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Der große Messebericht von der Spiel ’22 in Essen

Spielsituation Block and Key - Foto Axel Bungart

Zwischen Gaspedal, Unnützem und Messespaß

Es ist vollbracht. Die SPIEL ’22 ist beendet. Ziemlich genau 365 Tage dauert es nun bis zur SPIEL ’23. Und wie war sie in diesem Jahr, die weltgrößte Spielmesse? Was gab es Neues? Was waren die Trends? Was stach heraus? Das und viel mehr gibt es wie immer in meinem folgende Messebericht. Doch bevor ich dazu komme, wer und was mir Bemerkenswertes und Kurioses begegnete, noch ein kurzer Rückblick auf die Pressekonferenz und ein paar Fakten.

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Pressekonferenz zur Spiel ’22 in Essen vom 05.10.2022

Wie gewohnt eröffnete Dominique Metzler als Hauptverantwortliche des Friedhelm Merz Verlags die Pressekonferenz. An ihrer Seite erstmals als Veranstalter der SPIEL ‘22 Vorstandsmitglied der Spielwarenmesse eG und neuer Geschäftsführer des Merz Verlages, Florian Hess. Sie wurden flankiert von Frank Zirpins und Hermann Hutter, letzterer in seiner Rolle als Vorsitzender des Spieleverlage e. V..

Die SPIEL ’22 konnte im Vergleich zum Vorjahr, in dem viele Verlage ihre Teilnahme absagten, wieder so viele Teilnehmer gewinnen, dass fast das Niveau des letzten Vor-Pandemiejahrs 2019 erreicht wurde. Ein Beweis dafür, dass das Gesellschaftsspiel nicht nur lebt, sondern sich bester Gesundheit erfreut. Auch wenn, wie Hermann Hutter ausführte, sich der Umsatz der Branche im Vergleich zum bärenstarken Jahr 2021 leicht im Minus bewege (ca. -7 %). Im Vergleich zu 2019 verzeichne man noch ein sattes Plus.

Zwar seien die großen Lieferketttenprobleme überwunden, so Hutter weiter, doch belasteten Preissteigerung die Kostenstrukturen der Hersteller und Händler. Auch durch die Corona-Nachwehen kämpfe der Handel mit der schwachen Frequenz in den Innenstädten.

Und so war die SPIEL ‘22 in Essen

Auf der Messe 2022 war dies ebenso zu spüren. Mit offiziell 147.000 Besuchern lag die Zahl rund 53 % über der des Vorjahres, ist damit aber noch weit entfernt vom letzten Besucherrekord 2019 mit 209.000 Besuchern. Dennoch zeigten sich Verlage und Händler mit dem Zulauf und vor allem mit dem Kaufverhalten zufrieden. Wie das aus Sicht der Besucher ausgesehen haben kann, folgt nun im

Messebericht SPIEL ‘22

Schon auf der Zufahrt zum Messegelände war zu verspüren, dass wieder ein Stück mehr „Normalität“ in das Messegeschehen Einzug gehalten hat: Freie Fahrt für freie Spieler war 2021, nun war wieder Knubbelparken angesagt. Doch davon ließ sich auch dieses Jahr keiner abbringen.

Spielsituation Lacrimosa - Foto Axel Bungart

Unser Stammteam, das auch für Euch die Messe besucht, ist dieses Jahr um 33 % geschrumpft. Sonst zu dritt, suchen wir dieses Jahr überwiegend zu zweit unser Glück an den Tischen. Wir beginnen den Spielereigen mit einem (zeitlichen) Schwergewicht: Lacrimosa von Devir. Da noch Zeit ist bis zur offiziellen Öffnung der Hallen, helfen wir dem Promoter beim Aufbau und dürfen gleich mit auspöppeln. Dafür erhalten wir vorab eine exklusive Erklärung in Deutsch, bevor sich zwei Englisch sprechende Mitspieler zu uns gesellen, die dann das gleiche noch mal auf Englisch erfahren.

