Gestichelte Beteiligungswürfelei im Land unter
Reinhard, du bist seit einiger Zeit Redakteur bei NSV – Nürnberger Spielkartenverlag. Mit welchen Zielen bist du in diese Aufgabe gestartet und was hat sich im Programm von NSV bisher schon getan?
„Mein Ziel lautet immer, egal ob nun als Redakteur oder Autor, inhaltlich Hochwertiges zu schaffen. Nur so geht es. Nur Qualität kann sich durchsetzen. Mittelmäßiges hat keine Chance, ist ruckzuck wieder weg vom Markt. Das gilt ganz besonders für die Spielmechanik, hiermit steht und fällt alles, betrifft dann jedoch auch die Optik. Alles muss top sein, nur dann kann man, um mal einen Vergleich mit dem Profifußball herzunehmen (hier gibt es nämlich sehr viele Parallelen!) in der ersten Bundesliga bestehen. Der Weg in die Champions League ist ein weiter, aber vielleicht schaffen wir ja zunächst mal den Sprung in den Europapokal. 🙂
Es stellt sich natürlich die Frage, wie man an tolle Spiele bzw. erstmal an vielversprechende Ideen herankommt? Die herausragenden Spielideen sind überaus rar gesät. Selbst für die führenden Kartenspielverlage ist es enorm schwer, Jahr für Jahr etwas Tolles zu veröffentlichen. Wirklich überragende Kartenspiele gibt es nur alle Jubeljahre. Und an der Stelle darf man sich keinen Illusionen hingeben: Die Autoren klappern, verständlicherweise, zunächst die Redaktionen der Branchenriesen ab: Amigo, Ravensburger, Kosmos, Schmidt Spiele usw. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein großartiges Spiel von allen Etablierten übersehen wird und dann irgendwann bei uns landet, ist gering. Aber es passiert mitunter – siehe Qwixx. So bleibt für mich als verantwortlichen Redakteur vor allem die Möglichkeit, dass mir Autoren, die ich aus meinen 15 Jahren Redaktionsarbeit bei den Berliner Spielkarten und bei Amigo kenne, hin und wieder mal etwas zeigen, das irgendwie was Besonderes hat, aber womöglich noch nicht fertig ist. Etwas, dem das Entscheidende noch fehlt, das noch verbessert und dann auf den Punkt gebracht werden muss. So ist und war meine Redaktionstätigkeit zuvörderst immer ein inhaltliches Optimieren, ein kreatives Dazutun, und erst in zweiter Linie ein Umsetzen und Fertigmachen.
Resümee nach fast einem Jahr: super! Die ersten drei Titel, die zu Essen erschienen sind, sind klasse. Zwei weitere schöne Kartenspiele folgen zu Nürnberg. Und an zwei vielversprechende Prototypen für die Zukunft feile ich gerade. Vor allem aber: Spaß macht’s! Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung der NSV ist ausgezeichnet, man lässt mir völlig freie Hand. Mehr kann man sich kaum wünschen.“
Zur Spiel in Essen gab es Neuauflagen von Land unter und Sticheln. Warum hast du für NSV diese Spiele ausgewählt?
„Beide Spiele sind großartig, gehören zu meinen persönlichen Lieblingen. Sticheln ist geradezu genial: so einfach, so ungewöhnlich, so schön fies. Eine dermaßen überragende Qualität ins Boot zu bekommen, ist eine geradezu einmalige Chance, die man sich nicht entgehen lassen darf. Besser geht nicht. Es ist wie ein Ausrufezeichen zu Beginn: Genau hier wollen wir hin! Diese Qualität soll es sein!
Es ist verdammt schwer, ein Spiel dauerhaft erfolgreich am Markt zu platzieren, und dass solch fantastische Kartenspiele wie Land unter und Sticheln es nicht geschafft haben bei einem so tollen Verlag wie Amigo Spiele zu überleben, ist überaus betrüblich. Irgendwie mag ich mich damit auch nicht abfinden. Es muss möglich sein.
Witzig ist ja, dass ich damals Land unter bei den Berliner Spielkarten veröffentlicht habe, und es dann, als ich zu Amigo Spiele gewechselt bin, habe mitnehmen können. Nun bin ich von Amigo Spiele zu den Nürnbergern gewechselt, und wieder habe ich das große Glück, dieses Spiel mitnehmen zu können. Das muss ein gutes Omen sein.
