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Johann Rüttinger: Drei Hasen in der Abendsonne und die Weltsprache Spiel

Drei Hasen in der Abendsonne

Warum Magier gern Hasen sein wollten blank

Johann, du hast mit Kathi Kappler vor wenigen Jahren den Spieleverlag Drei Magier Spiele an Schmidt Spiele verkauft. Das klang nach einem Ausstieg aus der Spielebranche. Warum habt ihr den Verlag damals verkauft?
„Ich bekam im Herbst 2007 plötzlich schwerste gesundheitliche Probleme. Wir waren damals insgesamt sieben Leute bei den Drei Magiern. Ich fiel teilweise komplett aus und wir wollten nicht, dass die Marke, der es ja sehr gut ging, die erfolgreich war, langsam den Bach runter geht. Eigentlich wollten wir wieder ‚kleiner‘ werden, aber nachdem wir nicht wussten, wie es mit mir weitergeht, haben wir uns entschlossen, die Marke an Schmidt Spiele, unseren Vertriebspartrner im deutschsprschigen Raum, zu verkaufen. Es war wirklich keine einfache Entscheidung, aber ich hatte durch den Verkauf immerhin über viereinhalb Jahre Zeit, wieder ganz gesund zu werden. Für unsere Mitarbeiter war das alles nicht einfach zu verkraften, dieses plötzliche Ende nach 14 Jahren intensiver Aufbauarbeit. Es war traurig, aber manchmal muss man einfach vernünftig sein.“

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Drei Magier, drei Hasen – welchen Bezug hat die Zahl Drei für euch, dass sie in beiden Verlagsnamen vorkommt?
„Drei Hasen in der Abendsonne war eigentlich als Marke für unsere Kinderbücher vorgesehen, die wir neben den Spielen veröffentlichen wollten.

Im Logo erkennt man die drei schwarzen Hüte, allerdings mit Hasenköpfen. Die beiden Marken sollten nebeneinander existieren. So war der ursprüngliche Plan.“

Johann Rüttinger (2006) - Foto Gerlinde RodeWie du ja sagst: Anfangs hieß es, ihr wollt mit dem neuen Projekt Drei Hasen in der Abendsonne Bücher veröffentlichen. Seit letztem Jahr sind wieder Gesellschaftsspiele hinzugekommen. War das so geplant? Wie kam es zu dieser Rückkehr zu den Familienspielen?
„Nein, das war ursprünglich nicht so geplant. Wir dachten, Bücher zu machen und zu verkaufen, geht genauso leicht, wie Spiele auf den Markt zu bringen.

Bis wir merkten, dass das etwas ganz anderes ist. Viel, viel schwerer – die ganze Szene ist praktisch eine geschlossene Gesellschaft. Im Nu waren vier Jahre vorbei, ohne jedes Erfolgserlebnis. Deshalb entschieden wir uns, wieder Spiele zu machen, da kannten wir uns besser aus. Nebenbei gesagt: Die Spieleszene ist sehr viel weniger ‚eingebildet‘, als die Bücherwelt. Ein Spiel lebt von der Regel, wenn die gut ist, versteht das jeder – auch der einfachste Mensch – auf der ganzen Welt. Spiele sind einfach eine ‚Weltsprache‘.

Ihr seid furios gestartet und habt gleich große Aufmerksamkeit für die neuen Spiele erhalten. Was hat sich für euch gegenüber Drei Magier Spiele am meisten geändert?
„Als wir mit den Drei-Magier-Spielen 1994 anfingen, hatten wir ein gut funktionierendes Grafikatelier mit festen Mitarbeitern, und guten Aufträgen aus allen möglichen Branchen. Rolf Vogt, mit seiner ganz speziellen tollen Spielegrafik war als freier Mitarbeiter schon lange als Illustrator und Grafiker dabei, als wir u. a. sehr viele Produkte für Noris Spiele machten.