In Lacrimosa geht es um die Fertigstellung des letzten unvollendeten Werks Mozarts sowie dessen Lebensstationen, die wir bereisen, um uns mit Mitteln zu versorgen. Unser amerikanischer Mitspieler zieht bis Ende des zweiten Spieldrittels punktemäßig so weit davon, dass ich geneigt bin, die Lust zu verlieren. Zumal ich zu dem Spiel nicht den rechten Zugang finde. Ein, zwei Kartenrunden, in denen ich mich arg benachteiligt fühle, zeigen m. E. zumindest ein paar Schwächen des ansonsten optisch und regeltechnisch sehr überzeugenden Spiels. Am Ende sind wir mit den Punkten jedoch nicht mehr so weit auseinander, sodass es noch andere Ansätze zu geben scheint, die man aber noch herausfinden muss. Ich werde das nicht, beschließe ich, und wir ziehen weiter.

Beachtlich war die Schlange von Spielern, die sich während der gesamten drei Stunden, in der wir dort saßen (und darüber hinaus), um den Stand bis zur Kasse herumwand. Stundenlang Spiele von zwischen 50 und 70 EUR das Stück zu verkaufen muss noch mehr Spaß machen, als sie zu spielen. Wir ziehen ein wenig durch Halle 3. Es scheint, als wäre der Zulauf an diesem Messedonnerstag nicht so überrennend wie sonst am Donnerstag. Man kann noch fast unbedrängt gehen und atmen.

Mogelpackung Pommes und Schnäppchen Block and Key

Da es schon Mittag ist, verabreden wir uns mit unserem Freund, der eigentlich sonst in unserem Testerteam dabei ist, in diesem Jahr aber einen Autorentisch mit seinem Spielprototypen belegt (Space Missions), zum Essen am Grillstand zwischen den Hallen. Der ist wie immer gut besucht. Auch preislich sind die Grillwaren eher im Deluxe-Segment angesiedelt, was aber zumindest zu einem Trend passt, auf den ich später noch eingehe. Dass man für die 4 Euro dann nur eine halbvolle Pommesschale erhält, kann man noch nicht mal als Mogelpackung bezeichnen, denn man sieht sofort, wie wenig man für das Geld bekommt. Trotzdem oder deswegen bleiben vereinzelt lautstarke Beschwerden der Gäste zu Recht nicht aus.

Nach dem Essen geht es in Halle 5. Zwischenzeitlich wieder zu dritt mit neuem Teammitglied finden wir am Stand von Inside Up Games ein sehr auffälliges Spiel auf zwei Etagen: Block and Key (s. Titelfoto). Kurze Regeln, schickes Design, tolles Spielmaterial aus Ton und auch das Spiel selber macht Spaß.

Man muss dreidimensionale Tetrisblocks so anordnen, dass man sie optisch entsprechenden Kartenmustern zuordnen kann. Damit hat auch das Etagenbauwerk seinen Zweck, denn so muss man nicht für die richtige Perspektive mit dem Kinn über den Tisch schrappen. Überraschend ist für mich der Preis von 50 Euro; da hätte ich mehr vermutet und ich erwäge tatsächlich einen Kauf. Die Entscheidung wird aber vertagt, denn wir spielen beim selben Verlag City Builder. Ein eher kleines Plättchenanlegespiel, bei dem wir Stadtquartiere bilden und darin Gebäude in einer bestimmten Farbe unterbringen sollen. Das Spiel hat einen interessanten Mechanismus, wie man diese Gebäude erhält, doch ist das Design auf den Plättchen etwas zu undifferenziert. Optisch nicht so optimal, daher nett, aber nicht nett genug.

Auf, im Galopp …

Kurze Zeit später spielen wir bei Spielefaible auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Teammitglieds Fantasy Ranch. Ein Würfelspiel mit Karten mit Pferdemotiven. Wir sollen Pferde kaufen, Terrains freischalten und auf Turnieren antreten. Sowohl thematisch als auch vom Anspruch fallen wir wohl kaum in die Zielgruppe, was ich zu bemerken nur mit Rücksicht auf die bemühte Erklärerin unterdrücken kann. Aber gut. Wir sind ja nicht zum Spaß hier. Also bringen wir es hinter uns. Selbst wenn damit Klischees bedient werden: Für Mädchen im Bibi-und-Tina-Fieber ein wirklich hübsch gestaltetes Spiel und thematisch genau das richtige.