Es würde mich übrigens sehr freuen, wenn die neue Sticheln-Version Anklang findet. Wir haben uns gemeinsam mit dem dem Illustrator, Oliver Freudenreich, große Mühe gegeben, ein ansprechendes und passendes Design zu finden: einfach, übersichtlich, mit kleinen fiesen Sticheleien versehen. Der Autor des Spiels, Klaus Palesch, ist einer der nettesten Typen, die ich in 20 Jahren Spielemachen kennen gelernt habe, und es würde mich für ihn freuen, wenn sein Meisterstück noch viele Leute erreichen kann.“
Eine weitere Neuheit ist das Würfelspiel Qwixx. Wie passt dieses Spiel in das Programm eines Kartenspielverlages?
„Etwas Gutes passt immer! 🙂 Wobei wir zwar eine neue Kartenspielreihe etablieren wollen und die Nürnberger primär Kartenproduzent sind, aber die Produktionskompetenz hier natürlich nicht Halt macht. Die Nürnberger produzieren ja häufig im Auftrag Dritter, auch für Industriekunden, und hier gibt es kaum Einschränkungen. Alles ist machbar.
Dass Haba Kartenspiele macht, erstaunt womöglich auch ob des eigentlichen Programms und der eigenen Erwartungshaltung. Aber wenn es gut ist: Klar, das macht Sinn. Passt ein super einfaches Würfel-Zockerspiel zu alea? Auf jeden Fall. Auf die Qualität kommt es an.“
Um was geht es bei Qwixx von Steffen Benndorf? Was ist Aufgabe der Spieler?
„Die Aufgabe besteht schlicht und einfach darin, möglichst viele Zahlen in den vier eigenen Farbreihen anzukreuzen. Je mehr Kreuze, desto mehr Punkte. Angekreuzt werden darf grundsätzlich nur von links nach rechts, und ausgelassene Zahlen dürfen nachträglich nicht mehr angekreuzt werden.
Der aktive Spieler würfelt mit sechs Würfeln, zwei weißen und vier farbigen. Die Summe der beiden weißen Würfel gilt für ALLE Spieler, jeder kann damit etwas ankreuzen. Die Summe aus einem weißen und einem beliebigen farbigen Würfel gilt nur für den aktiven Spieler.“
Welche Mechanismen machen das Würfelspiel Qwixx deiner Meinung nach zu etwas Besonderem?
„Dass einer würfelt, aber alle am Ergebnis der beiden weißen Würfel beteiligt sind, verleiht dem Spiel seine besondere Würze. Es gibt dadurch keine Wartezeiten, alle sind stets involviert.
Als ich die Spielregel zum ersten Mal las, im Februar, wusste ich sofort: Das hat was! Es war kaum zu glauben, dass bisher kein Verlag zugegriffen hatte, wo doch Würfelspiele DER Trend des Jahres 2012 und somit gesucht waren. Zwar war das Spiel (Arbeitstitel „Würfel-Lotto“) bei zwei großen Verlagen in der engeren Auswahl, wurde dann aber doch abgelehnt. Wahrscheinlich lag’s daran, dass es noch nicht fertig war, dass die Tests nur das zeigten, was vorlag, nicht aber das, was daraus werden konnte. Das ist genau das, was ich eingangs ansprach, die Chance für Verlage, die noch nicht an der Spitze der Bundesliga stehen. Sozusagen mit talentierten Spielern zu arbeiten, die noch geformt werden müssen und Potential besitzen.“
Welche Zielgruppe sprecht ihr als Verlag mit Qwixx an? Ist das Spiel etwas für Freaks oder eher etwas für die ganze Familie?
„Es ist ganz klar ein Spiel für die breite Masse. Aber, und das sind die erfreulichen Überraschungen, die man beim Testen erleben kann: Es gefällt auch vielen anspruchsvolleren Spielern. In meinen Vielspielerrunden kam es immer wieder gut an, wurde gerne erneut gespielt. Und man denkt dann so: Hoppla! Es erinnert mich ein wenig an Würfel-Bingo von Heiz Wüppen. Großartig! Eigentlich viel zu einfach für Vielspieler, mit ganz einfachen Zutaten, aber es macht eben großen Spaß.“
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