Als wir im Frühjahr 2012 wieder neu mit Spielen anfingen, waren wir nur noch zu zweit, Kathi und ich. Wir wollten in aller Ruhe neu anfangen und suchten einen Hersteller. Alles andere konnten wir ja selbst machen. Da damals die Firma Scheer aus Ingolstadt, die fast alle unserer Magier-Spiele produziert hatte, leider nicht mehr existierte und Ludofakt aufgrund der vielen zusätzlichen Aufträge, die wegen dieses ‚Exitus‘ deshalb plötzlich auf sie einprasselten, kurzfristig an ihre Grenzen kam, erinnerte mich Kathi daran, dass Noris ja eine eigene Fertigung hat. Witzigerweise hatte Noris zu dieser Zeit den Entschluss gefasst, wieder hochwertige Spiele machen zu wollen. Besonders weil Simba-Dickie, die ‚Mutter‘ von Noris kurz vorher den ‚Holzhersteller‘ Heros gekauft hatte, der ein paar Jahre vorher den ‚Holzhersteller‘ Lorenz gekauft hatte, mit dem wir von Anfang an als Magier sehr gut zusammenarbeiteten … das passte dann zufälligerweise sehr gut zusammen.“

Familienspiel Talo

Eure Spiele zeichnen sich immer wieder durch einen generationsübergreifenden Aspekt aus, der Kinder und Erwachsene an einen Tisch zum Spielen bringt. Wie wichtig ist für dich persönlich dieser Punkt für ein Gesellschaftsspiel?
„Für Kathi und mich ist dieser Punkt einer der wichtigsten. Ganz deutlich kann man das an den diesjährigen Spielen Talo und Raben stapeln oder noch deutlicher an der Neuauflage von Alex Randolphs Kinderliederspiel Jetzt fahrn wir übern See … sehen. Unserer Meinung nach sollten sich Erwachsene möglichst wenig langweilen, wenn sie mit Kindern Kinderspiele spielen. Und Spiele für ältere sollten so attraktiv sein, dass Kinder neugierig werden und mitspielen möchten …“

Ein Familienspiel, das alle ansprechen möchte, muss auch entsprechend bearbeitet und präsentiert werden. Welche Rolle spielt redaktionelles Glätten einerseits und die Grafik andererseits für dich?
„Für Kathi und mich geht die redaktionelle Arbeit natürlich bei der Auswahl der Prototypen an. Es sind so viele unterschiedliche Ideen, die wir angeboten bekommen und es gibt so viele Möglichkeiten, etwas daraus zu machen … und wir, als einer der kleinsten Verlage bekommen die Spielideen aller meistens als letzter angeboten, wenn alle anderen schon abgesagt haben. Das ist aber auch eine Chance, etwas auf den Tisch zu bekommen, was sich später, nach dem ‚Glätten‘, als Schatz entpuppen kann.

Bei der Grafik haben wir, nachdem wir alles selbst gestalten können – das ist ja unser eigentlicher Beruf – völlige Freiheit. Und ich glaube, das sieht man unseren Spielen auch an. Wenn ein Spiel am Ende nicht läuft, sind wir ganz alleine selber schuld ;-)“

Unter den Veröffentlichungen finden sich auch Wiederveröffentlichungen von bspw. Spielideen von Alex Randolph. Was macht für dich ein zeitloses Spiel aus und wie positioniert ihr solche Spiele in der Flut der Neuheiten, dass sie nicht als „olle Kamelle“ untergehen?
„Die drei Spiele von Alex Randolph, die wir bisher neu aufgelegt haben, sind sowieso von der Grundidee her Klassiker. Zwei geniale Bluffspiele, ein Reaktionsspiel, da wird nichts alt. Auch wenn sie keine Riesenstückzahlen erreichen, sie gehören einfach zu uns. Die Grafik und das Spielmaterial lassen sich ja beliebig an den Zeitgeschmack anpassen.

