Die Orléans-Familie hat erneut Zuwachs bekommen. Diesmal ein kooperatives Familienspiel, bei dem wir gemeinsam die berühmte Kathedrale Sainte-Croix d’Orléans bauen – und das im wahrsten Wortsinne, denn wir bauen eine haptische Papp-Kathedrale auf. Auch Die Kathedralenbauer von Orléans stammt wieder aus der Feder von Reiner Stockhausen, diesmal zusammen mit Wolfgang Dirscherl und Markus Müller. Erschienen ist das Ganze bei dlp games und eignet sich für zwei bis vier Spielbegeisterte. Aber macht dieser Kathedralenbau auch Spaß?
Kurzer Spielüberblick: Die Kathedralenbauer von Orléans
Der Spielplan sieht gleich auf den ersten Blick irgendwie nach Orléans aus, auch wenn es diesmal keine segensreichen Werke gibt. Rechts die Landkarte mit Straßen und Flüssen zwischen den Städten, links verschiedene Aktionsbereiche.
Ähnlich wie bei der Draw & Write-Variante Johanna gibt es zwar Orléans-typisch Stoffbeutel (diesmal sogar zwei), aus denen wir Personenplättchen ziehen; das Bag Building aus dem ursprünglichen Orléans kommt aber nicht wirklich zum Tragen. Je nach gezogenem Plättchen können wir unterschiedliche Felder auf dem Spielbrett belegen und die entsprechende Aktion durchführen:
- Auf der Landkarte reisen wir von Stadt zu Stadt und sammeln dabei Ressourcen ein.
- Auf dem Marktplatz geben wir Ressourcen ab, z.B. um Werkstätten zu beliefern.
- Auf dem Festplatz decken wir eine Ereigniskarte auf.
- Mit Mönchen erhalten wir Glasrosetten oder geben sie für Bauplanplättchen ab.
Knackpunkt für den erfolgreichen Kathedralenbau ist es, Aufträge zu erfüllen (etwa bei den Werkstätten), dadurch bekommen wir Bauplanplättchen. Die bringen manchmal „nur“ Boni, meist dürfen wir damit aber eines der Pappteile der Kathedrale bauen. Haben wir alle zusammengebaut, gewinnen wir. Steht die Kathedrale nach drei Runden noch nicht, verlieren wir.
Wie ist das Spielgefühl bei Die Kathedralenbauer von Orléans?
Anders als bei Johanna haben wir bei den gezogenen Plättchen nicht die Auswahl, dafür ändert sich die Zusammensetzung in den beiden Beuteln je Runde. Der Spielplan ist in zwei Bereiche eingeteilt (blau und rot). Je nachdem, wo wir die Figuren einsetzen, landen sie am Rundenende im entsprechend farbigen Stoffbeutel. Das klingt vielleicht ein bisschen nach Bag Building light, lässt sich aber nur begrenzt beeinflussen. Meist spielt man auch weniger danach, in welchem Beutel die Figur später landet, sondern mehr danach, wo sich die Figur am gewinnbringendsten einsetzen lässt. Manchmal gibt es da auch gar keine Auswahl (mehr), weil fast alle möglichen Felder bereits belegt sind.
Überhaupt ist es wichtig, die noch freien Felder im Blick zu behalten und taktisch zu entscheiden, wohin wir mit der gezogenen Figur gehen. Denn wenn es für ein Plättchen keinen Platz mehr gibt, läuten wir damit das Rundenende ein. Und das kommt oft schneller, als uns lieb ist. Da kommt also auch die Frage auf, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir ein bestimmtes Plättchen noch aus welchem Beutel ziehen. Und das wiederum bringt beim Rundenende ein kleines Memo-Element ins Spiel: Es ist hilfreich, später zumindest grob zu wissen, wie viele Schiffer, Bauern etc. noch in welchem Beutel liegen.
Planung und Timing
Die Aufträge passend zu beliefern, erfordert ein gewisses Maß an Absprachen und Planung. Dabei kommt es auch auf das richtige Timing an: Die Sanduhrplättchen sind jeweils nur für eine Runde im Spiel. Schaffen wir es nicht, den Auftrag dort rechtzeitig und vollständig zu erfüllen, verlieren wir bereits gezahlte Rohstoffe.
Die Werkstätten dagegen können wir über das ganze Spiel hinweg nach und nach beliefern – allerdings nur, wenn wir gerade vor Ort sind (anders als die Sanduhrplättchen sind die Werkstätten Teil der Landkarte). Besonders in großen Runden bleibt dann manchmal nichts anderes übrig, als beim Marktplatz nicht direkt an Aufträge zu liefern, sondern Ressourcen an Mitspielende zu geben. Das kostet aber eine Aktion und ist damit nicht ideal.
Laufrouten wollen daher ebenfalls gut abgestimmt sein, damit wir nicht alle in dieselbe Stadt oder Werkstätte rennen. Schließlich können wir die Ressourcen je Wegstück nur einmal einsammeln. Und Ritter und Schiffer (die wir fürs Reisen brauchen) sind nicht unbegrenzt verfügbar. Wir sollten also besser nicht alle Schifffahren oder alle die Straße nehmen.
Kommt, wir bauen eine Kathedrale!