Was wir bereits zu diesem Zeitpunkt an sehr vielen Ständen sehen, sind Spiele in der Deluxe-Version. Kaum eine Neuerscheinung, für die es nicht wertigeres Spielmaterial, größere Spielpläne, Münzen aus Metall oder sonstige Extras gibt. Schaut man sich die Preise an, wird einem schwindelig. Die Vermutung liegt nahe, dass Spiele mit Marmorsteinen oder Goldmünzen diese auch „in echt“ enthalten. Aber nein, so ist es nicht.

Spielsituation Riecht verdächtig - links - Spielsituation Dogfight - rechts - Fotos Axel Bungart

Ein paar Schritte weiter spielen wir ein schnelles Spiel im Stehen: Riecht verdächtig (Big Potato Games). Eine schnelle Einführung des Promoters, und schon legen wir los. Jeder erhält verdeckt einen Fisch, dessen Farbe ihm zuteilt, ob er die folgende Frage wahrheitsgemäß oder geschwindelt beantworten muss. Dann kommt die Frage und anhand der Antworten muss der Fragesteller herausfinden, welche Antwort die wahre ist. Vielleicht ganz witzig, aber nicht witzig genug für uns. Wir ziehen weiter. Bei Fun Forge spielen wir Tokaido, das aber nicht neu ist und mich auch jetzt noch nicht fesselt. Mein Freund spielt mit dem Gedanken, sich die Deluxe-Version zu kaufen, die – große Ausnahme – nicht im dreistelligen Bereich liegt. Er ist dennoch unschlüssig.

Wir ziehen weiter durch die Hallen, lassen uns hier und da noch ein paar Spiele erklären, ohne weitere zu spielen. Aber sechs Spiele am ersten Tag sind schon eine gute Ausbeute, wie wir finden. Auch daran merkt man, dass die Hallen zwar gut gefüllt, aber eben nicht überfüllt sind. Mich stört das nicht.

Gelangweilt haben wir uns am ersten Tag also nicht. Trotzdem: Auf der Neuheitenschau habe ich kaum Spiele gesehen, die, sowohl was Design als auch das Gameplay angeht, aus der Masse herausragen. Oder ich habe sie übersehen. Natürlich zeigen die Scoutliste bei Fairspielt und das Spieleranking von BGG Ergebnisse, die andere Rückschlüsse zulassen. Die Blickwinkel sind aber zu verschieden, um sie gegeneinanderzusetzen. Tag eins endet dann in einer Sushibar.

Tag zwei auf der SPIEL ‘22

Wir beginnen den Tag bei Amigo. Amigo hat, wie auch Plan B, die Organisation des vorigen Jahres beibehalten und lässt nur dann Spieler in den Innenraum des Standes, wenn ein Tisch bzw. Stuhl frei wird. Ich empfinde das als sehr angenehm, da es für niemanden Stress bedeutet.

Amardillo heißt das kleine Würfelspiel, das uns Sandra als erstes schnell und sicher erklärt. Wir sollen würfeln und aufgrund der Ergebnisse Karten aus der Hand ablegen. Können wir das nicht, erhalten wie die kleinen Armadillos, die uns helfen, das Würfelergebnis zu schönen. Wir haben uns nicht die Mühe gemacht herauszufinden, warum die kleinen knopfartigen Chips so heißen wie Gürteltiere. Vielmehr gehen wir recht schnell vom Anspruch eine (halbe) Stufe höher und spielen Würfelhelden. Wie der Name schon sagt, sind es auch hier Würfel, denen wir das Glück abzuringen versuchen. Je nach Würfelergebnis können wir noch höherwertige Würfel dazugewinnen, um damit einen der Helden zu besiegen. Die Mitspieler versuchen das für sich und gegen den aktiven Spieler, und so kommt es sogar zu etwas Interaktion. Dennoch nichts, das wir noch einmal spielen wollen.

Eine Promoterin, die nicht verliert

Anschließend ist die dritte Neuheit unser Opfer. Nun wieder zu dritt erklärt uns Sandra noch Sauscharf. Wir nehmen Karten aus einer Reihe, um damit in der zweiten Spielphase Chilisaucen zu brauen (gleiche Karten abzulegen). Dafür bekommen wir Siegpunkte. Das geht alles recht schnell, aber Sauscharf hat endlich das gewisse Etwas, das einen tiefer in das Spiel hineinzieht. Sandra gewinnt die Runde dann auch, was zwar dafürspricht, dass etwas Erfahrung bei dem Spiel nicht verkehrt ist, sie aber auch einen Rüffel vom Verlag befürchten muss. Denn nur ein verlierender Promoter ist ein guter Promoter, sagt sie. Für mich wäre das nichts.

