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Evergreen

Brettspiel Evergreen - Ausschnitt - Foto von Heidelbär

Thematisch ganz im Trend der beginnenden Zwanzigerjahre liegt das Spiel Evergreen von Hjalmar Hach (Horrible Guild/Heidelbär). 2-4 Spieler (oder einer allein) wollen den grünsten Planeten schaffen, indem sie Bäume pflanzen und wachsen lassen.

Stilecht beinhaltet die Spieleschachtel dann auch kein Plastik. Sprösslinge, Bäume und alle anderen Spielsteine sind aus Holz. Es gibt vier doppelschichtige Spielpläne (Planetentafeln), die kleine Vertiefungen für die auf ihnen zu platzierenden Spielsteine haben.

So spielt man Evergreen

Evergreen Planetentafel mit Bäumen | Foto: Axel Bungart

Eine schon wegen ihrer großzügigen Gestaltung übersichtliche, reich bebilderte und alle Fragen beantwortende Spielregel erklärt schnell das Spielziel und den Weg dorthin.

In jeder Runde werden Karten offen ausgelegt, aus denen sich jeder Spieler eine aussucht. Die gewählte Karte gibt vor, in welchem der sechs Biome seines Spielplans der Spieler in der betreffenden Runde seine Aktionen durchführen darf. Aktionen heißt kurz gesagt, Sprösslinge zu pflanzen oder diese in zwei weiteren Stufen zum großen Baum aufzuziehen.

Die Aktionen können die Spieler in verschiedenen Kombinationen ausführen. Weiterhin erlaubt ihnen jede Karte noch einen Effekt, den sie zusätzlich ausführen. Außerdem verbessert sich die Wirkung des Karteneffekts, je häufiger man denselben Effekt benutzt.

Am Ende jeder Runde bleibt eine Karte übrig, die sich auf die Fruchtbarkeit (= den Wert) der Biome auswirkt. Diese ist wichtig für die Wertung am Spielende.

Evergreen Biomkarten | Foto: Axel Bungart

Die vier Jahreszeiten

Die Runden werden bei Evergreen in Jahreszeiten gezählt, und am Ende jeder Jahreszeit scheint die Sonne über die Planeten der Spieler, von jeder Seite einmal. Im besten Fall erzielen Bäume dadurch Punkte, sofern sie nicht im Schatten anderer Bäume stehen. Diese Technik ist bekannt aus Photosynthese desselben Autors (bei Blue Orange), wo man ebenfalls Bäume pflanzt, die möglichst viel Sonne einfangen sollen. Anders als dort dienen die Sonnenpunkte bei Evergreen jedoch nicht als Aktionspunkte für die kommende Runde, sondern schlicht als Siegpunkte.

Außer Bäume können die Spieler noch Seen bauen, welche sich positiv auf das Wachstum der Bäume drumherum auswirken. Und Sträucher werden gepflanzt, um aus den kleinen Baumgruppen große Wälder zu machen, welche ebenfalls Punkte einbringen.

Das Besondere an Evergreen ist, dass die Jahreszeiten und damit die Anzahl der Spielrunden, immer kürzer werden. Die erste Jahreszeit dauert fünf Runden, die letzte nur noch zwei. Am Ende des Spiels gewinnt der Spieler, der mit der Aufforstung seiner Biome die meisten Punkte machen konnte. Es gibt dabei noch eine Schlusswertung, bei der die größten Bäume in den verschiedenen Biomen noch mit dem Wert des Bioms multipliziert werden. Der Wert ergibt sich aus den Runde für Runde zurückgelegten Karten und den darauf abgebildeten Symbolen.

Evergreen vs. Photosynthese

Evergreen Planatentafel Zoom | Foto: Axel Bungart

Evergreen nimmt von der Idee her einiges aus dem Spiel Photosynthese wieder auf. Man pflanzt Sprösslinge, lässt daraus Bäume wachsen und versucht von vornherein so anzupflanzen, dass sich die Bäume nicht gegenseitig Sonnenlicht wegnehmen, da dies Punkte kostet. Damit ist man aber gleich bei den Unterschieden. Im Gegensatz zu Photosynthese spielt jeder hier in seinem eigenen Territorium; jeder ist damit zunächst für seine eigene Punkteausbeute verantwortlich, und das Konkurrenzverhalten beschränkt sich auf die Kartenauswahl und den Punktevergleich. Auch geht es bei Evergreen nicht um das Fällen von Bäumen, was bei Photosynthese gleichsam Zwang wie thematischer Fauxpas ist.

