen anschließend die ganze Kiste wieder aufbauen. Buzzwords dabei: Deckbau, Tech-Trees, asymmetrische Playerboards, Kampagnenmodus und viel Bling-Bling. Zeigt sich dann aber auch beim Preis. Wer auf der Messe mit dem Ding in der Tasche durch die Gegend läuft, enttäuscht das lebensabschnittbegleitende Wesen an seiner Seite Ende des Jahres vermutlich mit mauen Weihnachtsgeschenken. Mit 80 € definitiv kein Ding für den Schnäppchenschlauch.
Ob das nächste Ding überhaupt in Essen erworben werden kann, ist noch nicht 100% klar. Aktuell wird die Kiste nämlich noch als „Demo“ gelistet. Wenn es denn doch da sein sollte, wird es aber mit um die 65 € geführt. Dabei dürfte Hamlet: The Village Building Game viele Spieler ansprechen, da es den Eindruck erweckt, als würde es die Siedler aus der digitalen in die analoge Welt holen. Zumindest der poppige Look der Schachtel macht Hoffnung. Vermutlich wird das Spiel selbst diese nicht halten können.
Ähnlich tief wird man auch für Lacrimosa in die Tasche greifen dürfen. Dafür bietet das Spiel immerhin ein eher ungewöhnliches Thema rund um Wolfgang Amadeus Mozart, bei dem wir als reiche Gönner zu dessen Werk sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod beitragen dürfen. Auch wenn Deck, Bag und Pool Building ansprechend klingen, kratz ich mich ratlos am Kopf. Die Community aber geht steil. Vermutlich weil das Ding bei Devir erscheint, die zuletzt sowohl mit Die rote Kathedrale als auch mit Bitoku mächtig punkten konnten.
Punkten können auch immer Suchy Spiele. Der Mann hat immerhin mit Underwater Cities, Praga Caput Regni und Messina 1347 in den letzten Jahren ordentlich abgeliefert. Und wird Woodcraft als der neue Suchy genannt, obwohl es eigentlich gar nicht von Suchy ist, sondern eher von jemand neuem, der Ross Arnold heißt, aber der Suchy als Co-Designer gewinnen konnte. Wie auch immer: Wir bauen und optimieren Werkstätten im Wald, um die besten Waren für unsere Kunden herzustellen. Und das ist natürlich wieder alles gehobenes Spielniveau, das man hinter dem harmlosen Artwork nicht erwarten würde. Wobei … es steht ja Suchy auf der Schachtel. Eigentlich auch egal … ich hänge beim Lebenswerk von Suchy eh noch ein paar Spiele hinterher. Und wie gesagt: eigentlich steckt in dem Spiel ja mehr Ross Arnold als Vladimir Suchy drin.
Einfacher macht man es uns bei Great Western Trail Argentina, denn das ist wieder von Alexander Pfister und der mit Spannung erwartete neue Teil der Great Western Trail Spieletriologie. Diesmal geht es nicht nur in die Pampa, sondern es gibt mit Bauern auch eine neue Form von Arbeitern und mit Getreide eine neue, dazu passende Ressource. Und Schiffe gibt es auch. Dazu geht es im Solomodus gegen Pedro. Braucht man das? Das weiß man noch nicht, aber … He! Pfister! Kühe! Schiffe! Und Pedro! Pedro!!!! Shut up and take my money.
Autor Peter B. Hoffgard hat nichts mit Kühen am Hut, besitzt aber immerhin einen Dackel. Außerdem steht er auf SciFi, Eurogames und Humor. Und all das bietet sein Erstlingswerk Starship Captains, welches bei Czech Games Edition erscheint. Hier dürfen wir uns als Kapitäne eines Raumschiffs beweisen und Abenteuer mit Weltraumpiraten, mürrischen alten Androiden und urururalten Artefakten erleben. Trekkies beamen sich schon heiß, bei mir herrscht noch vulkanische Skepsis.