Ab in die Höhlengänge

Schließlich kommen wir zu dem, warum ich eigentlich zu Amigo gekommen bin: dem neuen Ableger von Saboteur – The Dark Cave, das uns jetzt Efraim recht ordentlich erklärt.

Spielsituation Saboteur - The Dark Cave - Foto Axel Bungart

Wieder müssen sich ganz Saboteur-like die Zwergenteams erst finden, um vernünftig miteinander zu kooperieren. Doch dieses Mal suchen sie den Ausgang aus dem Dungeon, um möglichst viel Gold hinauszuschleppen. Das Saboteur-Basisspiel und auch Saboteur II sowie das Duell sind sehr unterhaltsame Spiele und funktionieren gut. Das Brettspiel (The Lost Mines) hingegen hatte aus meiner Sicht funktionale Mängel, und ich bin mir nicht sicher, ob The Dark Cave nicht teilweise ähnliche Mängel beinhaltet. So richtig gezündet hat die Runde jedenfalls nicht. Aber das müsste man noch mal testen.

Der Wunsch nach Unnützem

An diesem Freitag sind die Hallen wieder so gefüllt, dass es gerade noch als angenehm durchgeht. So ziehen wir denn auch durch die Hallen 5 und 6. Besonders in Halle 6 gibt es so viele hübsche Sachen zu sehen, die man kaufen könnte – wenn man nur wüsste, wozu man sie braucht. Manches sieht einfach nur schön aus. Mein nächstes Haus wird definitiv ein Zimmer für Regale haben, in denen man solche Dinge dekorativ unterbringen kann, ohne dass sie den geringsten Nutzen haben.

Rasend schneller Spielabbruch

Eine ganze Zeit später spielen wir Pole Position (Do it Games). Ein Formel-Eins-Spiel, bei dem wir mit Würfeln unsere winzigen Boliden befeuern, die richtige Reifenwahl treffen müssen, aufs Wetter achten und natürlich schnell fahren sollten. Wir müssen dem spanischen Erklärer sehr aufmerksam zuhören, um zu verstehen, worum es geht. Die Energie fehlt uns später beim Spielen. Aber eins ist sowieso klar: Das Spiel hat ein paar Regeleigenheiten, die unrund wirken und uns noch in der ersten Runde das Spiel abbrechen lassen. Freundlich verabschieden wir uns in die Regeneration.

Etwas weiter gibt es am Stand von PSC Games ein paar Spiele, die in maximal zwanzig Minuten gespielt sind. Dogfight zum Beispiel, was nichts mit Hunden, dafür aber mit Flugzeugen zu tun hat, die sich gegenseitig im Kreis verfolgen, um sich Treffer zuzufügen und schließlich vom Himmel zu holen zum Landen zu zwingen. Mit ein paar Regeln kommt man hier aus, und das Spiel ist echt witzig. Nach nicht mal zehn Minuten steht der Sieger fest. Und dann spielt man es gleich noch mal. Unser Dritter im Bunde, selbst Flieger, klärt uns auch darüber auf, dass dieses Katz- und Mausspiel tatsächlich so genannt wird, wenn zwei Flugzeuge sich verfolgen.

Gebt dem kaiser, was des Kaisers ist

Spielsituation Caesar - Foto Axel Bungart

Das zweite Spiel bei PSC Games ist Caesar. Ähnliche Spieldauer, und hier geht es nur darum, ein paar Steine auf Grenzlinien zu setzen, um damit in beiden Gebieten Mehrheiten zu bewirken. Da der Gegner dasselbe tut, ist das jedoch nicht ganz so einfach. Doch auch hier steht nach rund einer Viertelstunde fest, wer mittels Mehrheiten alle seiner Einflussscheiben einsetzen konnte und damit gewinnt. Solche kleinen Spiele machen schon deswegen Spaß, weil sie in ansprechender Aufmachung und mit gutem Material daherkommen!

