Spielerisch auf die Kuh gekommen
Reinhard, zur Spielemesse in Essen 2014 erscheint deine Kuh-Reihe bei NSV. Welche Spiele gehören zu dieser Reihe und wie bist du auf den Bezug zur Kuh gekommen?
„Die Reihe startet mit den drei Titeln Kuh Vadis, Kuhlorado und Zum Kuhkuck.
2008 habe ich Kuh Vadis entwickelt, ein tolles und super einfaches Würfelspiel für zwei Personen. Der Arbeitstitel lautete zunächst Mister Diamond, war aber wirklich nur provisorisch. Dann kam mir irgendwann Quo Vadis in den Sinn, einfach deshalb, weil man einen Weg auf dem Spielplan finden muss, um seine drei Startfelder miteinander zu verbinden: Wohin des Weges also. Und dann war plötzlich Kuh Vadis da und es machte sofort Klick – Kuhtitel und Kuhdesign, das ist es! Ich hatte seit Jahren eine Produktreihe im Sinn, ganz einfache und preiswerte Spiele für 2 Leute, und eine thematische Klammer, die all diese Spiele umschließt, war genau das, was es noch brauchte.
Manchmal, im glücklichsten Fall, hat man so spontane Ideen, die sofort zünden. Bei meinem Spiel Der Plumpsack geht um war das so, das war sofort fertig. Ebenso Schätzen Sie mal oder Solche Strolche. Und genauso aufregend wie ein plötzlicher Mechanismus war für mich dieser thematische Einfall. Ähnlich muss es wohl bei Amigo gewesen sein, als aus dem Prototyp Kolchose irgendwann Bohnanza wurde – das Thema ist genial (ebenso wie das Spiel) und macht einen großen Teil des Erfolges aus. Oder Zicke Zacke Hühnerkacke, das mit einem witzigen Thema und tollem Material aus einem netten Memory-Prinzip ein wunderbares Spiel macht.
Weitere Spiele für die angedachte 2er-Reihe gab es damals schon etliche, neue und auch überarbeitete, ältere Ideen. Naja, plötzlich kamen die Kuhtitel herdenweise angerannt, und ich habe einfach geschaut, was zu welchem Spiel passt. Bei Zum Kuhkuck passiert es immer wieder, dass man eine Karte zieht, die man nicht möchte, was überaus ärgerlich ist. Und Kuhlorado war deshalb so naheliegend, weil die Grundidee auf mein altes Schmidt Spiel Colorado County zurückgeht.“
Kannst du bitte jedes der drei Spiele in 2-3 Sätzen beschreiben? Was ist Aufgabe der Spieler, welche spannenden Mechanismen nutzt du dafür?
„Kuh Vadis und Kuhlorado sind Würfelspiele. Bei beiden ist der schöne Yes-Faktor dabei, also das innerliche Hochhüpfen ob des passendes Wurfes. Wobei Kuhlorado deutlich taktischer ist und nicht nur das glückliche Händchen entscheidet.
Bei Kuh Vadis muss man (mit fünf Würfeln und drei Versuchen) zwei Kühe oder drei gleiche Zahlen erzielen, um ein entsprechendes Feld ankreuzen zu können. Damit endet der Zug jedoch. Viel besser ist ein Vierling, also 4 Kühe oder 4 gleiche Zahlen, denn damit kann man ein Feld markieren und ist gleich NOCH EINMAL dran. Also Vierling: ankreuzen. Vierling: ankreuzen. Zack, zack, zack, mehrmals nacheinander, da kommt Freude auf. Der Gegner wird ausgeblockt und die eigenen 3 Startfelder verbunden.
Bei Kuhlorado hat man zwei Würfel und zwei Versuche. Hat man 2 Kühe gewürfelt: exzellent, man darf 2 beliebige Kühe ankreuzen. Hat man 2 Zahlen gewürfelt: nicht so gut, man darf nur 1 Zahlenfeld ankreuzen. Hat man Kuh und Zahl gewürfelt: auch (eingeschränkt) prima: Man kann Kuh UND Zahl ankreuzen, allerdings unter Einhaltung einer Abstandsregel. Es gilt, die Felder möglichst zielgerichtet zu markieren: Punkte gibt’s zum Schluss für große Landflächen sowie den Besitz von Viehtränken und Randweiden.