Natürlich auch keine Messe ohne Rosenberg, auch wenn mich die Spiele des emsigen Spieldesigners schon seit Jahren nicht mehr abholen. Atiwa hat aber ein recht originelles Thema, denn wir bauen in der Nähe von Atiwa, einer Region im Südosten Ghanas, eine Gemeide auf, um Lebensräume für Flughunde zu schaffen. Die Flughunde wiederum dienen dazu, Obst von Obstbäumen zu fressen und die Samen durch ihre Ausscheidungen großflächig zu verteilen. Somit tragen die Tiere dazu bei, große Flächen wieder aufzuforsten. Spielbrett und Spielmaterial haben das typische Rosenbergflair (Agricola in Afrika), aber … das Thema macht es interessant. Rosenberg hat schon besch****e Spiele gemacht, aber dass er jetzt tatsächlich eins um Kacka macht, das hätte sich auch keine ausdenken können.
Alte Bekannte
Nicht immer müssen es komplett neue Spiele sein, sondern die gut gereiften Alten werden neu aufgelegt, mit anderem Thema veröffentlicht und finden auf irgendeine Art Fortsetzung. So gibt es mit Skymines bspw. einen neuen, alten Pfister (Great Western Trail, Port Royal), nämlich Mombasa reloaded mit unverfänglichem, aber langweiligem Thema und hässlichem Spielbrett.
Über die Optik von Clever4ever wollen wir da gar nicht reden. Aber mit Ganz schön clever, Doppelt so clever, gähn und Clever hoch drei hat Wolfgang Warsch noch nicht das letzte Quäntchen Glück aus den Würfeln geholt. Wenn das letzte Haar von meinem Haupt gefallen ist, wird Wolfgang Warsch vermutlich immer noch Clever-Spiele designen.
Irgendwie altbekannt ist dann auch Terra Nova, nämlich Terra Mystica auf Familienspielniveau. Deswegen kommt es auch nicht bei Feuerland, sondern bei Kosmos. Und der Autor ist auch ein anderer. Von der Optik sieht es auch wie eine Reiseversion von Terry Mystica aus. Und vermutlich kann man das Ding auch in einem Zug voll betrunkener Energie-Cottbus-Fans spielen. Ich glaube, ich brauch Beides nicht.
Savannah Park hat mich auf der letzten Spiel positiv überrascht, aber optisch nicht angesprochen. Caldera Park scheint vom Prinzip her das gleiche Spiel, außer dass wir uns nun in Nordamerika befinden und andere Tiere ansiedeln. Außerdem gibt es keine Buschbrände, sondern Wettertoken. Weiterhin scheint das Spiel etwas komplexer als Savannah Park. Die Optik ist auch diesmal wieder eher „mäh“, aber … wer abstrakte Spiele mag, sollte dem hier eine Chance geben.
Und auch bei Carcassonne geht es weiter. Mit Nebel über Carcassonne gibt es dieses Jahr eine kooperative Variante des Klassikers von Klaus-Jürgen Wrede. Anstatt in der idylischen Atmosphäre des Grundspiels zu schwelgen geht es diesmal gemeinsam gegen Gespenster, die sich nicht in Carcassonne ausbreiten dürfen. Der Schwierigkeitsgrad wird dabei nach und nach gesteigert, so dass Nebel über Carcassonne die geneigten Spieler auch länger beschäftigen dürfte.
Und auch mit den Piraten von Skull King gibt es ein Wiedersehen. Während das Kartenspiel weiterhin gut erhältlich ist, hat es Skull King: Das Würfelspiel aus den Regalen gefegt. Wer die Würfelorgie unbedingt haben will, wird auf der Spiel beim koreanischen Verlag Playte fündig. Allerdings hat das Game hier ein neues Thema bekommen und heißt nun Mino Dice. Koreanisch muss man dafür nicht beherrschen, denn die deutschen Spielregeln gibt es dazu bei Boardgamegeek. Und wenn man schon mal am Stand von Playte ist, kann man sich die koreanischen Versionen diverser Spiele anschauen, die ursprünglich (?) bei deutschen Verlagen erschien sind, u. a. auch Skull King selbst im feschen neuen Design.