In erster Linie spielen die Spieler daher einsam auf ihren eigenen Planetentafeln, ohne dass jemand darauf Einfluss nimmt. Und dennoch ergeben sich bereits im Laufe des Spiels mittelbar Berührungspunkte. Die Symbole auf den Karten, die in jeder Runde übrigbleiben und damit den Wert der verschiedenen Biome für alle Spieler ergeben, dienen bei der Schlusswertung als Multiplikator. Jeder Spieler kann also, wenn er eine Karte nimmt, bereits eine Entscheidung treffen, ob er lieber eine Karte nimmt, die er nur suboptimal verwenden kann, jedoch damit verhindert, dass sie ein Biom aufwertet, das er vernachlässigt hat. Ehrlich gesagt ist diese Auswahl jedoch sehr theoretisch. Die optimale Verwendung der Karte wird in der Regel vorrangig betrachtet, und nur bei der Wahl zwischen Pest und Cholera spielt vielleicht die Aufwertung des Bioms noch mit.

Gut gepflanzt ist halb bestrahlt

Evergreen Bäume | Foto: Axel Bungart

Beim Pflanzen der Sprösslinge entscheidet sich bereits häufig, wie gut die spätere Punkteausbeute wird. Wer seine Bäume nicht nur zu eng setzt, sondern auch ungünstig oder einfach schlecht getimed wachsen lässt, nimmt sich Licht und spendet Schatten, wo keiner hingehört. Aber noch wichtiger ist fast das Timing. Die Sonne wandert im Spiel einmal um den Plan und bescheint den Planeten von vier Seiten. Bäume im Hintergrund können daher wachsen, ohne andere zu beschatten.

Wer nun aber denkt, je weiter auseinander, desto besser, muss feststellen, dass man mit der Waldwertung in jeder Runde ein Menge Punkte machen oder verschenken kann. Für eine einträgliche Waldwertung sollten nämlich möglichst viele Bäume möglichst dicht beieinanderstehen. Kompliziert.

Kein Wald ohne Bäume

Es wird damit klar, wo bei Evergreen der Hase im Pfeffer liegt. Es birgt Grübelpotenzial, was daraus kein leichtgängiges Spiel macht. Zu entscheiden, wohin man wann pflanzt und wann man aus Sprösslingen Bäume werden lässt, verursacht einfach Denkpausen. Auch kann es einträglicher sein, doch Bäume im Schatten versinken zu lassen, wenn man dadurch an Waldfläche gewinnt.

Brettspiel Evergreen - Schachtel - Foto von Heidelbär

Alles zusammengenommen ist Evergreen ein anspruchsvolles Spiel mit geringem Glücksfaktor und einem ordentlichen Schuss Öko-Feeling. Qualitativ gibt es keine Abzüge, wenn man außer Acht lässt, dass das Handling der kleinen Bäumchen etwas fummelig ist. Die Double Layer Pläne sind natürlich sehr praktisch, da nichts so leicht verrutscht. Spieltechnisch gibt es nichts zu mäkeln. Wie bei allen Spielen ohne Interaktion spielt sich auch Evergreen bereits zu zweit sehr gut. Wer sich jedoch gerne interaktiv messen und Vorteile auf Kosten anderer herausspielen möchte, ist bei Photosynthese besser aufgehoben.

Nicht zutreffend finde ich die angegebene Spielzeit, die zu kurz bemessen ist. Auch die Angabe des Mindestalters ist mit acht Jahren aus meiner Sicht um zwei Jahre zu niederig. Für sich gesehen ändert das nichts daran, dass man mit Evergreen, je nach Spieleranzahl, 60-90 spannende Minuten verbringen kann.

Evergreen erhielt 2023 den Grafikpreis Graf Ludo für die schönste Grafik.

Infos zu Evergreen

  • Titel: Evergreen
  • Verlag: Horrible Guild
  • Autor: Hjalmar Hach
  • Spieleranzahl (von bis): 1-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 8
  • Dauer in Minuten: 45-60
  • Jahrgang: 2022

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2 Kommentare

Michael Weber
Michael Weber 21. Mai 2023 at 12:49

Den Mechanismus mit dem Schattenwurf gab es in ähnlicher Form schon bei Siesta. Ein schönes Spiel, das mal eine Neuauflage verdient hätte.

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Sören Textor 11. Juni 2023 at 14:13

Ein klassisches Beispiel für ein Spiel, in dem man getrost den menschlichen Spieler vernachlässigen kann. Wie beschrieben ist man hier zumeist solitär unterwegs. Somit beschränkt sich die menschliche Interaktion auf die Kartenwahl und einfache Gespräche. Ideal zum Solospielen also. Ich nutze den erweiterten Solomodus von Lines J. Hutter, der nach gewissen Regeln Karten entfernt. Und währenddessen unterhalte ich mich mit meiner Frau, die in derselben Zeit einem Nicht-Brettspielhobby nachgeht 🙂

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