Zum Kuhkuck ist ein klassisches Can’t-Stop-Spiel. Es gibt 59 Karten, darunter sind 5 Stromkarten, die man NICHT ziehen möchte, denn bei einer Stromkarte ist alles futsch, was man gesammelt hat. Je mehr Karten man hat, desto mehr Punkte kann man damit melden, jeweils 1x in jeder der 5 Farben. Wer eine höhere Punktmeldung in einer Farbe abgibt, bekommt Bonuspunkte.
Das Spiel geht zurück auf mein Ravensburger Spiel Fiasko, das man damals (ohne mich zu fragen!) inhaltlich wesentlich verändert hat, deutlich zum Negativen, im Grunde ruiniert, was mich seinerzeit sehr verärgerte – denn das permanente unter Strom stehen (ach komm, eine Karte geht noch!) macht wirklich Spaß!“
3 Kuh-Spiele – sind alle Spiele für alle Spielerunden gleich interessant? Wer wird mit welchem Spiel den größten Spaß haben?
„Die Spiele sind generell für Leute gedacht, die mit einfachen Regeln flott mal eine Viertelstunde Spaß haben wollen, auf der Urlaubsterrasse, am Strand, in der Kneipe oder abends auf der Couch, sprich: Gelegenheitsspieler. Das ist die primäre Zielgruppe. Ich habe noch eine ganze Reihe möglicher Folgetitel in der Schublade, auch etwas anspruchsvollere, und es war wirklich schwierig, die Entscheidung für die ersten drei Titel und die generelle Richtung zu fällen. Denn: Wie viel Spielregel darf es denn sein? Letztlich habe ich mich dann für die wirklich einfachen Sachen entschieden. JEDER potentielle Käufer kann gewiss sein, dass er die Spiele verstehen und nicht überfordert werden wird.
Erfreulich anzusehen war es dann, als sogar einige meiner Vielspielerkumpels ihren Spaß auf den diversen Kuhweiden hatten, sogar mit Zum Kuhkuck, das nahezu pures Glück ist. Aber wenn’s kribbelt …
Kuhlorado verlangt taktische Entscheidungen und ist der „anspruchsvollste“ Titel.
Bei Kuh Vadis glaube ich, dass es weithin großen Anklang finden kann, klassisch einfach wie das gute alte Käsekästchen, nur eben mit viel mehr Pfiff.“
Spannend ist die Spielerzahl. Warum sind es Spiele für zwei Personen? Gibt es bei der Entwicklung Besonderheiten zu beachten, um eine Spielidee für diese Spielerzahl zu optimieren?
„Ich bin überzeugt, dass es für einfache, flotte, witzige, kleine 2er-Spiele einen großen Markt gibt. Sie dürfen halt nur nicht zu teuer sein und die Leute nicht überfordern. Wie groß der Markt für super einfache Spiele ist, zeigt der gigantische Erfolg von Qwixx sehr eindringlich, wobei das halt sogar für bis zu fünf Spieler funktioniert. Auch die ’normalen‘ Leute sind nämlich durchaus gewillt, sich auf etwas anderes als Kniffel, Mensch ärgere Dich nicht und Uno einzulassen – wenn es denn schnell erklärt ist und Spaß macht.
Häufig ist es so, dass Spiele gut zu zweit funktionieren, aber mit mehreren Leuten zu zäh werden oder zu viel Downtime haben. Aktuelles Beispiel: Die Baumeister. Finde ich zu zweit super, zu dritt OK, aber zu viert ist es mir schon zu zäh. Oder eben andersrum: Gut mit mehreren Leuten, aber zu zweit hapert’s. Aktuelles Beispiel: Abluxxen. Großartig mit 3-5 Leuten, zu zweit ein echter Flop.
Wenn man reine 2er-Spiele entwickelt, kann man alles andere außer Acht lassen. So habe ich z. B. ein weiteres sehr schönes Würfelspiel in der Schublade, das technisch auch mit drei oder vier Leuten problemlos spielbar ist, nur dauert es dann viel zu lange, bis man wieder dran ist. Aber zu zweit: perfekt. Diese Reduzierung hat also absolut ihre Vorteile.“
Du hast auf deiner Webseite einen ausführlichen Entwicklungsbericht zu diesen Spielen veröffentlicht. Kurz zusammengefasst: Warum hat es ganze elf Jahre gedauert, bis aus der Idee fertige Spiele wurden?