Neu und doch nicht neu ist auch Cat in the Box. Hierbei handelt es sich um ein Stichspiel, bei dem alle Karten schwarz sind und man sich erst beim Ausspielen einer Karte für eine Farbe entscheidet. Welche Farbe die Karte hat, wird auf einem Board eingetragen, wo jede farbige Zahl nur einmal eingetragen werden kann. So wird neben dem klassischen Stichspiel mit Vorhersagen auch noch ein wenig Area Control hinzugefügt. Auf der Spiel 2022 gibt es hierzu bei Bézier Games die Deluxe Version. Alle, die noch nicht genug Stichspiele ihr eigen nennen, Stichspiele mögen und auch das Katzenthema noch nicht über haben, … anchecken.
(Social) Deduction
Für Fans von Die Crew könnte das Kartenspiel Inside Job aus dem Haus Kosmos der „nächste Shit“ sein. Da es sowohl unter Social Deduction als auch Stichspiele fällt, wird es auch als „fast kooperatives Stichspiel“ angekündigt. Im Gegensatz zu The Crew versucht hierbei einer der Spieler, das Erfüllen der Missionen zu torpedieren. Leider gibt es bislang wenig Informationen hierzu.
Anders läuft es bei Turing Machine, einem Deduktionsspiel, bei dem man versucht vor seinen Mitspielern den Geheimcode über die Befragung eines analogen Computers, der Turing Machine, zu erraten. Wie das ganze im Detail funktioniert, erschließt sich vermutlich erst beim Spielen. Auf mich wirkt es wie eine Mischung aus Decrypto, Mastermind und Einstellungstests direkt aus der Hölle.
Wer immer noch nicht genug Wortspiele im Schrank hat, der kann sich auch noch Wirre Worte dazu packen. Hier spielen bis zu 10 Spieler gegen das Spiel, wobei immer ein Spieler als Tippgeber agiert und die Anderen aus einer Reihe von Adjektiven und Substantiven anhand eines Tipps die richtige Kombination raten müssen. Versagt man hier zu oft, gewinnt das Spiel. Kein wirkliches Must-have, aber halt auch wieder so ein Ding, das man auch mit Nicht- oder Gelegenheitsspielern zocken kann.
Für Cineasten und Hitchcock-Freunde könnte Rear Window ein Must-Have sein. Hier wird hübsch verpackt der Film „Das Fenster zum Hof“ als eine Mischung aus Mysterium und Mastermind präsentiert. Spiele im Fahrwasser von Mysterium gibt es zwar inzwischen einige, aber die liebevolle Umsetzung des Filmthemas übt dennoch einen unwiderstehlichen Reiz aus. Da es das Ding bislang nur im englischen Original gibt, sollte man bei Interesse am Stand von Funko Games vorbeischauen. Ansonsten muss man später auf einen teuren Import zurückgreifen.
Irgendwas ‘n‘ Write
Man sollte meinen, dass man inzwischen zu jedem Thema irgendwas gekritzelt hat, egal, ob man dabei Karten rumdreht, Würfel schmeißt oder mit vollem Anlauf gegen die Wand läuft. Aber scheinbar ist das Interesse an diesem Genre ungebrochen … zumindest von Seiten der Spieldesigner und Verlagen.
Und auch wenn ich wirklich kein großer Fan des Genres bin, so gibt es doch einige Neuerscheinungen, die ganz interessant klingen. Write the future von All Or None Games ist so ein Kandidat, denn hier dürfen wir in einem Cyberpunksetting unser eigenes kriminelles Imperium aufbauen. Allerdings ist das Farbsetting zumindest für meine geschmacksempfindlichen Aufgen schon ein Verbrechen für sich.