JKinderspiel Jetzt fahren wir übern See ... von Drei Hasen in der Abendsonneetzt fahrn wir übern See … gibt es in unterschiedlichem Schachteldesign jetzt schon seit über 25 Jahren. Das wichtigste, die Karten-Illustrationen sind aber gleich geblieben, bzw. bei der letzten Erweiterung vom gleichen Illustrator, Gianluigi Pescolderung aus Venedig, erstellt worden. Sein Stil ist scheinbar zeitlos und kommt immer noch gut an, sonst wären die Macher von Graf Ludo nicht auf die Idee gekommen das Spiel für den Gestaltungs-Preis 2014 zu nominieren.“

In Japan habt ihr mit Ciao, Ciao …! den Japan Boardgame Prize gewonnen. Meines Wissens die erste Auszeichnung für Drei Hasen in der Abendsonne. Wie wichtig sind solche Speielpreise für euch?
„Ganz wichtig, natürlich. Als Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein und nicht völlig daneben zu liegen. Wir stecken ja eine Menge Herzblut in jedes Spiel und wenn dann ‚Kein Schwein schaut‘ wäre das auch nicht so toll …“

Du gehörst zu den sehr erfahrenen Spieleautoren und –redakteuren der – ich nenne sie mal so – alten Garde. Wie hat sich deiner Meinung nach die Entwicklung von Gesellschaftsspielen in den letzten zwei, drei Jahrzehnten verändert?
„Eigentlich Alles und auch wieder nichts:

  • Seit etwa 1980 die Elektronik dazugekommen. Sie hat viele neue, manchmal phantastische, manchmal auch enttäuschende Möglichkeiten gebracht.
  • Es gibt das ‚Spiel des Jahres‚ seit 1979. Diese Auszeichnung hatte und hat immer noch enorme Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung der Branche. Weltweit.
  • Die Berichterstattung über die Szene und Rezensionen und Bewertungen von Spielen sind inzwischen – im Gegensatz zu früher  – selbstverständlich.
  • Spieleautoren sind inzwischen am Erfolg beteiligt. Was ja erst in den 60/70er-Jahren von Erwin Glonnegger bei den Ravensburgern eingeführt wurde.
  • Das Spieleautorentreffen von Reinhold Wittig erstmals 1983 in Göttingen veranstaltet, hat vieles in Bewegung gesetzt und positiv verändert.
  • Ebenfalls 1983 fanden die Essener Spieltage das erste Mal – damals noch in der Volkshochschule – statt. Welche gigantische Veranstaltung daraus wurde, wissen wir alle!
  • Spieleautoren haben seit 1991eine eigene Interessenvertretung, die SAZ. Ich war eines der Gründungsmitglieder. Ich glaube wir waren 12 Leute damals.
  • Es gibt immer mehr Verleger und Verlage. Die Anzahl der Verlags-Neugründungen steigt fast stündlich 😉
  • Bevor die ersten Apple-Computer und funktionierende Programme für Grafiker auf den Markt kamen, war es unvergleichlich teurer als heute, ein Spiel druckfertig zu machen. Deshalb waren die wenigen Verlage, die es gab, auch sehr viel vorsichtiger mit ihren Veröffentlichungen. Ab 1990 änderte sich hier alles …
  • Es gibt einen weltweiten Boom besonders im Vielspielerbereich, der für hunderte von neuen Spielen jedes halbe Jahr sorgt … wo das hinführen soll, weiß ich allerdings nicht … wobei ich selbst mit vielen ‚Vielspielerspielen‚ nicht viel anfangen kann.
  • Kickstarter und Co sind neu, gut, aber auch gefährlich … Wenn keine vernünftige, erfahrene Redaktion vorhanden ist oder im richtigen Moment eingreifen kann, können große Enttäuschungen nicht ausbleiben.
  • Social-Media: Wenn ich mittags auf unserer facebook-Seite ein neues Spiel vorstelle, habe ich unter Umständen – wenn es interessant ist – innerhalb einer Minute den zustimmenden Daumen aus Japan, Hongkong, Finnland, Portugal, Kanada oder Amerika. Das fasziniert mich am allermeisten. Ich pack´ das fast nicht …
  • … usw., usw. …
  • Trotz allem geht es doch immer noch nur um eins: Das Vergnügen und die Lust an der gemeinsamen ‚Weltsprache Spiel‘ …“

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