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Escape Tales: Low Memory

Escape Tales: Low Memory - Ausschnitt - Foto von Kosmos

Die Exit-Reihe von Kosmos gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Escape-Spielen. Allerdings ist der Story-Anteil gering. Anders bei Escape Tales, der zweiten Escape-Spiel-Reihe aus dem Hause Kosmos, erdacht von Jakub Caban und Bartosz Idzikowski. Hier ist der Name Programm und die Tales, also die Geschichten, stehen im Fokus. Nach dem ersten Teil The Awakening geht es im zweiten Teil um Gedächtnisverlust: Low Memory. Auch wir sind in das Geschichtenuniversum zu Low Memory eingetaucht: Wir schlüpfen in die Rolle von Elizabeth, die zwar merkt, dass etwas nicht stimmt, sich aber nicht erinnern kann … Ob wir das Spiel und seine Erzählung in guter Erinnerung behalten?

Ehrensache: Dieser Artikel enthält keine Spoiler, die das Rätselvergnügen trüben

Von Raum zu Raum: Kurzer Spielüberblick zu Escape Tales: Low Memory

Low Memory besteht aus drei Kapiteln (plus Tutorial), die aber auch auf mehr als drei Partien aufgeteilt werden können. Durch die verschiedenen Erzählbausteine führt ein Storyheft, auf einem kleinen Spielbrett liegen die aktuellen Raumkarten. Letztere können wir über eingezeichnete Quadranten abschnittsweise erkunden und entdecken so neue Storyteile und Rätsel, die ebenfalls über Karten ins Spiel kommen. Escape-Spiel-üblich sind die Rätsellösungen Codes. Notwendig ist dabei eine App bzw. Homepage-Nutzung, wir brauchen also zumindest beim ersten Spielen Internetzugang. Hier geben wir die (vermeintliche) Lösung ein, finden Hinweise und können auch einsehen, wie viele Karten wir für ein Rätsel brauchen. Bei richtiger Lösung werden wir zum nächsten Storypart – und irgendwann auch zum nächsten Raum oder gar Stockwerk – geleitet. Immer wieder stellt uns das Spiel vor Entscheidungen, die den weiteren Handlungsverlauf und die Rätselauswahl beeinflussen. Das vielleicht Ungewöhnlichste an den Escape Tales ist, dass wir nicht verlieren können. Nein, wirklich nicht! Es gibt auch keine Wertungstabelle oder ähnliches. Der Fokus liegt ganz auf dem Narrativen. Und genau darüber können wir doch wieder in gewisser Weise verlieren oder gewinnen. Denn die Entscheidungen während des Spiels beeinflussen auch, wie die Geschichte ausgeht.

Bitte genau hinsehen: Spielmechanik und Rätsel bei Low Memory

Elizabeth freut sich schon auf den Urlaub mit ihrer Familie, die bereits vorausgefahren ist, weil sie selbst noch arbeiten musste. Doch als sie morgens aufwacht, ist die Wohnung verwüstet – und das obwohl ihr Mann Ben, ein Sicherheitsspezialist, das Haus immer gut sichert. Bald merkt Elizabeth, dass sie Gedächtnislücken hat. Was ist nur passiert?

Das gilt es nun herauszufinden. Das Setting ist in der Zukunft angesiedelt, was entsprechend entwickelte Technologie beinhaltet: Wir haben zum Teil Zugriff auf Erinnerungsaufzeichnungen. So können wir beim Ermitteln den Ablauf der Ereignisse durchgehen, allerdings ohne alles zu wissen oder zu verstehen. Über die Gegenstände im Haus entdecken wir neue Aspekte und kommen allmählich von Zimmer zu Zimmer (und zu den Rätseln). Der Knackpunkt ist dabei tatsächlich das genaue Hinsehen. Denn bereits in den großen, schön illustrierten Raumkarten finden sich erste Hinweise. Wenn wir uns daran orientieren, fällt es leichter, die relevanten Stellen zu finden. Die Rätsel selbst sind in Anspruch und Art abwechslungsreich und haben uns viel Spaß gemacht. Auch hier gilt es oft, aufmerksam hinzusehen. Bei Low Memory bietet es sich an, die Rätsel gemeinsam und weniger parallel zu lösen, was in kleinerer Spielerzahl auch sehr gut funktioniert (Kosmos gibt die maximale Spielerzahl mit vier an, mehr sollten es auch tatsächlich nicht sein). Oft haben wir die Lösung gerade erst durch gemeinsames Diskutieren und Brainstormen gefunden. Manchmal müssen wir aber ein Rätsel zur Seite legen und uns erst mal einem anderen widmen. Wie oben erwähnt sagt uns die App, wie viele Karten wir für ein bestimmtes Rätsel brauchen. Haben wir nur zwei von dreien, geht es an dieser Stelle erst mal nicht weiter. In unseren Runden kam es vor, dass wir trotz allen Suchens eine bestimmte Rätselkarte einfach nicht gefunden haben, bis uns die Zeit ausging – wobei „Zeit“ hier nicht ganz der richtige Begriff ist. Denn Low Memory kommt gänzlich ohne Zeitdruck aus. Etwas, das wir als sehr angenehm empfunden haben. Die Betonung liegt dabei aber auf „Zeit“, denn Druck und Begrenzung sind durchaus vorhanden. Erkunden können wir die Räume über Aktionsscheiben, und deren Anzahl ist begrenzt. Gehen sie aus (was uns gerade, aber nicht nur bei noch fehlenden Rätselkarten hin und wieder passiert ist), können wir über sogenannte Stresskarten neue bekommen. Der Name verrät schon halb, was sich dahinter verbirgt: „Stress“ für den weiteren Spielverlauf und die Protagonisten. Auch die Stresskarten beeinflussen – ähnlich und doch anders als unsere Entscheidungen – den Spielausgang, in diesem Fall natürlich negativ. Dadurch entsteht ein gewisses Spannungsfeld zwischen unserer Neugier, der Frage der Notwendigkeit bestimmter Informationen und dem Vermeidungswunsch bzw. dem Wunsch, möglichst wenige Aktionsscheiben zu verbrauchen. Lohnt es sich nun, diese Zimmerecke noch zu erkunden und dafür mehr Aktionsscheiben auszugeben? Haben wir noch genug Spielraum dafür, kurz nachzusehen, was das da hinten für ein komisches Ding ist? Wahrscheinlich hilft uns das im Moment nicht weiter, aber wir wüssten das so gerne … Und was steht wohl auf der nächsten Stresskarte? Wollen wir das überhaupt wissen? An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass wir zwar länger als notwendig in einem bestimmten Abschnitt bleiben können, aber nicht schon weitergehen können, solange wir bestimmte spiel- und storyentscheidende Faktoren noch nicht erkundet und damit noch nicht narrativ „erlebt“ haben.