Bei Zwergendorf sieht die Grafik wiederum so rotzig aus, dass man das Gefühl hat, die untalentierten Spieler haben schon los gekritzelt. Andererseits fängt einen das Spiel auch mit seiner „Niedlichkeit“ ein: Zwergendörfer bauen mit Kneipe & Co. Wenn man nicht gerade ein Herz aus Stein hat, kommt man ja kaum dran vorbei, einen Blick zu riskieren. Und Autorin Rita Modl ist anscheinend eh Everybody‘s Darling. Muss man dann wohl auch ihre Spiele mögen. Ach ja, erscheint bei Skellig Games.
Wem das alles zu mau ist, der sollte auf den Hypetrain aufspringen und sich Twilight Inscription merken. Ist nämlich das Roll‘n‘Write zu Twilight Imperium. Dauert etwas länger, aber dann doch nur maximal 2 Stunden. Und soll sich dennoch anfühlen wie Twilight Imperium. Und bisher mault keiner rum. Soll ganz doll sein. Hätte doch auch keiner gedacht, oder?
Und weiter, immer weiter geht es auch mit Erweiterungen
Die rote Kathedrale war einer der Hypespiele der letzten Messe – aber die erste Erweiterung wird es anscheinend nicht bei Kosmos geben, sondern nur im englischen Original bei Devir erscheinen. Zackig auch, dass die Erweiterung den gleichen Kurs hat wie das Grundspiel. Erfreulich, dass es ersten Meinungen zufolge auch einiges für das Grundspiel tut. Sexy, wenn es beide Spiele in einem attraktiven Bundle geben würde, denn … Psssst … Ich habe das Spielchen immer noch nicht gespielt.
Wer nach zwei Städten noch nicht genug von Voll verplant hat, kann sich jetzt noch den Japanblock zulegen. Hab das Grundspiel meiner Mutter geschenkt. Die Begeisterung über das Spiel war so groß, dass sie mich bei der Erweiterung 120 % enterbt.
Bei Arche Nova wünschen sich alle mehr Tiere, mehr Zoopläne, mehr Gehege, mehr von allem, aber … es wird nur zwei ömmelige Zoopläne geben und auf die Aquarius-Erweiterung muss man wohl noch ein Jahr warten. Wer weiß, was die Welt sich bis dahin wieder Gemeines überlegt.
Ähnlich hoch waren die Erwartungen an eine weitere Expansion für Die verlorenen Ruinen von Arnak, da diese in der offiziellen Spiel22-App bei den Neuheiten geführt wird. Designerduo Min und Elwen haben der Vorfreude aber schon den Zahn gezogen. Zwar werden die Designer auf der Messe einen Ausblick geben, was man zukünftig noch von Arnak erwarten kann, aber die zweite Erweiterung wird definitiv nicht bis Essen fertiggestellt werden.
Die zwei nächsten Erweiterungen sollen nur beiläufig erwähnt werden, denn bei Flügelschlag bin ich immer noch auf Grundspielniveau und Witchstone wollte ich letztes Jahr in Essen antesten, aber da haben ja wieder die Leute an ihren Stühlen geklebt und das Ding bis zum letzten Siegpunkt durchgezockt. Daher nur ganz kurz: Flügelschlag erhält mit Asien den nächsten Kontinent und für Witchstone gibt es mit Full Moon die erste kleine Erweiterung. Vielleicht kann ich bzgl. Witchstone meine Bildungslücke ja dieses Jahr schließen.
Und sonst so
Friedemann Friese haut zur Spiel zwei Spiele raus, wovon zumindest Fasanerie ein lustiges Cover hat. Dort ist ein Fasan zu sehen, der einem in die Tiefen der Seele schaut und die dunkelsten Geheimnisse entlockt. Ungelogen. Die Magie überträgt sich vermutlich nicht auf das Spiel, auch wenn die bunten Fasanenkarten fast schon Flügelschlag-Erinnerungen aufkamen lassen. Wie auch immer, Fasanerie scheint eher ein einfaches Kartenspiel sein, bei dem man frei nach Aschenputtel die guten Fasane in Töpfchen und die schlechten … liegenlässt. Ich weiß nicht, ich weiß nicht … 2F-Spiele halten sich nicht gut in meiner Sammlung. Vielleicht habe ich auch nur die falschen Spiele gewählt.