Tempo in der Wüste

Eine Premiere erleben wir in der Nähe beim ersten Spieleverlag aus Katar, Majlis Shabab. Wie uns die nette Erklärbärin verrät, nehmen es die Menschen in Katar mit den Verkehrsregeln nicht so eng. Besonders was die Tempolimits angeht. So kam wohl das Spiel Radar zustande, gleichwohl das kein rein katarisches Problem ist. Es erinnert mich ein bisschen an 99: Man legt reihum Karten mit einer Zahl (Geschwindigkeit) auf einen Stapel und summiert damit alle bereits gespielten Kartenwerte, ohne damit ein vorgegebenes Limit zu überschreiten. Man kann die ausgespielte Summe auch wieder reduzieren oder andere Sonderkarten ausspielen, sodass sich ein Hin und Her ergibt, das die richtige Spielerunde als kurzes Zwischenspiel gut unterhalten kann.

Und noch immer ist der Messetag nicht vorbei. Bei Cranio spielen wir mit zwei anderen Spielern My Shelfie. Das ist kein Schreibfehler und hat daher auch nichts mit Selbstportraits zu tun, wohl aber mit einem vertikal aufgestellten Regal, das wir mit Plättchen aus einer Auslage füllen sollen.

Zwei Spielsituation My Shelfie - links und rechts - Foto Axel Bungart

Erinnert entfernt an Vier gewinnt und funktioniert auch ähnlich. Die Plättchen werden von oben in das Regal fallen gelassen und sollen am Schluss im besten Fall bestimmte Positionen einnehmen sowie Muster entwickeln. Ist schön aufgemacht besonders mit dem Regal, spielerisch scheint jedoch noch Luft nach oben zu sein.

Flöhe und langesame Schnellerklärer

Mittlerweile in Halle 4 angekommen beschließen wir den Tag nach ein einem kurzen Spiel-Satz-und-Sieg im Stehen bei Super Ace Tennis von RC Games. Mit der Technik des Flohspiels wollen wir die kleine Plastikscheibe – den Ball – über das Tennisnetz hüpfen lassen, sodass der Gegner sie (per Definition) nicht erreichen kann. Auch hübsch. Nur spielen tue ich sowas leider nie. Wäre ein Qualifikant für das Unnütz-Regal.

Auf dem Weg zurück in Halle 5 zu unserem Jungautor von Space Missions, Frank Müller, erbitte ich, quasi im Vorbeigehen, bei Strategos Games noch einen „quick overview“ über das Spiel Glory. Ich bin mir auch sicher, „quick“ besonders betont zu haben. Die Ausführungen in Englisch wollen aber nicht enden und die vielen Details interessieren mich auch gar nicht. Tapfer hören wir aber noch bis zum (bitteren) Ende zu, wobei ich die letzten 10 Minuten schon nicht mehr rekapitulieren könnte. Zu viel Englisch heute, zu viel Lärm dazu, ich bin platt.

Tag drei auf der SPIEL ‘22

Da war er wieder, der dritte Tag. Der Tag, an dem schon am Morgen Wehmut mitklingt, weil er mein/unser letzter Messetag ist. An diesem Tag sind wir froh, Masken tragen zu dürfen. Wie alle übrigens. Sehr diszipliniert, auch wenn manche die Dimensionen ihres Gesichts unterschätzen und nicht zu wissen scheinen, wo Mund und Nase anfangen und aufhören. Aber ich habe nur einen einzigen gesehen, der keine Maske trug, und der war grad – so halte ich ihm zugute – auf dem Weg nach draußen. Es ist so voll, dass wir in der Galeria teilweise kaum vorankommen. Auch in den Gängen der Hallen macht der Samstag am wenigsten Spaß.