Ähnlich wie bei Die Säulen der Erde hat die (Papp-)Kathedrale die Funktion einer Fortschrittsanzeige, ist hier aber zugleich entscheidend für den Spielsieg. Die Pappteile stehen etwas wackelig, lassen sich aber gut zusammenstecken. Durch die besondere Haptik besteht gerade für Familien ein hoher Aufforderungscharakter. Trotzdem ist die Orléans-Kathedrale kein Vergleich mit der wunderbaren Holzkathedrale aus Die Säulen der Erde, die zeigt, dass es noch hübscher (und stabiler) geht.
Die illustrative Gestaltung der Gebäudeteile könnte kindgerechter sein. Kleine Details wie Mäuse, die sich im Mauerwerk verstecken, Fledermäuse oder Eulen am Turm und ähnliches wären hier schön gewesen. Das ist aber nur ein Wermutstropfen. Die Illustrationen der verschiedenen Figuren und das Spielbrett an sich wurden wunderbar an die neue Zielgruppe – Familien mit Kindern – angepasst. Material und Umsetzung bieten also trotz der oben genannten Kritik die passende Atmosphäre.
Wer baut gern an der Kathedrale von Orléans?
Die Altersangabe mit ab 8 Jahren passt, wenn auch Erwachsene oder ältere Kinder mitspielen. Spielen Kinder allerdings allein, erscheint das Spiel doch noch recht komplex für die Altersgruppe (wobei es natürlich auf die generelle Spielerfahrung der Kinder ankommt).
Zu zweit spielt sich Die Kathedralenbauer von Orléans am besten – auch, weil man sich in kleiner Runde am besten aufeinander einstimmen kann.
Die Regeln sind schnell verstanden, nicht zuletzt dank der Anleitung – die ist übersichtlich gestaltet und lässt keine Fragen offen. Für ein Familienspiel erfordert Die Kathedralenbauer von Orléans aber doch recht viel Vorausplanung. Es gilt, die eigenen Zugmöglichkeiten und die der Mitspielenden im Blick zu behalten. Der hohe Glücksfaktor schwächt das zwar wieder ab, wer aber nur vor sich hin spielt, manövriert sich auch mal in eine Sackgasse. Kennerspielende dagegen werden das Spiel schnell durchschauen und sich entsprechend schnell langweilen. Weiß man einmal, worauf es ankommt, gelingt es eigentlich immer, die Kathedrale rechtzeitig fertigzustellen.
Fehlende Varianz beim Kathedralenbau
Auch für Familienspielende mit wenig(er) Spielerfahrung mindert das den langfristigen Wiederspielreiz, wenn sie sich erst einmal eingespielt haben. Denn: Auf Dauer ist dieser Kathedralenbau eine recht eintönige Angelegenheit. Der Ablauf ist im Grunde immer derselbe, der Spielaufbau variiert nur wenig.
Mehr Varianz (im Aufbau, aber auch im Spielgeschehen) hätte dem Ganzen gut getan.
Zwar gibt es ein wenig Abwechslung durch die Ereigniskarten, die aber auch nicht viel anderes bringen als der Rest des Spiels. Hier ist noch Luft nach oben. Insgesamt fühlt sich das Spiel irgendwie statisch an. Die größtenteils kindgerechte Aufmachung holt die Zielgruppe zwar gut ab. Trotzdem fehlt spielerisch das gewisse Etwas, das das Spiel gerade für Familien spannend und dynamisch macht. Dass das für Familienspielumsetzungen von beliebten Kennerspielen auch anders geht, zeigt zum Beispiel 7 Wonders Architects (das allerdings kompetitiv ist).
Fazit: Auf nach Orléans?
Die Kathedralenbauer von Orléans ist kein schlechtes Spiel. Es ist aber auch nicht überragend. Ein wenig fühlt es sich an wie „nichts Halbes und nichts Ganzes“, weil es irgendwo zwischen den Kategorien und Zielgruppen steckenbleibt. Für ein Familienspiel fühlt es sich irgendwie zu „kopflastig“ an (ohne dabei wirklich komplex zu sein), für ein Kennerspiel (das es natürlich gar nicht sein will) ist es zu seicht. Wer Orléans liebt, bleibt daher lieber beim Original.
Als Einstieg in die Welt kooperativer Spiele eignen sich die Kathedralenbauer durchaus (das gilt aber ebenso für Spiele wie Magic Maze, Wonder Book oder Die Abenteuer des Robin Hood, wenn auch mit anderem Ansatz). Allerdings fühlen sich die Kathedralenbauer bei allen bewährten Orléans-Elementen auf Dauer doch etwas statisch an. Mehr Varianz wäre hier schön gewesen. Wer aber gerne einmal das beliebte Orléans in einfacherer Version ausprobieren, es mit der eigenen (vielleicht weniger spielerfahrenen) Familie spielen oder kooperative Spiele erstmalig kennenlernen möchte, kann sich die Kathedralenbauer von Orléans einmal näher ansehen.
Infos zu Die Kathedralenbauer von Orléans
- Titel: Die Kathedralenbauer von Orléans
- Verlag: dlp Games
- Autor: Reiner Stockhausen, Wolfgang Dirscherl, Markus Müller
- Spieleranzahl (von bis): 2-4
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 8
- Dauer in Minuten: 30
- Jahrgang: 2023
Werbung
Nach neuen Spielen schauen bei:
Amazon
Spiele-Offensive