Als Freund von Bluff und guten Familienspielen bin ich gespannt auf KuZooKa aus dem Hause Pegasus. Hier spielen die Spieler Tiere, die gemeinsam aus einem nicht-artgerechten Zoo zu entkommen versuchen. Dabei bedient man sich im Gegensatz zu Bluff Karten und nicht Würfeln. Außerdem ist dies eine kooperative Version mit Sprechverbot, bei der man versucht Hinweise zu geben, wie viele Karten einer bestimmten Farbe man hat, um genau wie bei Bluff, nicht zu überbieten.
Ein appunterstütztes, asymmetrisches Eurogame mit interessantem Thema? Das hat Czech Games Edition dieses Jahr im Gepäck und trägt den Titel Deal with the devil. Hier schlüpfen die Spieler in unterschiedliche, geheime Rollen, um ihr Ziel, die spektakulärste mittelalterliche Stadt zu errichten, zu erreichen. Die Rollen reichen vom einfachen Sterblichen bis hin zum Teufel, der versucht, an die Seelen der anderen Spieler zu kommen. Gehandelt wird dabei geheim und hier kommt dann anscheinend die App ins Spiel, die zwischen den Spielern vermittelt, ohne dass diese ihre Rolle offenbaren müssen. Klingt cool, aber das Artwork weckt in mir Mea-Culpa-Erinnerungen. Und das Ding war ein Unwohlspiel. Und dann ist es ausschließlich für 4 Spieler und langt mit 70 € Messepreis stark ins Budget. Und nur für exakt 4 Spieler. Nicht mehr, nicht weniger. Puuh.
Die große Hans im Glück Neuheit heißt dieses Jahr Planet B. und ist ein zynischer Blick in eine Zukunft, in welcher die Menschheit ihr Glück auf einem neuen Planeten versucht. Die Spieler agieren in diesem Setting als korrupte Governeurinnen, die ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen. Das Ganze kommt als Kennerspiel ab 14 Jahren für 2-4 Spieler mit einer Spielzeit von 60-180 Minuten daher. Und sieht verdammt trashig aus.
Extrovertierte Spieler könnten bei Spaceship Unity auf ihre Kosten kommen. Die Neuheit von Pegasus holt Raumschiffflair ins heimische Wohnzimmer, wenn man versucht, ko(s)mische Situationen mit Alltagsgegenständen nachzustellen. Da wird der Staubsauger zum Hyperantrieb, Muttis diskrete letzte EIS-Bestellung zur Photonenkanone und des kleinen Bruders Zahnspange zum körperlosen Allesfresser. Kann klappen, kann aber auch gewaltig in die Hose gehen, wenn alle talentfrei die Texte vom Blatt abstammeln und die Regeln totdiskutieren wollen. Eventuell kann man es ja mit geübten Darstellern auf der Spiel ausprobieren.
Nach dem Erfolg von MicroMacro hätte man erwarten können, dass Wimmelbildspiele wie Escape- und Exit-Spiele aus den Regalen schießen. Aber bisher ist es noch ruhig in der Lilalaune-Spielewelt. Doch mit Die Schriftrolle der Geheimnisse – Schatten über Lysharia streckt der Frechverlag vorsichtig seine Fühler aus. Das Spiel besteht aus einer Karte in Form einer Schriftrolle, einer Lupe, einem Rätsel- und einem Lösungsbuch sowie Heldenbücher und weiteren Kleinmaterialien. Zumindest optisch vereint das Spiel dabei MicroMacro und Exit-Spiele in einem Fantasysetting. Alleskäufer der genannten Reihen sollten hier einmal einen Blick riskieren.
