Sport-, insbesondere Rennspiele aller Art rennen (oder fahren?) bei mir meist offene Türen ein und genießen einen erheblichen Vorfreudebonus. Und wenn wie bei Crazy Driver dann noch «Carrera» auf der Schachtel steht, ist der Fall sowieso klar, war ich doch in meiner Kindheit ein verhinderter Fan von Autorennen und -bahnen. Ich hätte gerne selber eine gehabt, doch geklappt hat das irgendwie nie. Vielleicht hatte ich andere, noch dringendere Wünsche oder dann waren die Dinger einfach zu teuer, wer weiß das nach all der Zeit noch im Detail?
Hybrid-Spiel mit App
Jedenfalls weckt eine Spielschachtel mit Hinweisen auf ein Autorennspiel und dem Aufdruck «Carrera» mein sofortiges Interesse und ich möchte gleich loslegen. Doch genau da beginnen die Probleme mit und für Crazy Driver. Das Ganze entpuppt sich nämlich als Hybrid-Spiel mit physischen Komponenten wie einem Spielplan, zwei Würfeln und diversen Plättchen auf der einen Seite in Kombination mit kleinen elektronischen Zusatzelementen in App-Form auf der anderen. Und das führt dann zu ersten Fragezeichen zum Spiel.
Jede Menge rechtliche Details sind zu akzeptieren
Für Crazy Driver braucht es nämlich eine Anmeldung und Freischaltung zum Spiel. Das ist zwar andernorts längst üblich und grundsätzlich kein Problem. Bei Brettspielen ist es trotzdem eher ungewohnt. Zudem ist schier unglaublich, was bei Crazy Driver alles akzeptiert werden muss. So enthalten die AGB Regelungen zu Preisen und Zahlungsbedingungen, Gefahrenübergang und Eigentumsvorbehalt. Es folgen Themen wie Gewährleistung und Schadenersatz, Rechtswahl und Gerichtsstand. Und zum Abschluss kommen dann noch eine Datenschutzerklärung mit Bestimmungen zur Datenverarbeitung, Datenübertragung an Dritte, Verwendung externer Services sowie die Nutzung von Cookies und Plug-ins, die alle zwingend akzeptiert werden müssen, bevor überhaupt ans Spielen zu denken ist – ich kenne Leute, die hier gleich aus Prinzip aussteigen würden und so das Spiel gar nie starten könnten. Dabei freuten wir uns doch einzig auf ein hübsches Rennspiel, ohne im Traum zu erwarten, dafür vorab einen juristischen Crashkurs absolvieren zu müssen.
Mechanikerprobleme in der Boxengasse!
Immerhin winkt anschließend trotzdem ein baldiger Rennstart, entfällt doch das Lesen einer eigentlichen Spielanleitung. Allerdings hakt es auch hier im Detail, gibt es doch trotzdem einige Grundsätze und Regeln zu erlernen. Und das wäre halt einfacher und schneller mit einer kleinen schriftlichen Anleitung als einer App, die sich als ziemlich langfädig erweist. Ebenso erweist sich das Zusammenstöpseln der einzelnen Rennbahnteile als eine recht mühselige Angelegenheit, bis am Ende dann endlich die durchaus prächtige Rennbahn vor uns liegt. Vermutlich ist das alles jedoch eine reine Geschmacksfrage, zu der es untertschiedliche Auffassungen gibt. Dasselbe gilt wohl auch für das Inlay der Schachtel, das überflüssig oder gar völlig daneben wirkt. Besonders weil es später das Verstauen der diversen Aufbauten verunmöglicht, die so vor jedem Wegräumen zerlegt und beim nächsten Mal erst wieder zusammengesteckt werden müssen.