Die Erklärung vom Vorabend bei Strategos hat mich zumindest so neugierig werden lassen, dass ich mir das Spiel noch mal ansehen möchte. Also spielen. Als erstes sichern wir uns dort einen Platz und erhalten von einem Deutsch sprechenden Ungar eine sehr gute Erklärung für Glory. Genau genommen nur eine für die dritte und letzte Runde, denn eine volle Partie dauert zu lange, um sie hier durchzuspielen. Macht aber nichts. Wir sind Ritter, ziehen durch die Lande, versorgen uns mit Mut und Kraft und allerlei nützlichen Relikten, um später in Turnieren anzutreten, in denen wir fiktive Gegner, aber schließlich auch unsere Gegenspieler vom Pferd würfeln möchten. Wir bekommen einen guten Einblick in das Spiel, unterhalten uns prächtig auch mit unserem Erklärbär, den unser Würfeloptimismus amüsiert. Am Ende treffe ich eine Entscheidung für einen Spontankauf. Und das, obwohl ich eigentlich nichts mit Worker Placement und auch nichts mit einer Spieldauer von 40 Minuten (+) pro Spieler kaufen wollte. Aber Glory ist sehr schön aufgemacht, hat ein nicht so abgegriffenes Thema (Ritter(-turniere)) und zudem ein bisschen was Historisches dabei. Nicht zu lange drüber nachdenken, Grundsätze sind eben nur grundsätzlich.

Kirchen bauen

Spielsituation Basilica - Foto Axel Bungart

Wir schlendern zurück in Halle 3 zu Portal Games und spielen Basilica. Man legt Plättchen in vier Farben untereinander-aneinander und bildet so in fünf Spalten farbliche Gebiete, die man für sich werten möchte. Aktionsplättchen erlauben noch eine besondere Aktion. Das ist wieder so ein Spiel aus der Klasse zu gut zum Ignorieren, aber zu wenig besonders, um interessant zu sein.

In der Mittagspause beim Grillstand stellen wir fest, dass die Pommesschälchen heute besser gefüllt sind. Hat das Lamentieren wohl doch genützt.

Von namenlosen Pärchen und Zweier-Duellen

Ins letzte Sechstel unseres Messeaufenhalts starten wir mit Dorfromatik von Pegasus. Melina erklärt uns das kooperative Spiel schnell und gut, das wir mit einem unbekannten Pärchen spielen, dessen Namen wir auch nicht erfahren. Wir legen Plättchen aus, um Gebiete zu bilden, die ab und zu durch das Auftauchen von Aufgaben von Wert sein können, wenn sie die richtige Größe haben. Mit dem Spielergebnis schaltet man sich Packungen frei, die noch in der Spieleschachtel sind und weitere Plättchen und Aufgaben enthalten. Eine Art Legacy-Spiel demnach. Ansprechend gestaltet und vielleicht gar nicht übel. Zum Kauf reichts (noch?) nicht.

Spielsituation Splendor Duel - Foto Axel Bungart

Unser Weg führt uns irgendwann zurück zu Asmodee bzw. den Space Cowboys. Deren Splendor gibt es jetzt als Zweipersonenspiel, das somit Splendor Duel heißt. Mein erster Gedanke: wozu das? Splendor spielt sich auch so sehr gut zu zweit. Aber weil grad ein Tisch frei ist, probieren wir aus, was es damit auf sich hat.

Ein dynamischer Erklärer, versucht sein Bestes, es uns auf Deutsch zu erklären. Auch, wenn er ab und zu ins Englische wechselt, gelingt ihm das auf sympathische Weise auch sehr ordentlich. Na dann. Splendor ist wiederzuerkennen, wenngleich sich auch einiges geändert hat. Vom Anspruch etwas über dem normalen Splendor muss man genau überlegen, wie man dem Gegner nicht zu häufig Vorlagen liefert. Am Ende – auch das ist typisch – geht es um einen Zug, der über Sieg oder Niederlage entscheidet. Macht Spaß!

Gaspedal durchtreten

Spielsituation Heat - Foto Axel Bungart

Direkt nebenan geht es bei Days of Wonder weiter mit Heat (Pedal to the Metal), das uns Arthur erklärt. Zwar weniger dynamisch, aber dafür auch weniger englisch und mehr deutsch. Wieder ein Formel-Eins-Rennen. Jetzt sehen, wir, wer die Nase vorn hat. Das Rennen wird über Karten gesteuert. Der gewählte Gang legt fest, wie viele Karten man ausspielt, die Karten legen fest, wie schnell man fährt. Dann kann man noch Boostern und Stress in Geschwindigkeit umwandeln, aber das verstopft einem das Kartendeck. Und siehe da: Es kommt wirklich schnell ein spannendes Rennen zustande, bei dem auch überholt wird! Das hatte uns bei Pole Position gefehlt. Klarer Sieg also für Heat. Das fanden andere auch, denn es war bereits ausverkauft.