Dass das Genre der Partyspiele langsam ausgelutscht ist, zeigt Fun Facts aus dem Haus Repos Production. Ausgelutscht heißt aber nicht, dass Fun Facts ein schlechtes Spiel sein muss. Es zeigt nur, dass man irgendwie das Gefühl hat, dies schon einmal in leichter Abwandlung gespielt oder zumindest gehört zu haben. Denn bei dem kooperativen Spiel wird eine Frage gestellt, die auf Interessen, Gewohnheiten … Befindlichkeiten der Spieler zielt. Die Spieler tragen dazu ihre quantitativen Antworten jeweils verdeckt auf eine Seite eines bunten Pfeils und auf die andere Seite ihren Namen. Die Pfeile werden anschließend hintereinander in die Mitte gelegt und jeder Spieler hat die Chance, seinen Pfeil zu verschieben, um die Antworten in die richtige Reihenfolge zu bringen. Punkte gibt es anschließend für richtige Positionen. Und für das gesamte Team. Ja, klingt nach einer Mischung aus Anno Domino und Top Ten.
Man ist ja immer froh über Spiele mit originellen Thema. Und so bin ich etwas „fickrig“ wegen Happy Dim Dum, einem einfachen Kartenspiel, bei dem wir unsre Mitspieler mit Dim Sum, chinesischen Spezialiäten, mästen. Gewonnen hat man, wenn die Mitspieler keinen Bissen mehr runterbekommen. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus Set Collection und Take that-Mechanismus. Also nichts, was den Hahn von der Henne holt, aber Kartendesign und Idee machen Bock auf das Ärgerspiel. Die Fressorgie gibt es am Stand von Capital Gains Studio. Natürlich in Halle 5.
Ebenfalls in Halle 5 könnte es eine kleine Perle für den gebeutelten Geldbeutel geben, wenn man denn sich für SciFi und 4x erwärmen kann. Age of Galaxy war vor kurzem noch auf Kickstarter, jetzt im retail bei ICE Makes und wird für erschwingliche 25 € angeboten. Typisch für ein SciFi-Civ-Game können wir bei Age of Galaxy u. a. Systeme erforschen, Planeten kolonisieren, Technologien entwickeln und galaktische Kreuzer bauen, aber womit das Spiel punktet, ist neben dem Preis sein handliches Format und seine schicke Spieldauer von ca. 1 Stunde. Wenn einen das irgendwie anmacht, kann man mal dran schnuppern.
Das letzte Spiel auf der Liste ist vermutlich alles andere als eine Perle, soll aber aufgrund seines „ungewöhnlichen“ Themas doch noch kurz Erwähnung finden. Bei ReRoll Works können 3-6 Spieler bei Gay Sauna: The Board Game wilde Flirts und andere Abenteuer ab 18 Jahren in einer Schwulensauna erleben. Der neue gegründete Verlag will auch zukünftig Spiele für die LGBTQ+-Community und ihre Unterstützer rausbringen. Tiefer eintauchen in das Thema kann man in Halle Sex … äh Sechs.
Fazit: Kauft, was ihr wollt, es gibt genug Auswahl für jeden Geschmack
Das Ding, wo dieses Jahr gefühlt alle heiß drauf sind und das in aller Munde und auf allen Listen steht, scheint es 2022 bislang nicht zu geben. In den Foren und Kommentarspalten ist die Zurückhaltung aufgrund der eingangs erwähnten Umstände in diesem Jahr zu spüren.
Gleichzeitig scheint erstmals nach einem sich von Jahr zu Jahr steigenden Kaufrausch eine Sättigung einzutreten. Viele Themen und auch Mechanismen sind gefühlt durch und dieser Mangel kann auch durch steigende Materialqualität nicht kaschiert werden.
Schlimm?! Eigentlich nicht. Denn ganz ehrlich: Die Spiel in Essen hat doch mehr zu bieten als die anschließenden Tütenschau („wer hat die meisten Monatsgehälter auf den Kopf gehauen“). Definitiv immer ihre eigenen Geschichten. Und mal gucken, was sie sich dieses Jahr für eine ausdenkt.
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