Storytelling im Fokus der Escape Tales

Auch die Story selbst baut eine gewisse Spannung auf. Die Altersempfehlung liegt mit ab 18 Jahren recht hoch, was aber nicht dem Rätselniveau, sondern dem Thema und auch den impliziten moralischen Fragestellungen geschuldet ist. Für jüngere Mitspieler ist Low Memory eher nicht geeignet. Die Storytexte stehen (anders als die Rätsel, die sich auf Karten finden) gesammelt in einem Storyheft, wo sie durch die Codenennung am Seitenrand gut und vor allem spoilerfrei auffindbar sind. Mitunter sind sie recht lang, was aber nicht stört, da wir sie einfach am Stück durchlesen können – das Heft ist hier eine deutlich bessere Lösung als die in einigen anderen Escape-Spielen übliche Kartenmethode (etwa in Die Psychiatrie des Schreckens von Huch!, wo die Texte je Storyabschnitt auf mehrere Karten verteilt sind). Das lästige Kartensuchen entfällt so zumindest beim Storyteil. Der Text selbst ist ansprechend geschrieben. Durch die Du-Anrede fühlen wir uns gleich mitten ins Geschehen versetzt. Allerdings sollte das dann bitte auch durchgehend beibehalten werden. Zwischendurch schwenkt der Text plötzlich zur Ich-Form. Das irritiert und stört die Sogwirkung der Geschichte merklich. Gut umgesetzt ist dagegen die Figurenperspektive, die pro Story jeweils die eines anderen Protagonisten ist. Elizabeth folgen wir im Tutorial und in der ersten Story, in den folgenden wechselt das. Irritierende Perspektivsprünge gibt es nicht, man spürt sogar ein wenig die jeweilige „Stimme“ bzw. die Eigenheiten der aktuellen Figur. Die drei Teile (und auch das Tutorial) sind jeweils gut in sich abgeschlossen und bilden dennoch zusammen ein großes Ganzes. Das Gesamtende hat uns aber enttäuscht, was vor allem daran liegt, dass man das Zusammenlaufen der Fäden nur bedingt nachvollziehen kann. Unsere Entscheidungen und der bisherige Verlauf ergeben ein bestimmtes Endergebnis, ohne dass man so richtig versteht, warum, wieso und weshalb – auf Storyebene hätte das Ende transparenter sein und die Handlung noch nachvollziehbarer aufgelöst werden können.

Gut gefallen hat uns die Möglichkeit, das Spiel auch innerhalb eines Kapitels zu „speichern“ und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Dazu füllen wir eine Tabelle aus, in der wir den Spielstand eintragen: Also wo im Storyheft wir waren, welche Karten wir bereits gesammelt haben, wie viele Aktionsscheiben uns aktuell noch bleiben usw. Etwas umständlich, aber dafür ist der Start bei der nächsten Partie umso übersichtlicher und einfacher.

Fazit: Lohnt sich Escape Tales: Low Memory?

Escape Tales: Low Memory - Schachtel - Foto von Kosmos

Gerade in Zeiten von Lockdown und Kontaktbeschränkungen bieten die Escape Tales Abwechslung und eine schöne Alternative zu Live-Escape-Rooms oder dem klassischen Brettspielabend. Der starke Fokus auf das Narrative sorgt für ein intensives Spielerlebnis und gibt den Rätseln einen würdigen Rahmen, der sich nicht mehr vom Spielmechanismus trennen lässt, so gut greift alles ineinander. Wenn man über das etwas enttäuschende Ende hinwegsieht, ist Low Memory definitiv eines der besseren Escape Spiele. Wer allerdings storylastige Spiele nicht mag, sollte lieber zur (ebenfalls guten, aber deutlich weniger narrativen) Exit-Reihe greifen.

Infos zu Escape Tales: Low Memory

  • Titel: Escape Tales: Low Memory
  • Verlag: Kosmos
  • Autor: Jakub Caban, Bartosz Idzikowski
  • Spieleranzahl (von bis): 1-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 18
  • Dauer in Minuten: 150
  • Jahrgang: 2020

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