Kooperativ infiltriert

Nun war es Zeit, sich auf den Weg zu Kosmos zu machen. Der Stand des Verlags war jahrelang der Inbegriff dafür, extrem schwer einen Platz zu bekommen. In den letzten Jahren hatte sich das gebessert, doch dieses Jahr war es wieder voll. Kein Wunder, denn Kosmos hatte gute Neuheiten im Gepäck. Jetzt, zu bereits vorgerückter Stunde, bekamen wir problemlos einen Tisch. Mit zwei weiteren Mitspielern versuchen wir uns an Inside Job. Das Stichspiel erinnert ein bisschen an Die Crew. Bestimmte Stiche müssen bestimmte Karten enthalten oder von einem bestimmten Spieler gemacht werden. Einer in der Runde ist aber der Party-Pooper und will das Vorhaben der anderen torpedieren. Unsere Spaßbremse ist aber erst mal unser Erklärbär; er wirkt ein bisschen lustlos und nuschelt zudem, was uns nicht alle Regeln wirklich verstehen lässt. „Vielleicht nicht so wichtig“, denke ich noch. Doch als er uns kurz darauf in der Annhame, wir kämen auch ohne ihn klar, verlässt, entfacht eine lebhafte Diskussion über ein paar Fragen. Wir beenden die Partie zwar friedlich und halbwegs regelgerecht, einigen uns aber sicherheitshalber darauf, dass wir alle gewonnen haben. Erklärbär Ben bringt posthum noch Licht ins Dunkel, was dann aber auch egal ist.

Als zweites spielen wir bei Kosmos Death Valley, was uns nun Andrea vollständig und verständlich erklärt. Bei dem Zweipersonenspiel werden Karten von einem Stapel aufgedeckt, die man entweder nehmen und in seine Auslage legen kann oder bereits genommene Karten sichert. Aufpassen muss man nur darauf, dass man nicht zu viele Karten einer Farbe erhält. Die Grafik erinnert ein bisschen an Parks, hat damit aber nichts gemein. Nach 15 Minuten steht der Sieger fest. Sonderlich animiert fühlen wir uns nicht. Muss man nicht haben.

Waidmannsheil, jetzt kommt das Geflügel

Spielecover Fasanerie - Foto Axel Bungart

Die Uhr zeigt schon halb sieben. Es ist bald vorbei. Gerade noch Zeit für ein Fasanerie von 2F-Spiele. Zu viert erklärt uns Kay, was zu tun ist. Das macht er sehr routiniert, unterhaltsam dazu und deshalb gut. Alle wissen nach wenigen Minuten, was zu tun ist. Und so sammeln wir verschiedene Fasankarten, gewollt gute, doch leider auch ungewollt schlechte. Wer am Ende damit die meisten Punkte machen kann, gewinnt. Meine Taktik ging voll in die Hose. Aber es wird sicher einen zweiten Versuch geben, denn das Spiel habe ich schon zuhause.

Alles hat ein Ende

Und dann ist es wieder Gewissheit: Die SPIEL ’22 ist für uns aus. Da machste nix.

Wir haben in den drei Tagen sage und schreibe 26 Spiele gespielt. 26 neue Spiele kennengelernt, Menschen getroffen, lecker (wenn auch ungesund) gegessen und sogar ein paar Minuten das messeunfreundliche, herrliche Wetter genossen. Was ich wirklich prima fand, war die SPIEL-App! Hiermit hat man schnell seinen Verlag gefunden und das sogar sehr dynamisch, was die Anzeige angeht. Auch die Neuheiten lassen sich finden, nur die Fehlertoleranz bei der Eingabe ist nicht so wirklich tolerant. Zu verbessern wäre noch, dass, wenn man einen Verlag sucht, man auch gleich die Neuheiten dazu angezeigt bekommt. Die Informationen liegen ja in der App schon bereit.

Auch wenn mir bis zum Schluss die Highlights fehlten: Jetzt ist wieder Nach-Messe-Blues. Ich werde ihn vorerst mit Auspöppeln besiegen. Und dann geht’s schon wieder.

Neue SPIEL – neues Glück, heißt es im nächsten Jahr wieder genauso früh: Die Spiel ’23 findet vom 05.-08. Oktober 2023 statt. Wir sehen und in Essen. Ich freue mich jetzt schon.

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