Die Ampel springt auf Grün
Wenn aber endlich trotzdem alles parat ist, kann tatsächlich losgelegt werden. Crazy Driver liefert dabei ein Spielsystem, das an Formula Dé bzw. Formula D erinnert. Mittels Gangschaltung kann so Einfluss auf die (Basis-) Geschwindigkeit des eigenen Boliden genommen werden. Individuelle Fahrzeugeigenschaften eröffnen zudem weitere Optionen beim Fahren, die beispielsweise in Kurven oder auf Geraden oder beim Überholen anderer Rennwagen gewisse Vorteile bieten. Das Ganze verläuft allerdings dann doch weniger interessant als bei Formula Dé bzw. Formula D. Daran vermögen selbst ein paar Actionmarker auf der Strecke nicht viel zu ändern, die zwar etwas zusätzliche Interaktionen und Unwägbarkeiten mit sich bringen, ansonsten aber nur wenig zu einem abwechslungsreicheren Geschehen beitragen.
Bolide und Fahrer sind eine Einheit
Vielmehr erweisen sich die meisten Elemente des Rennspiels als reine Würfelübungen, die mit entsprechend viel Zufall verbunden sind. Zu jedem Fahrzeug gehört ein separates Tableau, auf dem die individuellen Fähigkeiten des Boliden vermerkt sind. Für das Schalten, den Top-Speed, das Driften wie auch das Abdrängen anderer wird so ein Wert zwischen 1 und 10 vorgegeben. Jeder Fahrer besitzt zusätzlich einen besonderen Bonus, der einmal im Rennen nach eigenem Belieben genutzt werden kann.
Kollisionen auf dem Kurs
Alle haben auf ihrem Fahrzeugtableau einen Schalthebel, der ein Basistempo zwischen 1 und 5 vorgibt, das mit einem speziellen Bewegungswürfel um 0 bis 2 erhöht werden kann. Bei den Fahrzeugeigenschaften ist dagegen vor ihrem Einsatz eine Würfelprobe durchzuführen, die erfolgreich verläuft, wenn der vorgegebene Zahlenwert zwischen 1 und 10 nicht überschritten wird. Schäden am Fahrzeug werden dabei alle durch Wegnahme besonderer Karosserie-Marker dokumentiert. Sind alle aufgebraucht, fliegt der Rennwagen von der Strecke, muss eine Runde aussetzen und warten, bevor er anschließend weiterfahren kann.
Gas bis die App sich einschaltet
Hier, wie auch beim Überfahren der ausliegenden Actionmarker, kommen die schon kurz erwähnten Appspielchen von Crazy Driver ins Spiel, wegen deren ganz zu Beginn ja die ganzen Rechtsgrundsätze und -vorgaben genehmigt werden mussten. Angesichts der effektiven Auswirkungen auf das Renngeschehen von Crazy Driver fragt sich allerdings, ob diese den Aufwand bei der Anmeldung zum Spiel tatsächlich wert waren. Um wenigstens ein Restmaß an Überraschung und Interesse am Spiel zu wahren, verzichte ich jedoch an dieser Stelle bewusst auf weitere Ausführungen dazu.
Wie laut ist der Jubel?
Stattdessen ist festzuhalten, dass Crazy Driver zwar ein modern aufgemachtes, im Kern jedoch eher konventionelles und ziemlich schematisches (Würfel-) Rennspiel ist, das kaum höheren Anforderungen und Erwartungen genügt. Für Familien mit technisch interessierten Zöglingen oder für Leute, die ein Spiel mit gradlinigem Ablauf ohne große Entscheidungsmöglichkeiten und -verästelungen suchen, kann Crazy Driver zwar durchaus passen und Freude bereiten. Meine Spielrunden setzen sich allerdings normalerweise etwas anders zusammen. Daher hatte Crazy Driver hier stets einen schweren Stand. Da vermochte nicht einmal der Aufdruck «Carrera» auf der Schachtel Wesentliches zu ändern, auch bei mir nicht, so leid mir das tut.
Infos zu Crazy Driver (Carrera)
- Titel: Crazy Driver (Carrera)
- Verlag: Rudy Games
- Spieleranzahl (von bis): 2-4
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 8
- Dauer in Minuten: 30-60
- Jahrgang: 2020
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