„Zunächst war nur die Idee für eine einfache und preiswerte 2er-Reihe da, ohne Thema (wenn auch bereits mit einigen Spielideen). Damit konnte ich meinen alten Arbeitgeber Amigo leider nicht überzeugen. Dann hatten bei mir eine zeitlang private Dinge absolute Priorität. Als dann 2008 das Kuhthema aufflammte, wollte ich es eigentlich rasch verwirklichen, aber so eine neue Produktreihe bedeutet, wenn sie denn perfekt auf den Punkt gebracht werden soll, enorm viel Arbeit. Oliver Freudenreich, der Illustrator, war und ist stets vollauf mit Projekten dicht, wir haben es einfach nicht eingeschoben bekommen; auch bei mir standen permanent andere Projekte an. 2009/2010 war’s dann wieder privat bei mir schwierig (Fehlgeburten, Umzüge, Hauskauf, Geburt unseres Sohnes), und wir mussten es erneut verschieben. Dann bin ich Anfang 2012 zu den Nürnberger Spielkarten gewechselt um dort die neuen Autorenspiele aufzubauen, was mich ziemlich in Beschlag genommen hat. Immer war irgendetwas anderes …“
Du gehst in dem Bericht auch auf die Grafik ein. Wie wichtig ist die Grafik bei einer solchen Reihe und welche Bedeutung hat sie für Kartenspiele im Besonderen?
„Generell gilt, dass das Entscheidende der Inhalt ist. Nur die wirklich herausragenden Ideen haben eine Chance, sich dauerhaft am Markt zu halten. Ohne tolle Ideen gibt’s keinen Erfolg. ABER: Wenn ein Spiel nicht in jeder Hinsicht top ist, dann kann es daran ruckzuck scheitern, trotz inhaltlicher Qualität. Falscher Titel, schlechte Spielregel, zu große Schachtel, zu hoher Ladenpreis, schlechter Vertrieb, schlechtes Marketing (oder gar keins), oder eben eine unpassende oder miese Grafik – und schon ist es aus.
Keine noch so geniale Grafik wird ein schwaches oder mittelmäßiges Spiel retten, zum Glück. Aber eine tolle Grafik kann einem guten oder sehr guten Spiel enorm helfen. Man nimmt es gerne in die Hand, schaut es sich gerne an – und im Idealfall verleiht es dem Spiel eine tolle Atmosphäre, die die pure Mechanik nie erreichen kann, wie z. B. oben schon erwähnt: Bohnanza. Zwei Augen gegen eine Sau und ne Brech feilzubieten ist einfach witziger als zwei Automobile gegen eine Yacht und eine Aktie zu tauschen.
Das trifft nicht nur auf Kartenspiele zu, es gilt für alle Genres. Es reicht schlicht und einfach nicht aus, nur ein gutes Spiel zu haben.
Bei einer Produktreihe muss das Gesamtkonzept stimmen, auch das optische. Wenn man hier Fehler macht, ist es fatal. Veröffentlicht man mehrere unabhängige Einzeltitel und einer davon missrät, dann beeinflusst es die anderen Spiele nicht, sie können trotzdem erfolgreich werden. Ein schlechtes Reihenkonzept hingegen kann ALLE Titel killen. Es muss also etwas geben, was die Spiele als Ganzes positiv verbindet. Das macht im Idealfall im Regal dann richtig was her und es löst positive Assoziationen aus. Man kennt das ja im ganz Großen z.B. von den Haba-Spielen: die gelbe Wucht im Laden ist echt beeindruckend und man denkt: tolle Kinderspiele mit super Material.
Vielleicht können wir ja auch, im ganz kleinen Rahmen, etwas Ähnliches auslösen, wenn man im Laden die schwarz-weißen Flecken sieht: ‚Mensch, da sind ja diese witzigen Kuhspiele‘. Die Vorarbeit ist geleistet und die Finger sind gekreuzt! :-)“
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