Fabula Rasa: Seemannsgarn

Genau so muss man sich das vorstellen: Mehrere Leute sitzen gemütlich beieinander, essen und trinken vielleicht etwas Feines oder haben sonst eine gute Zeit zusammen. Dann beginnt jemand zu erzählen, alle anderen hören zu und können zuletzt kaum abwarten, alle Einzelheiten und Wendungen der Geschichte zu erfahren, die sich gerade vor ihren Augen und Ohren entwickelt. Ein Wort gibt das andere, weitere Geschichten folgen, die vielleicht Teile der ersten übernehmen, jedoch auch Neues hinzufügen. Einiges erinnert dabei an schon Gehörtes und selber Erlebtes. Anderes klingt dagegen derart erstaunlich, dass niemand recht weiss, ob dem Gesagten tatsächlich geglaubt werden kann oder nicht.

So funktioniert Fabula Rasa: Seemannsgarn

Genau Gleiches passiert auch beim Erzählspiel Fabula Rasa von Nicko Böhmke (HUCH!) und das ist gut so, bietet wunderbare Unterhaltung und bleibt bis zuletzt interessant und spannend zugleich. Dazu reichen 55 Spielkarten mit der farbigen Darstellung eines Motivs aus der Welt der Seefahrt und der Piraterie sowie ein Würfel mit den Zahlenwerten 1 bis 4. Weiter gibt es auch separate Ausgaben von Fabula Rasa mit Karten zu den Themen Crime und Horror, die uns hier aber nicht kümmern, sondern einfach die Erzählwelt des Spiels entsprechend ändern und erweitern.

Wenige Regeln, viel Gesprächsstoff

Die wenigen Regeln von Fabula Rasa sind rasch verstanden und dann kann bereits mit der ersten Partie gestartet werden. Dazu zieht jemand die obersten sechs Karten vom verdeckten Nachziehstapel, ordnet sie nach eigenem Belieben in der Hand und erzählt dann eine frei gewählte Geschichte dazu. Gleichzeitig mit dem entsprechenden Motiv in der Erzählung wird die dazugehörende Karte offen in die Tischmitte gelegt und bildet dort den sogenannten Erzählstapel. Alle Mitspielenden hören konzentriert zu und versuchen, sich die Motivkarten in der richtigen Reihenfolge zu merken.

Denn unmittelbar nach dem Ende der Geschichte wird der Erzählstapel umgedreht und verdeckt in der Tischrunde weitergereicht. Per Würfelwurf wird ermittelt, welche Karte daraus rausgenommen und offen ausgelegt werden muss. Anschliessend folgt bereits die nächste Geschichte mit und zu den übrig gebliebenen Motivkarten des Erzählstapel, die immer erst nach ihrer Erwähnung in der neuen Geschichte aufgedeckt werden dürfen.

Fabula Rasa: Seemannsgarn und die Siegpunkte

Verläuft alles fehlerfrei und in der richtigen Reihenfolge, darf die zu Beginn rausgelegte Karte als Siegpunkt behalten werden. Anschliessend wird mit zwei neuen Karten vom Nachziehstapel die Geschichte fortgesetzt. Andernfalls, wenn also die aufgedeckte Karte nicht zum eben erwähnten Teil der Geschichte passte, muss diese sofort abgebrochen werden. Der gesamte Erzählstapel geht dann verdeckt zum Nachbarn, der versuchen kann und muss, die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende korrekt wiederzugeben.

Tolle Stimmung und etwas Gehirnjogging bei Fabula Rasa: Seemannsgarn

Ich war nach dem Lesen der Anleitung und vor der ersten Partie sehr skeptisch, doch hat Fabula Rasa mich und uns alle rasch eines Besseren belehrt. Das Spiel ist ein echter (Stimmungs-) Hit und sorgt für beste Unterhaltung und tolle Stimmung. Nicht nur wird die Erinnerungsfähigkeit auf überaus spielerische Weise getestet und gemessen – zusätzlich liefert Fabula Rasa auch interessante Geschichten, die sich mit zum Teil echt irren Wendungen weiterentwickeln, je nachdem was für zwei Motivkarten im Erfolgsfall nachgezogen werden und in die Erzählung eingebuden werden müssen.

Trickreiche Einschränkungen

Andererseits fällt ja durch den Würfelwurf zu Beginn jeder neuen Geschichte stets eine Karte weg, so dass es nicht reicht, wie beim Kofferpackspiel sich einfach die immer länger werdende Reihe der Einzelheiten zu merken. Stattdessen passieren immer wieder Fehler, bei denen ein Element der Geschichte weiterhin nacherzählt wird, obschon die dazugehörende Motivkarte mehr oder weniger kurz zuvor aus dem Erzählstapel entfernt wurde.

Herrliche Verwirrung durch Geschichten

Fabula Rasa ist so ein echter Wolf im Schafspelz, allerdings einer der ganz sympathischen Art.

Gerne startet man auch gleich eine nächste Partie, obschon das zu zusätzlichen Problemen führen kann, wenn erneut auftauchtende Motivkarten plötzlich zu Verbindungen und Verwechslungen mit der Geschichte der vorangehenden Runde führen. Allerdings nimmt man das gerne in Kauf, so lange alle Mitwirkenden weiterhin Lust auf immer neue Einzelheiten und Entwicklungen der gemeinsamen Erzählung haben. Einzig die Siegpunkte und die Wertung des Spiels braucht eigentlich niemand. Doch das ist schon wieder eine gaaanz andere Geschichte …